Bedarfsermittlung und Interessenskonflikte

  • Obwohl das Thema Interessenskonflikte in der Wissenschaft von zentraler Bedeutung ist, scheint es in der Begutachtung zu fehlen.


    Leider kenne ich zahlreiche Fälle bei denen z.B. der Bedarf für eine LTA festgestellt wurde und die Menschen mit Behinderungen dennoch als arbeitsfähig aus der Rehaklinik entlassen werden. Dies ist eigentlich nicht rechtens. Teilweise werden die Menschen mit Behinderungen sogar angelogen: "Man bekäme nur eine LTA-Maßnahme, wenn man arbeitsfähig entlassen wird". In Wirklichkeit geht es den Rehakliniken um ihre eigenen Zahlen und sie stehen besser da, wenn sie die Leute arbeitsfähig entlassen. Das sie damit Menschen in den finanziellen Ruin treiben können, interessiert dann nicht.


    Andererseits kann es trotz möglichen Interessenskonfliktes zu einer richtigen Begutachtung kommen, jedoch stellt der Rehakostenträger das Ergebnis in Frage. Grundsätzlich ist dies ok, nur darf der Rehakostenträger dann nicht vergessen, das er verpflichtet ist das Ergebnis zumindest zu prüfen. Er darf es nicht einfach ignorieren und behaupten es sei falsch.

  • Hallo Sonnenschein,


    hier muss man zwischen den beiden Begrifflichkeiten "arbeitsunfähig" und "Minderung der Erwerbsfähigkeit" unterscheiden.


    Für den LTA-Bedarf ist es nicht erheblich, ob eine Person arbeitsfähig oder arbeitsunfähig aus der medizinischen Rehabilitation entlassen wird. Hier kommt es auf die Minderung der Erwerbsfähigkeit in Bezug auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit an. Dies ist eine langfristigere Frage als die der Arbeitsunfähigkeit.


    Beispielsweise kann jemand zwar 6 Monate arbeitsunfähig sein, wenn er oder sie jedoch prognostisch nach Genesung die zuletzt ausgeübte Tätigkeit wieder aufnehmen kann, besteht kein LTA-Bedarf.


    Ob RehabilitandInnen mit einer arbeitsfähigen Entlassung mit Blick auf LTA-Bedarf "unter Druck gesetzt werden", wie Sie das beschreiben, kann ich aus meiner Perspektive nicht beurteilen. Es wäre aber schlicht und ergreifend nicht richtig.

  • Wenn die Rentenversicherung sich durch § 10 Abs. 1 SGB VI bei noch längerfristig erwerbsfähigen Personen an einer LTA gehindert sieht, kommen LTA der Bundesagentur nach §§ 112 ff. SGB III in Betracht. Darauf müssten sowohl die Rehabilitationseinrichtung wie auch der RV-Träger eingehen. Die RV müsste einen solchen Antrag ggf. nach § 14 SGB IX an die BA weiterleiten.

  • Ich habe bereits öfters erlebt, dass Rehabilitanden, die arbeitsunfähig für den alten Beruf waren und eine LTA machen sollten, einfach arbeitsfähig geschrieben werden. Dabei hätte es jedesmal arbeitsunfähig sein sollen. Der MDK musste jedesmal prüfen und bestätigte dann die Arbeitsunfähigkeit. Die LTA wurde ohne Probleme gestartet.


    Die Rehakliniken haben die Priorität bei ihren eigenen Zahlen. Dass die Rehabilitanden dadurch in finanzielle Not geraten können, interessiert nicht.



    Die TK war damals so freundlich auf den Fehler hinzuweisen und verweigerte das Krankengeld nach MDK Gutachten nicht mehr. Nicht alle haben so viel Glück.

  • Wenn die Rentenversicherung sich durch § 10 Abs. 1 SGB VI bei noch längerfristig erwerbsfähigen Personen an einer LTA gehindert sieht, kommen LTA der Bundesagentur nach §§ 112 ff. SGB III in Betracht. Darauf müssten sowohl die Rehabilitationseinrichtung wie auch der RV-Träger eingehen. Die RV müsste einen solchen Antrag ggf. nach § 14 SGB IX an die BA weiterleiten.

    Lieber Herr Welti,


    die BA darf gemäß § 22 Abs. 2 SGB III Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben aber nur erbringen, wenn kein anderer Rehabilitationsträger zuständig ist. Bei der Rentenversicherung sind die Voraussetzungen für die Zuständigkeit u.a. erfüllt, wenn mindestens 180 KM mit Pflichtbeiträgen vorliegen oder gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX, wenn durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben der Reha-Erfolg einer vorausgegangenen medizinischen Rehabilitation gesichert werden kann.


    Habe ich Sie evt. falsch verstanden? Grundsätzlich würde uns die Bundesagentur - m. E. zu Recht - einen Vogel zeigen, wenn wir trotz erfüllter versicherungsrechtlicher Voraussetzungen einen Antrag an sie weiterleiten würden.


    Natürlich kämen bei arbeitslosen Personen ggf. nicht-rehabilitative Maßnahmen der Bundesagentur in Frage.


    Vielleicht können Sie nochmal erläutern, worauf sie genau abzielen?