Betriebliche Wiedereingliederung: Wiedereingliederung am alten Arbeitsplatz erfolgen?

  • Hallo in die Runde,


    Gibt es eine Gesetzgebung, die besagt wo , also an welchem Arbeitslatz die Wiedereingliederung statt finden muss?
    Ich denke, gerade bei psychischen Erkrankungen ist oftmals eine Wiedereingliederung an einem neuen behinderungsgerechten Arbeitsplatz sinnvoller.
    So versteht ich auch das BEM - Verfahren.

  • Guten Morgen,
    ich rate auf jeden Fall, vor allem bei einem Problem mit einer psychischen Behinderung zu bedenken, dass mehrere Faktoren wichtig sind:
    Arbeitsplatzumgebung - personell/räumlich/akkustisch/optisch/usw.
    Ursachen für die psyische Behinderung - wenn am Arbeitsplatz, dann schonungslose Aufklärung zur Beachtung bei der neuen "Stelle" inerhalb des Betriebs - Kollegen/Vorgesetzenwechsel event.


    Störungsfaktoren von aussen zu erkunden und versuchen diese zu klären und wenn möglich zu beseitigen.


    Psychische Erkrankungen sind nicht einfach mit einer körperlichen Erkrankungen zu vergleichen. Langwierig - Rückfallquote usw bedenken.


    Menschen mit einer psychischen Erkrnakung haben meistens auch eine Wesensverädnerung und diese müssen alte Kollegen erst lernen zu respektieren und damit umzugehen.


    usw.


    Josef Keßler/SNOBO

  • Guten Morgen.


    Danke SNOBO, dass sehe ich genauso. Und habe als langjährige Vertrauensperson der Schwerbehinderten schon reichlich Erfahrung in der Richtung gesammelt.


    Meine Frage zielte eher auf die rechtliche Auslegung ab.
    Unser AG hat letztens in einem BEM Gespräch plötzlich behauptet, dass eine Wiedereingliederung nur am alten Arbeitsplatz möglich sei.
    Dies halte ich aufgrund meiner Erkenntnisse für falsch. Eine Wiedereingliederung in einem BEM Verfahren kann sehr wohl an einem neuen Arbeitsplatz im gleichen Betrieb erfolgen. Und gerade bei psychischen Erkrankung ist dies oftmals auch besser. Evtl. war sogar die Führungskraft ein Faktor für die Erkrankung.
    Ich suche gezielt nach den rechtlich fundierten Stellen im Gesetz (SGB IX oder so ?) für meine Argumente beim AG. Der AG muss seiner Fürsorgepflicht dem Mitarbeiter und besonders den schwerbehinderten Kollegen und Kolleginnen gerecht werden in dem er einen "leidensgerechten" Arbeitsplatz zur Verfügung stellt.

  • Guten Tag zusammen,


    zunächst möchte ich aus meiner langjährigen Praxis im Integrationsfachdienst dazu raten, Menschen mit psychischen Erkrankungen differenziert zu sehen. Die Erkrankungen/Beeinträchtigungen/Behinderungen sind sehr verschieden. Man kann keineswegs nach jeder Erkrankung von einer angewachsenen Beeinträchtigung ausgehen. Auch können Umgestaltungen der Arbeitsumgebung und des Arbeitsplatzes erhebliche Erleichterungen bringen und zu Leistungssteigerungen führen. Bei Menschen mit Schwerbehinderung oder Gleichstellung sollte immer auch die Einschaltung des Integrationsfachdienstes geprüft werden.


    In diesem Sinne ist Schorsch unbedingt zuzustimmen, dass eine Wiedereingliederung mithilfe eines BEM an einem anderen Arbeitsplatz – beispielsweise mit einem anderen Vorgesetzten – sehr sinnvoll sein kann.


    Bei der rechtlichen Frage ist zu unterscheiden.


    1. handelt es sich um eine stufenweise Wiedereingliederung (StW) nach § 44 SGB IX, dann ist diese zunächst am bestehenden Arbeitsplatz vorgesehen – so der Gesetzestext. Dies konstituiert ein Recht der Betroffenen auf eine Wiedereingliederung an diesem Arbeitsplatz. Eine Pflicht besteht allerdings nicht. Andere – insbesondere sinnvolle – Lösungen sind ohne weiteres frei vereinbar. Juristisch ist dies gut begründet bei Gagel in seinem Aufsatz für Reha-Recht: https://www.reha-recht.de/file…load/foren/b/B_2010-1.pdf - dort auf Seite 4:


    "Wir haben schon an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass außerdem andere Formen der Beschäftigung ... für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit frei vereinbart werden können, ohne dass der Krankengeldanspruch entfällt. Zu nennen sind z.B. StW für Fälle, in denen die volle Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht zu erwarten ist, oder StW durch eine andere Tätigkeit, die bis dahin arbeitsvertraglich nicht vereinbart war."


    Wichtig ist hier der Begriff "frei vereinbart" – der Arbeitgeber kann also dieser Form der Wiedereingliederung zustimmen, muss aber nicht. Also kann der Arbeitgeber keineswegs behaupten, dass es nicht möglich ist!


    2. handelt es sich um eine Wiedereingliederung im allgemeinen Sinn – also einfach die Rückkehr in die Arbeit nach Krankheit und mit Vorbereitung im BEM – dann ist der Arbeitgeber bei behinderten Menschen zwar nach 164 SGB IX allgemein dazu verpflichtet, Arbeitsplätze Behinderungs-gerecht zu gestalten. In der Praxis ist dieses Recht aber kaum einklagbar. Auch für diesen Fall ist allerdings genauso gültig, dass mit gutem Willen seitens des Arbeitgebers im gegenseitigen Einvernehmen viele Lösungen möglich sind. Sollte der Arbeitgeber dieses verweigern – insbesondere wenn es als sinnvolle Lösung im BEM erarbeitet und dokumentiert wurde – würde es ihm zumindest sehr schwer fallen, später eine krankheitsbedingte Kündigung zu erreichen.

  • Hallo,


    sehe ich genau so wie Manfred Becker - deswegen mein Vorschlag so formuliert - kömmte nur anders sein, wenn der Arbeitsvertrag gezielt auf einen bestimmten Arbeitsplatz im Untertnehmenm aussgestellt ist.


    Lasse mich aber gern anders belehren.


    SNOBO/Josef Keßler

  • Hallo,


    vielen Dank für die Hinweise und fundierten Antworten und Anregungen von Josef und Manfred.
    Das sind für mich sehr gute Hilfen für meine Argumentationen bei weiteren BEM Verfahren.


    Wenn ich das richtig verstanden habe, ist der § 44 SGB IX zur StW (eher) als Recht des Betroffenen zu sehen, damit er - falls er möchte und kann - auf seinen alten Arbeitsplatz zurückkehren darf und damit kein Recht des Arbeitgebers eine StW auf den alten Arbeitsplatz (im BEM- Verfahren) vom Betroffenen zu verlangen.
    Wir lassen hierbei mal bewusst, mögliche Regelungen in individuellen Arbeitsverträgen außer Acht. Bei einem großen Unternehmen im Sektor Dienstleistung- und Finanzunternehmen gibt es sehr viele unterschiedliche Arbeitsplätze und daher viele Möglichkeiten behinderungsgerechte Arbeitsplätze zu ermöglichen. Hier fällt für mich die AG zwingend geforderte Notwendigkeit zur StW auf den alten Arbeitsplatz auch mit Blick auf 164 SGB IX äußerst schwer. Ich denke die Position des Betroffenen und der SBV sind hier ganz auf Seiten der Arbeitnehmer.



    Liebe Grüße und schönes Wochenende
    Schorsch