Persönliches Budget und Teilhabe an Bildung

  • Ich halte dieses Diskussionsforum zum Persönlichen Budget (PB) für sehr wichtig und Kenntnisse insbesondere zum trägerübergreifenden PB für entscheidend für eine gelingende Bildungsteilhabe.
    Gern möchte ich die Diskussion erweitern um diesen Aspekt der Teilhabe an Bildung und der Beantragung des PB durch Sorgeberechtigte für ihre Kinder mit Behinderungen bzw. mit einer drohenden Behinderung, weil ich glaube, dass hierdurch eine gute Unterstützung im Schultag und in der ganztägigen Bildung und Betreuung gewährleistet werden können. Falls es vor Interesse in diesem Forum ist, so würde ich mich über Rückmeldungen, Anmerkungen und vor allem auch rechtliche und inhaltliche Korrekturen zu meinem anhängenden kleinen Beitrag zum PB als Beratungshilfe für Schulen und Unterstützungseinrichtungen freuen.

  • Hallo Angela,
    das ist ein gutes Papier!
    Nur die Abgrenzung EGH - Pflegekassenleistungen finde ich ein bisschen knapp und optimistisch dargestellt. Da gibt es in der Praxis ja jede Menge Abgrenzungsprobleme.
    Allerdings eher weniger im Bereich "Bildung". Und um den geht es Dir ja besonders, oder? Um Schulbegleitungen? Zu diesem Thema könnte man natürlich noch viel schreiben, auch wann es sinnvoll ist, hier die Leistung als PB zu erhalten (aus meiner Sicht nicht immer), übers Poolen und vieles mehr. Aber wir sind ja auch erst bei Tag 1 der Diskussion...

  • Ich möchte nur auf eine Frage aus dem Papier oben eingehen: Die (sog.) Abgrenzung von Eingliederungshilfe und Pflege. In dem Papier heißt es:



    Bei der Abgrenzung der Eingliederungshilfe zu ambulanten Leistungen der Pflegeversicherung kommt es auf die Zielsetzung und den Bedarf an. Kann der Bedarf bereits
    durch ambulante Leistungen der Pflegeversicherung gedeckt werden, wird Eingliederungshilfe nicht mehr zusätzlich erbracht. Bei Überschneidungen gilt folgende
    Faustregel: Ist das Ziel eine eigenständige Lebensführung, so ist der Träger der Eingliederungshilfe zuständig, ansonsten die Pflegeversicherung. Sollte der Bedarf des Menschen mit Behinderung durch Leistungen der Pflegeversicherung nicht vollständig gedeckt werden können, sind zusätzliche Leistungen der Eingliederungshilfe bzw. der Hilfe zur Pflege möglich.


    Auch hier stellt sich die Frage, ob wir Auffassungen für richtig halten, weil sie in der Praxis eine gewisse Dominanz erlangt haben, oder weil sie aus dem Gesetz heraus begründbar sind. Nach meiner Auffassung ist die zitierte Auffassung zur Abgrenzung aus dem Gesetz nicht begründbar und daher nicht richtig, obwohl sie in der Tat verbreitet ist, leider bis in die Rechtsprechung des BSG. Doch die Ziele sowohl der Eingliederungshilfe, als auch der Pflege sind im Gesetz ganz ausdrücklich normiert (§§ 4, 90 SGB IX, § 2 SGB XI). Die oben formulierte Abgrenzung lässt sich aus diesen Vorschriften nicht nur nicht ableiten, sondern sie steht in deutlich erkennbarem Widerspruch zu ihnen. Die gesetzlichen Vorgaben lassen m.E. keinen Zweifel daran, dass die Ziele von Eingliederungshilfe und Pflege weitgehend identisch sind. Wenn dennoch eine Unterscheidung vorgenommen wird, stellt sich die Frage: Wozu? Das Gesetz erlaubt, mehr noch: normiert eine Unterscheidung nach Leistungsarten (vgl. dazu a. BVerwG, 22.10.2009, 5 C 19.08). Die Eingliederungshilfe auf der einen Seite ist von einem offenen Leistungskatalog geprägt (nur in der Leistungsgruppe der sozialen Teilhabe, aber das ist die wichtigste, §§ 76, 113 SGB IX). Die Leistungen sind also nur schwer einzugrenzen (vgl. zB BSG, 4.4.2019, B 8 SO 12/17 R). Die Leistung der Pflegeversicherung, die in erster Linie in Konkurrenz zur Eingliederungshilfe stehen kann, ist die „häusliche Pflegehilfe” nach § 36 SGB XI, für die § 36 Abs. 2 S. 1 SGB XI noch einmal (also neben § 2 SGB XI) eine Zielbestimmung normiert, die sehr weit ist und sich überwiegend mit der Zielbestimmung aus § 90 SGB IX deckt. Eine klare Eingrenzung ergibt sich dann aber aus § 36 Abs. 4 S. 2 SGB XI i.V.m. mit der Vorschrift, die den Rahmenverträgen nach § 75 SGB XI normative Wirkung verleiht (§ 75 Abs. 1 S. 4 SGB XI). Häusliche Pflegehilfe ist also das und nur das, was nach § 36 Abs. 4 S. 2 SGB XI erbracht werden kann und durch den Rahmenvertrag konkretisiert wird. Eingliederungshilfe dagegen kann nahezu jede Leistung sein.



    Damit kommt man nicht darum herum, dass die häuslihche Pflegehilfe (und wohl auch Pflege insgesamt, s. § 103 Abs. SGB IX) eine Teilmenge der Eingliederungshilfe ist. M.a.W.: Eingliederungshilfe verhält sich zu Pflege wie Obst zu Birne. Dennoch scheint es ein starkes Interesse zu geben, die Auffassung stark zu machen, Eingliederungshilfe verhalte sich zu Pflege wie Apfel zu Birne. Nach meiner Auffassung ist das ganz offensichtlich nicht richtig - jedenfalls solange man das Gesetz zugrunde legt. Daher stellt sich zunächst die Frage: Wozu soll die Apfel-Birne-Auffassung dienen? Bracuht man sie, um ein Auslegungsproblem zu lösen, das anders nicht lösbar wäre? Ein solches Auslegungsproblem kann ich nicht erkennen. Sie Apfel-Birne-Auffassung scheint mit nur dazu zu dienen, Wahlfreiheiten Leistungsberechtigter zu beschränken. Es ist, als müsse man das Gesetz (notfalls gegen den Wortlaut) so auslegen, als gebe es auf jedweden Bedarf nur eine Antwort. Aber was ist eigentlich so schlimm an Wahlfreiheiten? Was spricht dagegen, dass das Gesetz es ganz offensichtlich zulässt, das manche Bedarfe durch unterschiedlichen Leistungen gedeckt werden können - je nachdem, was die leistungsberechtigte Person will?




    Ich begrüße jedenfalls die m.E. überzeugende Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 3.5.2021, L 8 SO 47/21 B ER, die genau diese Auffassung - in manchen Fällen besteht Wahlfreiheit - bestätigt.