Wie sind die ökonomischen Fragen des Wunsch- und Wahlrechts zu sehen?

    • Offizieller Beitrag

    Im funktionierenden Markt bezahlt der Kunde das Produkt. Im Bereich der Rehabilitation bzw. generell der Medizin ist dagegen der Marktmechanismus aufgehoben. Damit steigen Risiken wie Korruption und Fehlallokation (falsche Zuordnung von Mitteln).


    Wie funktioniert hier die Preisgestaltung, zu wessen Nutzen und zu wessen Lasten?

  • Die Preise der Leistungen zur Teilhabe werden zwischen Rehabilitationsträgern und Leistungserbringern vertraglich vereinbart (§ 21 SGB IX; § 111 SGB V, § 75 SGB XII, § 78a SGB VIII). Der Zugang zu den Verträgen ist unterschiedlich. Bei den meisten Rehabilitationsträgern ist davon auszugehen, dass alle geeigneten Leistungserbringer dem Grunde nach einen Vertrag bekommen und die Auswahl durch den Rehabilitationsträger dann im Einzelfall zwischen den Vertragseinrichtungen erfolgt. Bei der Bundesagenturt für Arbeit wird in vielen Fällen eine Ausschreibung für Kontingente durchgeführt (§ 45 Abs. 3 SGB III). Die Preise sind zunächst Verhandlungssache. Sind die Leistungserbringer unzufrieden, können sie bei manchen Trägern eine Schiedsstelle anrufen (Krankenversicherung, Sozialhilfe, Jugendhilfe), bei anderen nicht (Rentenversicherung, Unfallversicherung).

  • Ich möchte zunächst darauf hinweisen, dass der Gesetzgeber das Wunsch- und Wahlrecht selber als ein ökonomisches Mittel zur besseren Zielerreichung einer Reha-Maßnahme angesehen hat, insbesondere unter dem Aspekt der sog. Compliance (vgl. dazu Fuhrmann/Heine, SGb. 2009, Seiten 516 bis 519). Es verkörpert bereits an sich ein rehabilitationsspezifisches Ökonomieprinzip. Darum ist die in der Rechtsprechung insbesondere des Bundessozialgerichtes vorgenommene, ständige Gegenüberstellung von Wunsch- und Wahlrecht einerseits, von dem in allen Büchern des SGB genannten Wirtschaftlichkeitsgebot andererseits überaus fragwürdig. Es kann normaler Weise zwischen dem Wunsch- und Wahlrecht und dem Wirtschaftlichkeitsprinzip keinen Widerspruch geben. Vielmehr handelt es sich dabei um einen von Leistungsträgern und Rechtsprechung konstruierten Scheinkonflikt, der sich nur daraus erklären lässt, dass sich beide Institutionen mit dem Wunsch- und Wahlrecht äußerst schwer tun, weil es quer liegt zu administrativem Denken einerseits, zum seit Jahren herrschenden Ökonomismus in der Gesundheits- und Sozialpolitik andererseits.


    Was die Preisgestaltung betrifft, so hat die frühere Rechtsprechung des 3. Senates des BSG schon seit langem für den Reha-'Markt' (tatsächlich ist das kein Markt im Sinne der Markttheorie) eine vollständige Preistransparenz verlangt (BSGE 89, Seite 305: "und die Vergleichbarkeit aller Preise mit denen anderer Anbieter gewährleistet ist"). Deshalb ja stellt insbesondere der Bundesrechnungshof, auch aus Antikorruptions-Gesichtspunkten heraus, seit langem die Forderung auf, dass die Träger Reha-Leistungen ausschreiben sollen. Ob dieses Mittel sinnvoll ist, möchte ich dahingestellt sein lassen - dazu gibt es eine riesige Diskussion, und die Bundesagentur für Arbeit, die ihre Reha-Leistungen seit langem ausschreibt, nutzt dieses Instrument zur bloßen Preisdrückerei.


    Diese ganze Angelegenheit würde aber spätestens dann wesentlich, wenn sich ein Sozialgericht dazu bereit finden würde, die Leistungen von zwei als "gleich geeignet" durch den Leistungsträger angesehenen Reha-Einrichtungen zu vergleichen, für den Fall nämlich, dass ein Versicherter in eine andere Einrichtung gehen möchte als die vom Leistungsträger für ihn vorgesehene, und diese möglicher Weise für den Betroffenen besser geeignet, aber auch teuerer ist. Dann müsste die Preisgestaltung in Relation zur angebotenen bzw. realisierten Leistungsqualität auf den Prüfstand gestellt werden. Das wäre nicht einfach, aber auch seitens eines Sozialgerichtes machbar. Man finde ein solches Gericht!