Budget für Arbeit - Arbeitslosenversicherung

    • Offizieller Beitrag

    Ist es rechtlich zulässig, Beschäftigte mit einem Budget für Arbeit von der Arbeitslosenversicherung auszuschließen?



    Diese Frage betrifft vorwiegend das Themenfeld der AG 5 "Übergänge aus der Werkstatt und Inklusionsbetriebe" im Rahmen der Fachtagung "Arbeit inklusiv gestalten" am 8./9.5.2017 in Berlin.

  • In § 61 SGB IX n.F. ist die Rede von einem „sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis“, das durch ein Budget für Arbeit (BfA) gefördert wird. Die Vorschrift geht also von uneingeschränkter Sozialversicherungspflicht aus und spricht gerade nicht von einem Ausschluss aus der Arbeitslosenversicherung. Allerdings findet sich in der Begründung zum Bundesteilhabegesetz der Hinweis, dass Sozialversicherungspflicht nur in der gesetzlichen Rentenversicherung, der gesetzlichen Krankenversicherung und in der Sozialen Pflegeversicherung bestehen solle. Hingegen bestehe Versicherungsfreiheit gem. § 28 Abs. 1 Nr. 2 SGB III in der Arbeitslosenversicherung (BT-Drs. 18/9522, S. 256). In § 28 Abs. 1 SGB III heißt es: „Versicherungsfrei sind Personen, … 2. die wegen einer Minderung ihrer Leistungsfähigkeit dauernd nicht mehr verfügbar sind, von dem Zeitpunkt an, an dem die Agentur für Arbeit diese Minderung der Leistungsfähigkeit und der zuständige Träger der gesetzlichen Rentenversicherung volle Erwerbsminderung im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung festgestellt haben…“.


    Bei korrekter Anwendung der Norm dürfen die Budget-Beschäftigten künftig nicht aus der Arbeitslosenversicherung ausgeschlossen werden. Der Anspruch auf ein BfA setzt den Abschluss eines Arbeitsvertrages am allgemeinen Arbeitsmarkt voraus. Damit ist schon die Voraussetzung für die Versicherungsfreiheit, der Budgetbeschäftigte sei dauernd nicht mehr verfügbar, widerlegt.


    Gleichwohl wollte der Gesetzgeber den Ausschluss und begründet ihn damit, dass Budget-Beschäftigte voll erwerbsgemindert seien und damit dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stünden. Deshalb bestehe keine Notwendigkeit, sie in die Arbeitslosenversicherung einzubeziehen. Zudem bestehe beim Scheitern des Arbeitsverhältnisses ein Rückkehrrecht in die WfbM (BT-Drs. 18/9522, S. 256 sowie Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates vom 23. September 2016, S. 24).


    Im Gesetzgebungsverfahren ist diese Position auf scharfe Kritik gestoßen. In seiner Stellungnahme hat der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, Budget-Beschäftigte in die Arbeitslosenversicherung einzubeziehen (1. Durchgang: BR-PlPr 948, S. 364).


    Die Argumentation der Bundesregierung überzeugt schon deswegen nicht, da eine Erwerbsminderung bereits keine Anspruchsvoraussetzung für die Aufnahme in eine WfbM ist und damit auch der Anspruch auf ein Budget für Arbeit vom Status der Erwerbsminderung unabhängig ist, vgl. §§ 61, 58 SGB IX n.F. Außerdem sind, wie oben bereits erwähnt, die Voraussetzungen für die Versicherungsfreiheit gem. § 28 Abs. 1 Nr. 2 SGB III bei einer Budget-Beschäftigung gerade nicht erfüllt.


    Doch selbst wenn es eine explizite Ausschlussregelung gäbe, wäre diese mit der UN-BRK (Art. 27) und dem Grundgesetz (Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG) nicht in Einklang zu bringen. Ein Ausschluss aus der Arbeitslosenversicherung liefe dem Inklusionsauftrag der UN-BRK, der von der Bundesregierung umzusetzen ist, völlig entgegen und zwingt Budget-Beschäftigte bei Arbeitslosigkeit geradezu zur Aufnahme einer Tätigkeit in einer WfbM. Das Rückkehrrecht würde so zur Rückkehrpflicht. Bei konsequenter Umsetzung des Art. 27 UN-BRK müssen alle Budget-Beschäftigten wie auch alle übrigen ArbeitnehmerInnen das Recht haben, sich bei (drohender) Arbeitslosigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt neu zu orientieren und ihre sozialversicherungsrechtliche Absicherung aus der bisherigen Budget-Beschäftigung durch Eingehung eines neuen sozialversicherungspflichten Beschäftigungsverhältnisses fortzuführen. Hierbei sind sie wie alle übrigen Arbeitssuchenden von der Bundesagentur für Arbeit zu unterstützen (§§ 1 ff. SGB III). Ein rechtlich normiertes Budget für Arbeit, das Beschäftigte aus der Arbeitslosenversicherung ausschließen wollte, würde eine Ungleichbehandlung hingegen rechtlich festschreiben und nähme die Budget-Beschäftigten gleichheitswidrig aus der Vermittlungsverantwortung der Bundesagentur aus. Deshalb muss § 28 Abs. 1 Nr. 2 SGB III trotz der entgegenstehenden Gesetzesbegründung verfassungs- und völkerrechtskonform ausgelegt werden und darf Budget-Beschäftigte gerade nicht von der Arbeitslosenversicherung ausschließen.