Barrieren bei der Rekrutierung

  • Laufende Forschung belegt ein grundsätzliches Hindernis für die und vor der Beschäftigung von Auszubildenden mit Behinderung: Barrieren bei der Rekrutierung.


    Auf Seiten der sich Bewerbenden werden z.B. exkludierende Barrieren für die Teilnahme am Bewerbungsprozess aufgezeigt (z.B. die Verweigerung der Teilnahme weil technische Hilfsmittel – und damit auch substituierende Techniken – pauschal nicht zugelassen sind) und Stigmatisierungen thematisiert. Hier ist die Frage, inwiefern diesen von Unternehmensseite z.B. grundsätzlich durch Sensibilisierung für und Umsetzung von Barrierefreiheit, aber auch durch Fortbildungen von Ausbildenden oder spezifisch auf Menschen mit Behinderungen ausgerichtete Rekrutierungsstrategien begegnet werden kann.


    Auf Seiten von Unternehmen gibt es die Wahrnehmung, dass sich Bewerbende mit Behinderungen z.B. aus der Erwartung von Vorurteilen nicht bewerben würden oder ihnen zustehende Nachteilsausgleiche deswegen nicht in Anspruch nehmen. Der Abbau dieser Vorurteile durch eine vermehrte gesellschaftliche wie politische Debatte geschieht; Weitere Möglichkeiten, dies zu beschleunigen, wären aber hilfreich.


    Beide Seiten vereinend scheint ein Mangel an Information über Möglichkeiten zur (Förderung von) Integration und die dafür einzuhaltenden Formalia (z.B. Zeitpunkt der Antragstellung) die Hürde für eine Einstellung höher zu setzen. Im Lichte dessen, dass solche Informationsquellen z.B. in Form von Rehadat-Talentplus existieren, dies den Informationsmangel aber scheinbar nicht behoben hat, ist die Schaffung von Ressourcen und Aufmerksamkeit zum gezielten Aufbau solchen Wissens bei Menschen mit Behinderungen und Unternehmen eine Möglichkeit (im Sinne eines Empowerments), diesem Problem zu begegnen. Zu beachten ist hier aber, dass die Verantwortlichkeit zum Aufbau solchen Wissens nicht auf Betroffene abgewälzt werden darf. Gleichzeitig sind auch Leistungsträger vermittelnd in der Pflicht, Barrieren durch Verantwortungsdiffusion und Bürokratie abzubauen, um den Aufwand zur Einstellung im individuellen Fall zu verringern.


    Zur Diskussion steht damit: Wie sehen konkrete (und weitere) Strategien aus, diese Barrieren abzubauen und wer sind diejenigen, die an welcher Stelle dazu beitragen können?

  • Im Lichte dessen, dass solche Informationsquellen z.B. in Form von Rehadat-Talentplus existieren, dies den Informationsmangel aber scheinbar nicht behoben hat


    Ich glaube eher nicht, dass es an ir­gend­wel­chen Informationsdefiziten über die wirklich attraktiven För­der­mög­lich­kei­ten liegt. Zu erinnern ist da etwa an das hochgelobte und platt­form­un­ab­hän­gi­ge neue LeistungsNAVI der BIH, um nur mal ein aktuelles Beispiel zu nennen.
    https://forum.integrationsaemter.de/viewtopic.php?f=7&t=918

  • exkludierend - substituierend - Empowerment - Ver­ant­wor­tungs­dif­fus­ion


    Liebe Teilnehmer, bitte an die Leser denken und möglichst lai­en­ver­ständ­li­che Sprache posten statt eine mit fach­spezifischer Terminologie gespickte Sprache, da sonst wo­mög­lich "ab­schre­ckend". Das wäre super! Herzlichen Dank :)

  • Eigentlich sind die Integrationsfachdienste die richtigen Stellen, um alle Fragen der Ausbildung und Beschäftigung von behinderten Menschen zu bündeln. Da diese aber seit vielen Jahren nicht mehr niedrigschwellig arbeiten können, wird hier wertvolles Potential verschenkt. Die Tatsache, dass die IFD nur mit einem konkreten Auftrag tätig werden können, führt dazu, dass sich behinderte Menschen nicht von sich aus eine Unterstützung erhalten können. Dies wäre aber auch vor der Aufnahme einer Beschäftigung oder Ausbildung sehr wichtig. Eine pauschale Förderung der IFD würde hier endlich einen einheitlichen Ansprechpartner für Menschen mit Behinderungen und Arbeitgeber schaffen.

  • Barrieren, ja das stimmt. Die Barrieren sind vielfältig, Unternehmen und Belegschaften können diese aber selbständig nur langsam und schwer abbauen. Der Grund: Betriebliche Ausbildung ist bei der Vielfalt der Behinderungen oft ein objektiv schwieriges Thema und sehr selten. Aus eigener Erfahrung ist nur differenzierter Kompetenzzuwachs der Unternehmen und der betrieblichen Interessenvertretungen möglich - auch wegen der Seltenheit des betrieblichen Ausbildung von schwerbehinderten Auszubildenden.
    Im Jahr 2015 meldeten die ca. 156.000 beschäftigungspflichtigen Arbeitgeber zusammen nur 7099 schwerbehinderte Auszubildende. Statistisch werden damit maximal 4 % der Arbeitgeber betroffen, tatsächlich dürften es aber noch viel weniger sein. So haben Deutsche Bahn und Daimler jeweils eine Zielzahl von ca. 50 neuen Ausbildungsverhältnissen pro Jahr. Aufgrund solcher Arbeitgeber kann es durchaus sein, dass nur ein oder zwei Prozent der beschäftigungspflichtigen Arbeitgeber auch schwerbehinderte Auszubildende ausbilden.
    Der Schlüssel für die Lösung liegt mE wegen den derzeitigen Zuständigkeitsregelungen bei der Bundesagentur für Arbeit. Hier muss im Grundsatz voraussetzungslose Unterstützung bei jeder betrieblichen Krise bereit gestellt werden können. Heute werden nur Pakete (Maßnahmen mit Phasen vor der Ausbildung und begleitend zur Ausbildung) angeboten.
    Derzeit läuft ein Verfahren für die Vergabe von Rahmenverträgen über die Durchführung von Maßnahmen zur Teilhabebegleitung für Menschen mit besonderem Förderbedarf (THB) nach § 49 Abs. 3 Nr. 7 SGB IX (§ 33 Abs. 3 Nr. 6 SGB IX a.F.) Der Wortlaut des Gesetzes bezieht sich aber auf Beschäftigung und selbständige Tätigkeit, für betriebliche Ausbildung sind Leistungen nach § 49 Abs. 3 Nr. 5 SGB IX einschlägig. Die ab 2018 zu erwartenden Rahmenverträge sind also noch keine Verbesserung für die Unterstützung von Ausbildungsverhältnissen. Die Bundesagentur zeigt damit aber, dass sie auch individuelle Leistungen bereit halten könnte.