Wie kann ein Eingliederungsplan aussehen? Wo gibt es Praxis-Beispiele?

  • Eine Umfangreiche Beschreibung der Möglichkeiten einer Stufenweisen Wiedereingliederung mit Fallbeispielen finden Sie hier:
    "StufenweiseWiedereingliederungin den ArbeitsprozessArbeitshilfeAusgabe 2019"
    Herausgeber: Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) e.V., Frankfurt/Main, April 2019ISBN 978-3-943714-16-, http://www.bar-frankfurt.de
    Sehr gute Arbeitshilfe für die Praxis!
    Die Vorbereitung einer STW beinhaltet selbstverständlich auch die Beratung des Rehabilitanden und die Berücksichtigung seiner Möglichkeiten. Einen STW Plan ohne Mitwirkung des Rehabilitanden macht keinen Sinn.

    • Offizieller Beitrag

    Gibt es auch Erfahrungen oder Empfehlungen zur Gestaltung eines Stufenplans für Lehrkräfte?


    In unserer Online-Diskussion 2014 wurde die Problematik echte Stundenzahl im Vergleich zu „Unterrichtsstunden“ angesprochen. Die Frage konnte damals aus Zeitgründen nicht beantwortet werden, siehe https://fma.reha-recht.de/inde…i-Lehrkraeften-vermieden/

  • Auch meine Erfahrungen bei der Begleitung von StW mit Lehrkräften haben gezeigt, dass es schnell Missverständnisse zwischen Ärzt*innen und Schule darüber geben kann, welche Stunden gemeint sind - Schulstunden oder Zeitstunden. Als IFD-Berater bespricht man sowieso meist zuvor die geplante StW mit dem Arbeitgeber, hier also i.d.R. der Schulleitung. Dies ist dem behandelnden Arzt meist sehr recht, weil er sowieso wenig Vorstellung von der tatsächlichen Gestaltung der Tätigkeiten und den betrieblichen Möglichkeiten einer den Umständen angepassten Belastungs-Steigerung hat - und wenig Zeit, sich damit zu befassen. Der Arzt sollte aber zuvor informiert sein und möglichst einverstanden mit dem Vorgehen.


    Bei den Stunden-Zahlen hat sich aus meiner Sicht bewährt, zunächst genau abzustimmen, welche Stunden gemeint sind. Für die Schule sind dies in aller Regel die Schulstunden. Der Arzt sollte dann in der Spalte "Art der Tätigkeit" die jeweilige Zahl der Schulstunden eintragen und dies als Schulstunden deutlich machen. Ich habe dann auch die Zahl der Schulstunden in Zeitstunden umgerechnet. Beispiel: regulär 28 Schulstunden pro Woche ist Vollzeit, entspricht 39 Zeitstunden. Dann bekommt man einen Faktor zur Bewertung. Hier müsste eine Schulstunde mit etwa 1,4 multipliziert werden um auf Zeitstunden umzurechnen. Also wären 2 Schulstunden tägliche Belastung mit etwa 2,8 Zeitstunden zu bewerten. Man könnte dann in die "Art der Tätigkeit" eintragen "täglich 2 Schul-Stunden - entsprechend" und in die Spalte "Stunden täglich" 2,8.


    Zu beachten ist hierbei aber auch, dass es zu einer Mischung von Schul- und Zeit-Stunden kommen kann. Wenn z.B. Vorbereitungszeiten für eine Unterrichtsstunde mit einer unterstützenden Kollegin vereinbart werden oder wenn Unterrichts-Vorbereitung zu Hause stattfindet, dann sind diese Zeiten eher nicht mit der Belastung von Schulstunden zu bewerten. Das ergäbe dann eine "Mischkalkulation". Aus meiner Sicht aber alles kein Problem wenn eine entsprechende Abstimmung mit Arbeitgeber, Arzt und Krankenkasse stattfindet.


    Hier klingt schon an, dass gerade bei Lehrer*innen die Wiedereingliederung vor dem Problem stehen kann, dass eine inhaltliche Belastung im tatsächlichen Unterricht nur schwer gestuft werden kann. Ist in der Grundschule evt. noch denkbar, dass Unterricht zu zweit durchgeführt wird, ist dies in weiterführenden Schulen oder im Berufskolleg meist kaum durchführbar. Hier sollte man nach kreativen Lösungen suchen, wenn möglich. Also eher mit den als einfacher empfundenen Fächern oder Klassen starten oder mit Vertretungsstunden usw.

  • Je individueller eine STWE gestaltet wird, desto nachhaltiger wird die Eingliederung sein. Die STWE sollte man als medizinisch-berufliche Rehabilitation sehen. So wird es auch in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Maßnahmen zur STWE beschrieben. Ziel ist also die langsame Heranführung an die Belastungen des Arbeitsplatzes bei bestehender Arbeitsunfähigkeit.Dabei geht es auch um Vertrauen: in den Prozess, in die eigenen Fähigkeiten, in alle am BEM-Beteiligten, in den positiven Ausgang der Wiedereingliederung...
    Dazu brauchen wir auf jeden Fall die vertrauensvolle Zusammenarbeit von BEM Berechtigtem, BEM-Team, Behandlern und der Führungskraft. Zur inhaltlichen Ausgestaltung ist es immer sinnvoll den Betriebsarzt einzubeziehen. Er kann ein positives Leistungsbild erstellen und es mit den Anforderungen des Arbeitsplatzes abgleichen und so die Suche nach Maßnahmen unterstützen. Vielleicht gibt es ja auch eine Gefährdungsbeurteilung ( inkl. psychischer Gefährdungen) für den Arbeitsplatz.


    Die Planung einer STWE hat ja drei Teile: die zeitliche, die inhaltliche und die soziale Gestaltung.Ich fange mal mit der zeitlichen an.
    Bei der zeitlichen Gestaltung sollte man sich unbedingt frei machen von dem "Klassiker" 2 Wochen 4 Std, 2 Wochen 6 Std und danach Vollzeit. Auch die Dauer einer STWE kann sich über einen längeren Zeitraum erstrecken je nach Art der Beeinträchtigungen und des Trainingsziels für die STWE. Da sollte man an Zeiträume zwischen 6 Wochen und 6 Monaten denken.
    Es gibt viele Gestaltungsmöglichkeiten, damit die zeitlichen Stufen gut an die persönliche Situation des BEM- Berechtigten und des Arbeitsplatzes angepasst werden können. So kann man bei einem weiten Arbeitsweg auch einen freien Tag einplanen. Mo und Di mit X Std. STWE, Mittwoch frei und Do und Fr. wieder STWE. Das kann auch für Menschen gelten, die in ihrem Eifer etwas eingebremst werden müssen, bevor sie dazu neigen, sich wieder zu übernehmen.Menschen mit psychischen Störungen, schweren rheumatischen Erkrankungen beispielsweise sind morgens früh oft noch nicht so einsatzfähig. Dann könnte man mit der STWE morgens um 10:00 Uhr beginnen und sich im Laufe der STWE auf die normale morgendliche Anfangszeit steigern. Es sind bei der Wahl der zeitlichen Stufen der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Wichtig ist mir dabei nur eines: nach jeder Stufe muss es ein Auswertungsgespräch geben über den bisherigen Verlauf, um abzuklären, ob alle mit der Maßnahme noch auf Kurs sind. Möglichrweise gibt's dann die Gelegenheit nachzujustieren und Veränderungen an dem Plan vorzunehmen.
    Soweit erstmal.

  • Die individuelle Paßfähigkeit des stufenweisen Wiedereinstiegs und der Schutz vor Überforderung sind in den vorherigen Beiträgen mehrfach betont worden. Auch die Rolle der Betriebsärztin/des Betriebsarztes wurde erwähnt. Aus arbeitsschutzrechtlicher Sicht lässt sich das noch dahin konkretisieren, dass ein Arbeitgeber für die besondere Situation der Wiedereingliederung des noch arbeitsunfähigen Beschäftigten eine arbeitsschutzrechtliche Gefährdungsbeurteilung erstellen muss, § 5 ArbSchG iVm. § 4 Nr. 6 ArbSchG. Auch wenn während der Arbeitsunfähigkeit die Hauptleistungspflichten ruhen, entbindet dies den Arbeitgeber nicht von den Pflichten nach dem Arbeitsschutzgesetz, einschließlich der Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung.
    Da die Beschäftigungsbedingungen auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung zu gestalten und hierbei auf die Besonderheiten des einzelnen Beschäftigten Rücksicht zu nehmen ist, ergibt sich auch aus arbeitsschutzrechtlicher Perspektive, dass der/die Rehabilitand/in in die konkrete Ausgestaltung der StW einzubeziehen ist.


    Im Grunde müsste sich bei regelmäßiger Durchführung von Stufenweisen Wiedereingliederungen im Betrieb auch unter den Arbeitsschutzverantwortlichen eine betriebsspezfische Erfahrung über gute Gelingensbedingungen für StW entwickeln.

  • Zur eher „rätselhaften“ aktuellen Rspr. des Ersten Senats des BAG vom 13.08.2019, 1 ABR 6/18, trotz obiter dictum, unter teilweiser Aufgabe der Rspr. in Rn. 52 zur Gefährdungsbeurteilung vergl. kritisch Dahl jurisPR-ArbR 49/2019 Anm. 1, Abschnitt C und D.