Was ist bei der stufenweisen Wiedereingliederung von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen zu beachten?

  • Das ist eine ziemlich komplexe Angelegenheit. Wer sich dazu genau informieren möchte, dem kann ich ruhigen Gewissens zuallererst einmal das Buch von Frau Habib und mir empfehlen.
    I. Riechert, E.Habib " BEM bei Mitarbeitern mit psychischen Störungen" erschienen 2017 im Springer Verlag. Es enthält viele Fallgeschichten und auch juristische Kommentare und ist aus der Praxis für die Praxis geschrieben.
    Die Stufenweise Wiedereingliederung ist für mich der Königsweg für die Wiedereingliederung nach psychischen Erkrankungen und Krisen.Bei Menschen, die nach einer psychischen Erkrankung in den Betrieb zurückkehren muss man in jedem Fall mit Unsicherheiten und Ängsten vor Stigmatisierung und Ausgrenzung rechnen. Das ist leider immer noch in den Betrieben ein Thema, das bei der Wiedereingliederung nach psychischen Krisen mitschwingt. Eine psychische Erkrankung unterscheidet sich ja ganz wesentlich von anderen Erkrankungen:sie ergreift den ganzen Menschen mit seiner Wahrnehmung, seinem Denken, Fühlen und Handeln und ist oft von außen nicht sichtbar und mit Scham besetzt. Für die stufenweise Wiedereingliederung gilt im Grunde genommen ganz besondere Sorgfalt, denn für Menschen nach psychischen Krisen ist die Wiedereingliederung berufliche Rehabilitation und bedeutet für die Betroffenen emotionale Schwerstarbeit. Denn es geht anders als bei anderen Erkrankungen ganz besonders um die persönliche Auseinandersetzung mit sich selbst: dem Training von Konzentration, Ausdauer und Belastbarkeit sowie die Auseinandersetzung mit dem eigenen Arbeitsverhalten und -strukturen, den eigenen Leistungsansprüchen und dem Aufbau von Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein sowie dem Training neuer Verhaltens weisen. Das könnte sein: Grenzen zu setzen, um Hilfe zu bitten, Pausen einzuhalten, Position zu beziehen, eigene Ängste auszuhalten und ganz sicher auch Unsicherheiten in der Begegnung mit Kollegen und Vorgesetzten zu überwinden.


    So Ihr Lieben, morgen schreibe ich noch mehr dazu, aber jetzt bin ich zu einer Weihnachtsfeier meiner Sportmädels eingeladen.

  • Bei einer Stufenweisen Wiedereingliederung nach einer psychischen Erkrankung ist das Gelingen der STWE von besonderer Bedeutung. Ein Scheitern der STWE wird von den Betroffenen oft als eine persönliche Niederlage erlebt, die auch zu einem Rückfall und weiterer Arbeitsunfähigkeit führen kann. Insofern ist bei der Planung besondere Achtsamkeit und Sorgfalt nötig. Das lässt sich bestimmt gut in der Zusammenarbeit mit den Behandlern und dem Betriebsarzt erreichen. Auch hier gilt, was ich schon zur zeitlichen Planung gesagt habe. Die zeitliche Planung sollte flexibel und individuell gestaltet werden.Bei der inhaltlichen Planung sind die Anforderungen so zu gestalten, das sie ein Erfolgserlebnis ermöglichen. „ oh ich kann ja doch noch auf meine Fähigkeiten zurück greifen...“ Darauf kann man dann in der weiteren Planung aufbauen. Das stärkt das Selbstvertrauen und baut wieder auf.
    Bleibt noch der soziale Teil der STWE. Da sollte unbedingt vorher mit dem Betroffenen und der Führungskraft besprochen werden, was denn die Kollegen wissen dürfen. Ich empfehle möglichst offen über die Einschränkungen zu sprechen. Die Diagnose geht die Kollegen nichts an. Wenn ein Betroffener sich entscheidet, innerhalb seines Teams oder seiner Abteilung über seine Einschränkungen oder Beeinträchtigungen zu sprechen braucht er die Rückendeckung und manchmal auch den Schutz der Führungskraft in dem Sinne „ es kann jeder mal krank werden und braucht dann Vertretung und Untertsützung „ Man muss aber auch akzeptieren,wenn der Betroffene nicht möchte, dass die Kollegen etwas erfahren.
    Auch soziale Konflikte sollten möglichst vor Beginn der STWE angesprochen werden. Das betrifft Konflikte sowohl mit dem Vorgesetzten als auch mit den Kollegen. vieles lässt sich klären.
    Schön wäre natürlich, wenn Führungskräfte und Personalverantwortliche zum Umgang mit Mitarbeitern mir psychischen Störungen geschult wären.
    Als besonders erfolgreich hat sich erwiesen, wenn die Betroffenen für die Dauer der Wiedereingliederung und möglichst auch noch darüberhinaus eine (externe) Begleitung haben als Ansprechpartner und Coach, mit der sie alle Fragen, Ängste und Unsicherheiten besprechen können.
    Bei der STWE nach psychischen Erkrankungen ist die regelmäßige Reflexion und Rückmeldung in regelmäßigen Abständen von ganz besonders wichtig und unverzichtbar. Ganz besonders wenn man weiß und bedenkt mit wieviel Unsicherheiten und Ängsten mit dem Wiedereinstieg verbunden sind.
    Wichtig ist auch den ganzen Prozess transparent zu halten und vor allem Vereinbarungen einzuhalten.

  • Sie beschreiben genau die Themen die wir in der psychosomatischen Rehabilitation immer wieder genau so erleben. Dank der Reha-dauer von i. d. R. 5 Wochen, können wir die genannten Aspekte in der Einzelberatung aber auch in den entsprechenden psychoedukativen Gruppen aufgreifen und intensiv bearbeiten und damit eine Rückkehr gut vorbereiten. Hierbei kann zur Vorbereitung auf die zu erwartende Situation die Erstellung eines Handlungs- und Bewältigungsplanes hilfreich sein.
    Befürchtungen die am häufigsten genannt werden sind: "der Arbeitgeber wird auch während der SWE von mir 100 % Leistung verlangen und meine Kollegen lassen mich spüren, dass sie die Arbeit für mich mitmachen müssen"
    Häufig erleben wir, dass sich die gut vorbereitete Kontaktaufnahme zum Arbeitgeber von Seiten des Rehabilitanden während der Rehabilitation auf den weiteren Verlauf der Rehabilitation positiv auswirkt. Die Befürchtungen des Rehabilitanden im Vorfeld können damit häufig aufgehoben oder zumindest abgemildert werden.
    Die Vorbereitung einer SWE bedarf ausreichend Zeit für alle Beteiligten (Rehabilitand, Arbeitgeber und weitere betrieblichen Akteure, Kollegen) und ist nicht im Schnellverfahren zu erbringen, dies ist bei der Personalbemessung in der medizinischen Rehabilitation noch besser zu berücksichtigen als bisher.

  • Die beschriebenen Bedarfe sind auch im Leistungsanspruch gut abgebildet, vgl. die psychosozialen Leistungen gem. §§ 42 Abs. 3 S. 2 Nr. 3, 49 Abs. 6 S. 2 Nr. 3 SGB IX, z.B. zur Sensibilisierung und Information von Kollegen oder Vorgesetzten.