Urlaub während stufenweiser Wiedereingliederung

  • Ich bin bisher davon ausgegangen, dass während einer st. WE kein Urlaub genommen werden kann.
    Jetzt hat eine Krankenkasse dem in der stufenweise Wiedereingliederung befindlichem Arbeitnehmer mitgeteilt, dass während der Betriebsferien des Arbeitgebers das Krankengeld ausgesetzt wird und die dadurch anfallenden Urlaubstage vom Arbeitgeber bezahlt würden.
    Wer kann etwas zu dieser Praxis sagen?

  • Vielen Dank für das interessante Beispiel. Es könnte zumindest auch in anderen Fällen funktionieren, wenn Krankenkasse, Arbeitgeber und Arbeitnehmerin einvernehmlich agieren. Bei länger dauernden stufenweisen Wiedereingliederungen höre ich von Betroffenen immer wieder die Klage, dass sie jetzt schon sehr lange keinen Urlaub hatten. Das Besondere in diesem Fall scheint mir allerdings, dass es sich um Betriebsferien handelt. Da gibt es ja praktisch keinen Spielraum, wie denn in dieser Situation eine Wiedereingliederung stattfinden sollte.


    Ein solcher Fall ist mir jedenfalls aus meiner langjährigen Praxis nicht bekannt. Was ich immer wieder erlebe, ist aber, dass im Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer freie Tage oder gar ganze Wochen ohne Kenntnis der Krankenkasse abgestimmt werden, weil beide Seiten der Meinung sind, dass ein kleiner Urlaub gut tun würde.


    Eine andere Situation stellt sich bei Beamt*innen dar. Je nach Dienstherr gibt es sogar schon Richtlinien, in denen einzelne Tage an Urlaub bei längeren Wiedereingliederungen ermöglicht werden. Eine ärztliche Befürwortung hierfür wird oft gerne gesehen. Ich habe schon öfter erlebt, dass im Einvernehmen zwischen Dienstherrn und Betroffenen – zum Beispiel abgestimmt im BEM – kürzere Urlaube vereinbart werden konnten. Dies insbesondere auch zu Zeiten wie Weihnachten/Jahreswende, wo sowieso wenig los ist.

  • Eine praxisrelevante Rechtsfrage zu Betriebsferien, die bereits früher in anderen Foren andiskutiert wurde von einem DRV-Experten. Jedenfalls haben die davon Betroffenen eine solche „Unterbrechung“ nicht zu vertreten, obgleich Betroffene ihren Facharzt bei der Besprechung des Eingliederungsplans natürlich darauf hätten hinweisen können, da Betriebs- und Werksferien regelmäßig schon lange vorher festgelegt werden und nicht von heute auf morgen.


    Die teils höchst „kreative“ Praxis einzelner Krankenkassen ist im krankenkassenforum.de verbreitet schon vor Jahren (m.E. zu Recht!!) auf harsche Kritik gestoßen. Wie Betriebsräte eine StW während den Werksferien sehen, siehe WAF-Forum 2018


    TIPP: Lesenswerter Aufsatz zu diesem Thema des Sozialrichters Geiger, „Soziale Absicherung während der StW“ - erschienen in: info also 5/2012 Seite 195 bis 200

  • Rehabilitanden die nach der medizinischen Rehabilitation eine SWE über die DRV durchführen bekommen hierzu folgende Hinweise in der Information G0832.
    "Die stufenweise Wiedereingliederung kann aus gesundheitlichen und betrieblichen Gründen bis zu längstens7 Tage unterbrochen werden. Voraussetzung ist, dass an dem vorgesehenen Stufenplan festgehalten wird.Bei einer länger als 7 Tage andauernden Unterbrechung gilt die stufenweise Wiedereingliederung vom ersten Tagder Unterbrechung an als abgebrochen. ... Da vor und während der stufenweisen Wiedereingliederung eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit bestehen muss,ist ein Erholungsurlaub in dieser Zeit nicht möglich."
    Im Einzelfall lohnt die Kontaktaufnahme zum Leistungsträger. Es kann hier schon mal Ausnahmen geben damit die SWE erfolgreich durchgeführt und die Wiedereingliederung für alle Beteiligten reibungslos durchgeführt werden kann.

  • Mit der eingangs beschriebenen Praxis sind verschiedene rechtliche Fragen verbunden. Für die Suche nach den Antworten muss zunächst bedacht werden, welche der zitierten Regeln welchen Verbindlichkeitscharakter haben. Es muss unterschieden werden zwischen Gesetzen, für verbindlich erklärten untergesetzlichen Bestimmungen, wie z.B. den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (also auch der AU-RL), und bloßen Verwaltungsrichtlinien der einzelnen Reha-Träger. Letztere können Gesetze nicht einschränken, sondern die Verwaltung allein im Rahmen ihrer Ermessensausübung binden (vgl. dazu https://www.reha-recht.de/fach…kussionsbeitrag-c11-2011/).


    Zunächst zur Frage, ob während der StW Urlaub genommen werden kann. Dies ergibt sich aus dem Urlaubsrecht, vor allem aus dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Verbreitet ist die Annahme, im wegen Arbeitsunfähigkeit ruhenden Arbeitsverhältnis und damit auch während einer StW könne Urlaub nicht beansprucht und vom Arbeitgeber nicht gewährt werden. Auch die Arbeitshilfe der BAR zur StW formuliert mehrfach ausdrücklich, dass Urlaub während einer StW ausgeschlossen sei.
    Ein solch pauschaler Ausschluss wird in der Praxis häufig als nachteilig für den mit der StW angestrebten Wiedereingliederungserfolg angesehen. Auch Manfred Becker verweist zurecht auf die gegenteiligen Bedürfnisse der Rehabilitand*innen.
    Eine systematische Auslegung des BUrlG hilft, auch zugunsten von Rehabilitand*innen einen Urlaubsanspruch anzuerkennen: Der Erholungsurlaub ist Teil des Arbeitsschutzes und zu Maßnahmen des Arbeitsschutzes ist der Arbeitgeber laut Arbeitsschutzgesetz (vgl. § 2 ArbSchG) nicht nur im laufenden Arbeitsverhältnis, sondern auch gegenüber "Beschäftigten" verpflichtet. Dieser Rechtsbegriff geht über den Arbeitnehmerbegriff hinaus und erfasst auch Personen, die im Rahmen einer StW vom Arbeitgeber beschäftigt werden. Damit ist die erste Frage beantwortet: Wenn eine StW länger dauert, sollte von vornherein im ärztlichen Stufenplan Urlaub berücksichtigt und dieser mit dem Arbeitgeber vereinbart werden.
    Wird dies versäumt, dann entsteht die perplexe Situation, dass Arbeitgeber direkt nach Ende der StW, also mit Erreichen der Arbeitsfähigkeit den bisher aufgelaufenen Urlaubsanspruch erfüllen, also den Arbeitnehmer erst einmal wieder voll von der Arbeit freistellen. Ggf. gehen die Effekte der StW damit verloren und nach dem Urlaubsende besteht erneut ein Überforderungsrisiko.


    Und nun zu der Frage, ob der Sozialleistungsträger wegen vorübergehender Unterbrechung der Beschäftigung innerhalb einer begonnenen StW diese für beendet erklären kann. Im Grunde dürfte sich eine unvorhergesehene Unterbrechung aus betrieblichen Gründen, außer in Notfällen, nicht ergeben. Denn die StW bedarf der Vereinbarung zwischen Rehabilitand und Arbeitgeber, basierend auf dem ärztlichen Stufenplan. Im Rahmen dieser Planung sind Betriebsferien, die oft im Voraus langfristig feststehen, zu berücksichtigen und der Stufenplan entsprechend zu gestalten. Sollten ausnahmsweise tatsächlich mehrere Wochen Betriebsferien dazu führen, dass die StW unterbrochen werden muss, dann muss dies im Vorfeld der Vereinbarung bedacht werden. Die Reha-Träger haben hier eine Verantwortung, die StW aktiv zu unterstützen und auf eine planvolle Ausgestaltung hinzuwirken. Urlaub kann auch dabei nicht einseitig angeordnet werden. § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG verlangt, Wünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen.
    § 7 Abs. 1 S. 2 BUrlG besagt sogar ausdrücklich, dass Urlaubswünsche im Anschluss an eine medizinische Rehabilitation zu erfüllen sind. Dies kann auf die StW übertragen werden, d.h. dass Arbeitgeber bei der Gewährung von Urlaub zugunsten von Beschäftigten in der StW deren Wünsche besonders berücksichtigen müssen.


    Treten während einer StW unvorhergesehene, betriebsbedingte Unterbrechungen auf, ändert dies an der vereinbarten StW nichts, der Rehabilitand bleibt auch weiterhin arbeitsunfähig und behält seinen Anspruch auf Krankengeld, Verletztengeld oder Übergangsgeld. Speziell für die Kontinuität des Anspruchs auf Übergangsgeld spricht die Regelung in § 71 Abs. 1 SGB IX, die selbst nach Abschluss einer med. Reha-Maßnahme den Anspruch aufrechterhält, wenn der Rehabilitand die Unterbrechung nicht zu verzögern hat.

  • Verbreitet ist die Annahme, im wegen Arbeitsunfähigkeit ruhenden Arbeitsverhältnis und damit auch während einer StW könne Urlaub nicht beansprucht und vom Arbeitgeber nicht gewährt werden. Auch die Arbeitshilfe der BAR zur StW formuliert mehrfach ausdrücklich, dass Urlaub während einer StW ausgeschlossen sei.

    Genau diese apodiktische Ansicht erscheint mir wenig durchdacht. Beispiel: Verstirbt bspw. die Mutter – dann dürften Rehabilitanten ggf. nicht zur Beerdigung. Eine solche Medizinische Rehabilitation hielte ich für lebensfremd und völlig abwegig: Wer hat sich sowas nur ausgedacht?

  • Zum Thema Urlaub während der STWE habe ich bisher immer vertreten, dass es wenig sinnvoll ist den Prozess der Wiedereingliederung mit einem Urlaub zu unterbrechen. Dann sollte die STWE vielmehr so gestaltet werden, dass ein Urlaub nicht nötig wird sondern erst nach abgeschlossener STWE genommen werden sollte. Auch da teile ich die Ansicht, dass ein Urlaub, der sich direkt an die STWE anschließt, das Risiko einer erneuten Überforderung birgt. Ich finde, das Thema Urlaub sollte unbedingt mit allem für und wider vor Beginn der STWE angesprochen werden und dem Ziel der Wiedereingliederung untergeordnet werden.Das bedeutet für mich auch, dass ein Urlaub erst nach vollzogener Wiedereingliederung einige Wochen nach dem Ende der STWE genommen werden sollte. Dafür sollte man vor Beginn der STWE auch werben.
    Manchmal nutzen Betroffene den Urlaub allerdings auch, um die Phase der Wiedereingliederung zu verlängern und nehmen nach dem Abschluss der STWE einzelne Urlaubstage über einen längeren Zeitraum hinweg. Das erscheint auch dann sinnvoll, wenn aus finanziellen eine rasche Wiedereingliederung angestrebt wird.
    Je klarer die Regelungen, desto besser. Dass es dabei immer begründete Ausnahmen geben kann, bleibt ja unbenommen. Aber auch für die Kollegen, die vertreten, sollte der Prozess der Wiedereingliederung klar und transparent sein.