Gleichstellungsverfahren erst wieder nach Corona?

  • Gleichstellungsverfahren erst wieder nach Corona?
    Corona fordert einige Teile des Sozailstaates in sehr, sehr hohem Maße. Dies gilt sicherlich vor allem auch für die Bundesagentur für Arbeit, die derzeit über 10 Mio Antrage auf Kurzarbeitergeld bearbeiten muss. Eine Herausforderung, die so in ähnlichem Umfang bisher kaum oder gar nicht erlebt wurde.
    Aktuell versucht die Bundesagentur natürlich durch Konzentration auf diese große Herausforderung diesere Aufgabe gerecht zu werden. Doch die nachstehende Nachricht zum Thema Gleichstellungsanträge irrietiert schon.
    Wartezeit von mehr als 4, vielleicht 6 Monaten bis zum Gleichstellungsbescheid?
    Bei allem Verständnis für die schwierige Lage der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesagentur, es hat mich sehr irritiert als ich vor kurzem erfuhr, dass zumindest eine norddeutsche Agentur einen Antrag auf Gleichstellungs mit folgendem Schreiben zunächst einmal „beantwortet“ hat. Ich gebe es auszugsweise wieder:
    Sehr geehrte Kundin, sehr geehrter Kunde,
    Sie haben einen Antrag auf Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen gestellt. Ihr Antrag wird aufgrund der aktuellen durch dne Corona-Virus hervorgerufenen Situation vorerst nicht bearbeitet.
    Die Agentur für Arbeit konzentriert sich auf die Bewilligung und Auszahlung von Leistungen für Lebensunterhalt (z.B. Arbeitslosengeld und Kurzarbeitergeld)
    Sobald sich die Situation normalisiert hat, wird Ihr Antrag geprüft und entschieden.
    Ihnen entsteht durch das Ruhen des Antrags kein Nachteil.
    Drei Wochen nach dem Tag Ihrere Antragstellung bei der Agentur für Arbeit gilt der vorläufige Kündigungsschutz des Sozialgesetzbuches (SGB IX)
    Bitte sehen Sie in den nächsten vier Monaten von Anfragen zum Stand der Bearbeitung ab.
    Vielen Dank für Ihr Verständnis.
    Eine Konzernschwerbehindertenvertretung hat wegen dieser Sache schon das Bundesministerium für Arbeit und Soziales angeschrieben.
    In der Tat halte auch ich diese Vorgehensweise zumindest einer Agentur für hoch problematisch, weil alle Hilfe bei der Bewerbung auf eine neue Stelle nicht wirken, bevor der Gleichstellungsbescheid vorliegt. Bei beschäftigten Antragstellern hat gerade das Bundesarbeitsgericht (BAG v(22.1.2020, Az 7 ABR 18/18) entschieden, dass Sie als SBV während eines laufenden Antrags die Kolleginnen und Kollegen noch nicht vertreten dürfen.
    Die Fragestellung ist doch, dass eine ggf. erst mit deutlicher Verzögerung festgestellte Gleichstellung dazu führen kann, dass in der Zwischenzeit bis zur Feststellung für die Antragstellerin/den Antragsteller Nachteile entstehen können, weil die Entscheidung über die Gleichstellung nicht zeitgerecht erfolgt ist. Alle Schutzmöglichkeiten/Nachteilsausgleiche greifen nicht, z. B. Verzicht auf Mehrarbeit, Beteiligung SVP, usw. Nur im Kündigungsverfahren gibt es da eines Ausnahme, wie das oben zitierte Schreiben zutreffend feststellt.
    Meine Meinung:
    Warum eigentlich nicht „vorläufige Gleichstellung“ sofort statt „ruhender Antrag“?
    Es wäre doch ein Verfahren denkbar, dass jeder Antrag, der von Betriebsrat, Personalrat oder Schwerbehinderten befürwortet wird, erst einmal ohne weitere Prüfung für z.B. ein Jahr oder 2 Jahre genehmigt wird. Da wo der Arbeitgeber selbst die Gleichstellung befürwortet könnte ebenso verfahren werden. Man könnte auch zusätzlich eine Stellungnahme eines Integrationsfachdienstes heranziehen, die Agenturen müssten dann nur dessen Votum bescheidmäßig umsetzten.
    Dr. Hans-Günther Ritz
    Vorstandsmitglied
    Arbeitsgemeinchaft derVertrauenspersonen- Hamburger Wirtschaft
    Schwerbehindertenvertretung
    WPS – Workplace Solutions GmbH Hans-Henny-Jahnn-Weg 29 , 22085 Hamburg

  • Wenn die BA pauschal betont: „Ihnen entsteht durch das Ruhen des_Antrags kein Nachteil“ - erscheint das als pure vorsätzliche amtliche Desinformation. Denn sie tut so, als wäre der vorläufige Kündigungsschutz der einzige gesetzliche Nachteilsausgleich bei bewilligter Gleichstellung. Lediglich in einzelnen Ländern ist per Richtlinie laut § 165 Satz 5 SGB IX bestimmt, dass Bedienstete vorläufig als schwerbehinderte Beschäftigte zu gelten haben und zu_behandeln sind bei laufendem Gleichstellungsverfahren.