• Allgemeiner Interessen-Struktur-Test
    Ich persönliche halte sehr viel vom Allgemeiner Interessen-Struktur-Test. In vielen med. Reha mit MBOR-Anteil, sowie Berufsfindungs- und Arbeitserprobungsmaßnahmen wird dieser Test auch durchgeführt. Er bietet eine sehr gute Grundlage. (Und eigentlich bin ich sogar dafür, dass dieser in Abschlussklassen in Schulen eingeführt werden sollte). Hilfreich wäre es, wenn dieser auch ambulant bei Psychiatern und Psychologen durchgeführt werden könnte. Bei mir war das Ergebnis immer eindeutig und passend.



    Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen (Arbeitsschutzgesetz)

    Obwohl dieses durch das Arbeitschutzgesetz bereits vorgeschrieben ist, wird es bisher nicht beachtet. Hier sehe ich dringenden Nachhholbedarf. Das Instrument erlaubt auch individuelle Ergänzungen. Dies ist sehr zu empfehlen.

  • Die Darstellung des "Allgemeiner Interessen-Struktur-Test", Sonnenschein, hört sich sehr interessant an und ich werde mich genauer darüber informieren, da wir ja in der beruflichen Rehabilitation auch die Maßnahmen wie Eignungsabklärung und Berufsfindung anbieten.


    Bezogen auf das BTHG möchte ich aber hier besonders auf die neuen ICF basierten Bedarfserhebungsinstrumente eingehen:
    Während diese für die Eingliederungshilfe durch den § 118 SGB IX klar geregelt sind, ist die Anwendung von „ICF basierten Bedarfsfeststellunginstrumenten“ bei anderen Rehabilitationsträgern noch kaum thematisiert. Das führt dazu, das die Klassifikationen der ICF in unterschiedlicher Weise verwendet werden. So verwendet die Agentur für Arbeit in ihrem psychologischen Gutachten zur beruflichen Rehabilitation/Ersteingliederung zwar die Klassifikationen - Körperfunktionen/Körperstrukturen, Aktivität und Teilhabe sowie die Umweltfaktoren - als Grundorientierung, die Zuordnung der Beschreibung scheint aber nicht immer passend zu sein.
    Die Berufsbildungswerke ihrerseits haben im Rahmen der ICF basierten Förderplanung ein Core Set mit der Schwerpunktlegung Teilhabebereiches „Erziehung und Bildung“ sowie „Arbeit und Beschäftigung“ gebildet. Dies erweist sich in der Praxis der beruflichen Rehabilitation in einem BBW als hilfreich, weil es die Komplexität eingrenzt, trifft aber gerade dadurch den Grundgedanken der ICF nicht umfänglich. Als problematisch in der täglichen Arbeit mit jungen Menschen zeigt sich hier v.a., dass die Mitarbeiter*innen gut geschult werden müssen, um die vorgegeben Beurteilungsmerkmale aus dem Core Set nicht fälschlicherweise als „Assessmentkatalog“ oder „Kompetenztest“ zu verwenden.
    Auch in der Jugendhilfe werden erste zögerliche Versuche unternommen, die Hilfeplanvorgaben in eine ICF Struktur zu bringen, was oft mehr Verwirrung als Klarheit schafft.
    Die Idee, mit der ICF eine gemeinsame Sprache zu schaffen, die es ermöglicht, dass Betroffene sowie unterschiedlichste Professionen und auch unterschiedliche Rehabilitationsträger sich zum Wohle des betroffenen Menschen gut verständigen können, gleicht aktuell noch einem „babylonischem Sprachgewirr“.
    Eine einheitliche Entwicklung ICF basierter Bedarfserhebungsinstrumente, die zumindest, wie dies Herr Schmitt-Schäfer formuliert „in einer groben Linie einheitlich“ sind, scheint mir daher eine sehr wichtige Aufgabe aber auch eine sehr große Herausforderung.
    Kurz möchte hier noch auf Ihre Aussage, Herr Schmitt-Schäfer eingehen, dass zur Anwendung der ICF auch eine medizinische Stellungnahme unbedingt erforderlich ist. Bei der Entwicklung des BIBay (Bedarfserhebungsinstrument in Bayern) wird aktuell ein Teil der medizinischen Bedarfsfeststellung in einer Arbeitsgruppe (Unterarbeitsgruppe „Arztbericht“ der AG 99) direkt mit u.a. auch Kinder- und Jugendpsychiatern erarbeitet. Ich denke, dass ist ein guter Weg hin zur Entwicklung von Bedarfserhebungsinstrumenten, die eine einheitliche Sprache über Behinderung und eine gleiche Blickrichtung auf Behinderung und Teilhabe haben.

  • Hallo Sonnenschein,


    die Gefährdungsbeurteilung ist kein Bedarfsermittlungsinstrument des zuständigen Rehabilitationsträgers, sondern ist stets eine Aufgabe des Arbeitgebers.


    Nach dem Arbeitssicherheitsgesetz ist jeder Arbeitgeber verpflichtet für die Sicherheit und Gesundheit seiner Beschäftigten bei der Arbeit zu sorgen und die Beschäftigten vor möglichen Gefährdungen im Betrieb zu schützen.


    Sofern der Arbeitgeber seiner gesetzlichen Verpflichtung nachgekommen ist und eine Gefährdungsbeurteilung erstellt hat, können die Erkenntnisse aus der Gefährdungsbeurteilung bei der Erstellung des Teilhabeplans vom zuständigen Rehabilitationsträger berücksichtigt werden. Liegt eine Gefährdungsbeurteilung nicht vor, kann der zuständige Rehabilitationsträger den Arbeitgeber des Rehabilitanden zur Erstellung der Gefährdungsbeurteilung nicht verpflichten.


    Daran ist erkennbar, wie wichtig es ist, dass alle Beteiligten für den Rehabilitanden an einem Strang gemeinsam ziehen.


    Mit der Gefährdungsbeurteilung „psychische Belastungen“ wäre ein Instrument vorhanden, um Rehabilitanden eine bessere Teilhabe an Arbeit zu ermöglichen, vorausgesetzt der Arbeitgeber ist seiner gesetzlichen Verpflichtung nach dem Arbeitssicherheitsgesetz nachgekommen und hat eine solche erstellt, so dass sie im Teilhabeplan des zuständigen Rehabilitationsträgers Berücksichtigung finden kann.


    Kirsten Westphal


    Fachreferentin,
    Koordination Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht

  • Die Einführung der ICF (2001 durch die WHO, 2005 befördert durch die deutschsprachige Fassung von DIMDI) war auf der medizinischen Seite zunächst von der Erarbeitung von core sets geprägt, die sich auf die Auswahl passender ICF-Kategorien zu bestimmten einzelnen medizinischen Diagnosen bezog.


    Bereits 2004 wurden vom GBA die "Reha-Richtlinien" (Muster 60 und 61) für die niedergelassenen Kassenärzte als neues Instrument zur Beantragung (Verordnung) von medizinischen Reha-Maßnahmen zur Lasten der GKV eingeführt. Leider wurde dieses Verfahren nicht durch entsprechende Regelungen für die dokumentarische Durchführung von med. Rehamaßnahmen auch für Rehe-Kliniken eingeführt. Die Kliniken bekamen also ICF-orientierte Aufnahme-Unterlagen, mussten diese aber nicht entsprechend umsetzen oder gar im Entlass-Bericht beantworten. Es gab keine passgenauen Antworten für die "Verordner". Das dürfte die dann nach dem Sinn des Ganzen zu fragen veranlasst haben.


    Die gesetzlichen Rentenversicherungen gingen diesen Weg für ihre Reha-Maßnahmen nicht mit. Die Bundesanstalt für Arbeit (wie sie damals noch hieß) ließ sich auf das Thema ICF überhaupt nicht ein (von wenig durchschlagskräftiger Mitarbeit in Gremien durch Mitglieder des Ärztlichen Dienstes der BA abgesehen).


    Einige Leistungserbringer der beruflichen Rehabilitation (BAG BBW) ging den Weg der core sets nicht mit, sondern entwickelte nach dem Beispiel der Neurologischen Abteilung des Krankenhauses Luzern (Dr. Rentsch) "ICF-Kurzlisten". Später erfolgte die enge Weiterentwicklung mit ICF-Nutzungsinteressierten aus BTZ, BFW, RPK und Phase II-Einrichtungen. Seit 2015 gibt es eine Empfehlung der BAG BBW zu einer ICF-Kurzliste (Basisliste mit Ergänzungsmöglichkeiten) für ihre 52 Mitglieder. Diese Kurzlisten fußen auf der Basis ganz konkreter ICF-Kategorien (codes, items).


    Überwiegend erfolgt bisher die Nutzung der ICF in Deutschland "nur" auf der Basis des bio-psycho-sozialen Modells der WHO, das mit der ICF operationalisiert werden kann (und m. E. auch sollte). § 13 SGB IX (BTHG) spricht lediglich von "funktionsbezogen" (entsprechend dem § 10 SGB IX von 2001). Ein Riesenfortschritt im Sinne der ICF ist die Aufnahme der "9 Lebensbereiche" aus der Komponente "Aktivität und Partizipation" im § 118 BTHG. Jedoch wird weiterhin von Codierung nicht gesprochen. Das ist verständlich, weil die ICF auch nach 20 Jahren keine breite Implementierungs-Koordinierung in Deutschland erfahren hat, also sehr viel Unsicherheit in der Anwendung besteht. Es ist aber meinerseits kaum möglich, diese 9 Lebensbereiche im Sinne der Bedarfsfeststellung zu beurteilen, wenn man die eigentlichen Inhalte dieser Lebensbereiche, die die ICF erst in den Kategorien (codes, items) darstellt, nicht kennt. Als mittelfristigen Schritt hin zur Kodierung (als Voraussetzung für eine bundesweit einheitliche Anwendung) sollte zumindest die Kenntnis der ICF-Kategorien von den Anwendern des § 118 BTHG (ausreichend hier zunächst die ICF-Kurzversion) gefordert werden. Abgesehen von je am Ende eines Blockes der Klassifikation stehenden allgemeinen codes ("anders oder nicht näher bezeichnet") finden sich lediglich 81 konkrete Kategorien in den 9 Lebensbereichen ( Kap. 1 = 17 / Kap. 2 = 4 / Kap. 3 = 11 / Kap. 4 = 14) / Kap. 5 = 7 / Kap. 6 = 6 / Kap. 7 = 7 / Kap. 8 = 12 / Kap. 9 = 5 ). Das ist eine überschaubare Menge, die den Ausführenden nach § 118 m. E. bekannt sein sollten.


    Die WHO entwickelt derzeit eine neue Klassifikation (ICHI), die ziemlich passgenau zur ICF einen Katalog therapeutischer Interventionen darstellt. Man kann nur hoffen, dass ICF und ICHI mittel- und langfristig der Bedarfsfeststellung und Leistungsplanung zu einheitlichem Vorgehen verhelfen.

  • ICF basierten Bedarfserhebungsinstrumente:


    FRAGE: Sind mittlerweile diejenigen Bedarfe, die für behinderte Studierende bei einem Hochschulstudiums entstehen, angekommen? Damit ist nicht nicht persönliche Assistenz gemeint, sondern Hardware, Bücher, Hochschulgebühren, eventuell Übernahme von Praktikums Kosten, obligatorischen Exkursionen, Nachhilfe etc.integriert worden ?
    Als das letzte Mal die Befragungsbögen las, schien ICF von einer alle behinderten Gruppen übergreifenden kognitiven Einschränkung auszugehen, aktuelle Such Ergebnisse zu ICF und Hochschulstudium verweise allesamt auf über 9 Jahre alte Quellen.


    Man muss bedenken dass aufgrund der gesundheitlichen Belastung Situation für viele beeinträchtigte Studierende "Jobben" als zusätzliche Finanzierungsmöglichkeit wegfällt und für wahrnehmungsdiverse oder mobilitätseingeschränkte Studierende die an vielen ecken und enden mangelnde Barrierefreiheit Jobben auch in der Uni selber verhindert.

  • ICF basierten Bedarfserhebungsinstrumente:


    FRAGE: Sind mittlerweile diejenigen Bedarfe, die für behinderte Studierende bei einem Hochschulstudiums entstehen, angekommen? Damit ist nicht nicht persönliche Assistenz gemeint, sondern Hardware, Bücher, Hochschulgebühren, eventuell Übernahme von Praktikums Kosten, obligatorischen Exkursionen, Nachhilfe etc.integriert worden ?
    Als das letzte Mal die Befragungsbögen las, schien ICF von einer alle behinderten Gruppen übergreifenden kognitiven Einschränkung auszugehen, aktuelle Such Ergebnisse zu ICF und Hochschulstudium verweise allesamt auf über 9 Jahre alte Quellen.


    Man muss bedenken dass aufgrund der gesundheitlichen Belastung Situation für viele beeinträchtigte Studierende "Jobben" als zusätzliche Finanzierungsmöglichkeit wegfällt und für wahrnehmungsdiverse oder mobilitätseingeschränkte Studierende die an vielen ecken und enden mangelnde Barrierefreiheit Jobben auch in der Uni selber verhindert.

    Hallo Rosa Nera,
    die Instrumente zur Bedarfsermittlung sind immer nur so gut wie es die Erfahrung und Kenntnis der Anwender*innen zulassen! Als Mitarbeiter eines überörtlichen Trägers der EGH gehe ich davon aus dass die Bedarfsermittlung umfassend erfolgt und alle Bedarfe die im Zusammenhang mit einem Studium eine Rolle spielen durch die eingesetzten Fachkräfte berücksichtigt werden. Um Teilhabe und den Ausbildungserfolg sicherzustellen sind alle möglichen spezifischen Leistungen im Rahmen der Bedarfsermittlung zu erfassen. Dazu gehören nach den Neuregelungen durch das BTHG allerdings keine existenzsichernden Leistungen.

  • Zwar sind existenzsichernde Leistungen nicht Gegenstand der Bedarfsermittlung nach §§ 12, 13 SGB IX. Wenn aber deutlich wird, dass z.B. Mehrbedarfe zur Grundsicherung nach SGB II oder XII nicht beantragt werden oder Verlängerungsmöglichkieten beim BAFöG nicht genutzt oder Rentenanträge nicht gestellt werden, muss der Rehabilitationsträger nach den allgemeinen Beratungspflichten (§§ 14, 15 SGB I) darauf hinweisen und ggf. auch einen Antrag aufnehmen (§ 16 SGB I). Existenzsichernde Leistungen und Sach- und Dienstleistungen verfolgen einen gemeinsamen Zweck für die Lebenssituation, so dass bei Berattungsfehlern der sozialrechtliche Herstellungsanspruch greifen kann.