Was hat es mit den Zielvereinbarungen auf sich bei einem Persönlichen Budget (PB)?

  • ...in der Zielvereinbarung wird zum Beispiel festgelegt, welche Nachweise über die Leistung zu führen sind und - i.d.R. am Ende des Bewilligungszeitraums -dem Leistungsträger vorzulegen sind.


    Dazu vereinbart der Leistungsträger sich mit dem Leistungsberechtigten im Rahmen der Bedarfsermittlung, also vor Beginn des Bewilligungszeitraums. Die Zielvereinbarung ist in § 29 SGB IX geregelt und soll mindestens Regelungen enthalten zur

    • Ausrichtung der individuellen Förder- und Leistungsziele
    • Erforderlichkeit von Nachweisen, wie der festgestellte individuelle Bedarf gedeckt wurde
    • die Sicherung der Qualität der erbrachten Leistung
    • sowie die Höhe der Leistung, ggf. getrennt nach Teilbudgets und dem Gesamtbudget

    Budgetnehmerinnen und Budgetnehmer sollten diese gemeinsame Vereinbarung mit ihrem Leistungsträger besprechen und sich genau erklären lassen, welche Nachweise sie zum Beispiel am Ende des Bewilligungszeitraumes vorlegen sollen. Dafür sind dann für den gesamten Bewilligungszeitraum die entsprechenden Nachweise zu sammeln und aufzubewahren.

  • Hallo,
    den Ausführungen von Fr. Süßmilch möchte ich noch hinzufügen, dass in §122 die Teilhabezielvereinbarung genauer beschrieben wird:
    "Der Träger der Eingliederungshilfe kann mit dem Leistungsberechtigten eine Teilhabezielvereinbarung zur Umsetzung der Mindestinhalte des Gesamtplanes oder von Teilen der Mindestinhalte des Gesamtplanes abschließen. Die Vereinbarung wird für die Dauer des Bewilligungszeitraumes der Leistungen der Eingliederungshilfe abgeschlossen, soweit sich aus ihr nichts Abweichendes ergibt. Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Vereinbarungsziele nicht oder nicht mehr erreicht werden, hat der Träger der Eingliederungshilfe die Teilhabezielvereinbarung anzupassen. Die Kriterien nach § 117 Absatz 1 Nummer 3 gelten entsprechend."
    Dies gilt grundsätzlich auch für alle anderen Leistungsformen, wird aber von den EGH-Träger selten bis null jenseits des PB benutzt...
    Ich persönlich sehe diese "Nichtnutzung" sehr kritisch, weil alle offensichtlichen Abweichungen selten bis nie erfasst werden und wenn dann durch die "Heimaufsicht" (regional unterschiedlich Bezeichnungen) und man eigentliche jedwede Form des Controlling aus der Hand gibt (welcher Leistungserbringer meldet denn, wenn er es nicht bringt?).

  • Liebe Frau Süßmilch, lieber Michael,
    das stimmt alles, was Sie schreiben. Mit diesem Wissen bin ich auch in der EUTB angetreten.
    Jetzt beschäftige ich mich in der Praxis allerdings mit hundert Details rund um die Budgetvereinbarung:


    - die Fragen rund um die Sozialversicherung von Assistenten (für soziale Teilhabe), die der Ratsuchende selbst anstellt, und zB als Minijob anmeldet (Stichwort: Ja, da braucht man eine BETRIEBSNUMMER...)
    - die Fragen rund um die sog. "Schwankungsreserve"
    - die Frage, wie lange die Leistung weitergezahlt wird, wenn der Leistungsberechtigte sie nicht abrufen kann (weil krank oder zur Kur), der Assistent sie aber anbietet (ein arbeitsrechtliches Thema) und die Schwankungsreserve das nicht auffangen kann.
    - die Frage, was denn überhaupt bewilligt wird: Fachleistungsstunden oder "einfache" Assistenzleistungen


    und vieles mehr.
    Mein Fazit: In der Praxis gibt es so viele Fragen wie das Leben bunt ist.
    Das ist schön und gleichzeitig schwierig und zeitaufwändig für alle Beteiligten.

  • Liebe Kirsten,


    wir haben nun eineinhalb Jahre (!) damit verbracht, eine vernünftige Zielvereinbarung mit der Verwaltung zu schließen. Und genau die von Dir aufgeworfenen Fragen - Schwankungsreserve, Art der Assistenzleistungen (wann qualifiziert, wann nicht) - und Fragen zum notwendigen Nachweis entprachen aus unserer Sicht zu Beginn der Verhandlungen überhaupt nicht der Idee des Persönlichen Budgets (PB). Das Persönliche Budget soll dem/der BudgetnehmerIn mehr Eigenständigkeit und freie Auswahl der Dienstleistung ermöglichen. Die Zielvereinbarung, die man uns vorschreiben wollte, ging jedoch von kleinteiligen Kontrollmechanismen aus, wie in den alten Zeiten der Sozialhilfe.
    Die Inhalte für Zielvereinbarung laut § 29 SGB IX sind schlank und zeigen, dass die ZV die Ziele, nicht den Weg dorthin, klären muss. Das bedeutet, dass die/der BudgetnehmerIn frei sein muss zu bestimmen, wie diese Ziele erreicht werden. Dieser Paradigmenwechsel, dieses Empowerment der behinderten Menschen, ist in den Köpfen der Verwaltung noch nicht vorhanden.


    Unserer Erfahrung nach wird auch bei einem PB davon ausgegangen, dass jeder Cent des Sozialbudgets missbraucht werden könnte und es einer straffen Kontrolle unterliegen muss. Aber dieses Misstrauen konterkariert den Gedanken des PBs. So ist es m.E. nicht zulässig, sich Arbeitsverträge der AssistentInnen schicken zu lassen.


    Wir haben nun nach langem Ringen eine ZV "unter Vorbehalt" akzeptiert, um sie noch einmal rechtlich prüfen zu lassen. Ohne ZV gibt es - mit wenigen Ausnahmen, die vor Gericht geklärt wurden - kein PB.


    Übrigens: Ein PB darf nach neuester Rechtsprechung nicht befristet werden, siehe
    https://kobinet-nachrichten.or…des-bundessozialgerichts/
    "Befristungen sind nur dort zulässig, wo der Anspruchsgrund selbst zeitlich begrenzbar ist, beispielsweise bei der Ausbildung."


    Ergo, das PB ist ein Segen, wird viel zu wenig genutzt, und die Zielvereinbarung ist eine Hürde dabei.

  • Hallo Dr. CMD,


    es tut mir leid, wenn ich ihnen tendenziell etwas widersprechen muss. Nicht die Zielplanung im PB ist hier das Maß, sondern das Ergebnis der Bedarfsermittlung ist grundlage für den Teilhabeplan und den Bescheid (wenn ein Träger der EGH mit an Bord ist, gelten zudem alle weiteren Vorgaben für das Gesamtplanverfahren).
    Die Zielvereinbarung dient vorrangig der Qualitätssicherung - einfach weil es keinen rechenschaftspflichtigen Leistungserbringer gibt, mit dem eine entsprechende Prüfvereinbarung abgeschlossen wurde.
    Gerade wenn es darum geht, dass eine qualifizierte Leistung bewilligt wurde (Fachkraft), dann finde ich es schon legitim, dass der Kostenträger prüft, ob dafür auch Fachkräfte eingesetzt werden.
    Ihren kobinet-Link habe ich Interesse gelesen, kann aber nicht ganz ihre Aussagen dahingehend nachvollziehen - dies mag daran liegen, dass der Artikel sehr knapp gehalten ist.
    Absatz 30 ist etwas schwierig zu lesen, da nicht definiert wurde, was konkret im Gegensatz zu unkonkret beschafften Leistungen sind. Ich höre da so etwas heraus, wie dass man die Leistungen nach Art, Inhalt und Umfang schon darlegen können muss, aber nicht jeden Einzelschritt. Also wenn ihnen ein Budget bewilligt wurde, dass ihnen ermöglich den Führerschein zu erwerben, dann sollten sie mind. die Anmeldung nebst Rechnung einer anerkannten Fahrschule vorweisen können oder am Besten den Führerschein als Nachweis. Relevant ist hier der Nachweis, dass sie bei der Fahrschule waren, denn für den Bootsführerschein sollte das Budget nicht verwendet werden (wenn sie auf Amrum leben, kann dies anders aussehen...). Nicht Nachweisen müssen sie aber das Datum der Fachstunden und die Fahrstrecke... - ich lass mich hier gerne korrigieren.
    Absatz 32 finde ich schwierig, weil darin nach wie vor der Bezug zur Sozialhilfebedürftigkeit drin ist - das schränkt das Wunsch- und Wahlrecht nach §8 SGB IX erheblich ein..
    Absatz 35 - ich denke, da heben sie drauf ab, bedeutet mitnichten eine endloslaufende Kostenzusage, sondern dass der Leistungsträger nach Ablauf erneut prüfen muss, ob die Anspruchsgrundlage weiterhin bestehen - dies ergibt sich eigentlich automatisch daraus, dass er am Ende des Bewilligszeitraums abgleicht, ob die Ziele der Zielvereinbarung erreicht wurden, resp. warum nicht.
    Dies ist auch so im Gesetzestext klar dargelegt:
    "Das Bedarfsermittlungsverfahren für laufende Leistungen wird in der Regel im Abstand von zwei Jahren wiederholt. In begründeten Fällen kann davon abgewichen werden." (§29 SGB IX, Abs. 2 Satz 4 und 5). Was begründete Fälle sind, wird nicht ausgeführt, stellt aber m.E. eine klaren Vorteil für die Leistungsberechtigten dar. Andernfalls könnte ein Budget herauskommen, dass sich auf lange Sicht als Leistungsdeckelung erweist. Ich zitiere noch mal aus Absatz 30:
    "Hier macht das Gericht den Unterschied zwischen Kostenerstattung und Budget deutlich." - Budget = fixer Betrag, steht alles im Bescheid und der Zielvereinbarung.
    Die Begründung kann sich natürlich auch aus den Zielen ergeben - 10 Jahre lang Geld für den Führerscheinerwerb ist schwierig, die Kostenübernahme für den Fahrdienst zur Arbeit erledigt sich mit der Rente, etc.pp.
    Absatz 37 erklärt sich aus Absatz 35 - eine Qualitätskontrolle ohne Kontrolle ist so sinnig wie eine Steuerung von Ausgaben ohne Ziel...
    BTW:Die Zielvereinbarung bei uns entsprechen den sog. SMART-Kriterien, klar hängen da 2-3 Seiten rechtliche Hinweise dran, aber der wesentliche Teil ist max. eine halbe Seite lang und für den Leistungsberechtigten oder dessen Vertreter (nicht alle haben ein Fachabitur) in verständlicher Sprache formuliert. Nebenbei gibt es bei uns auch eine 2. Variante des PB: Bei Budgets unter 1000€/Monat entfällt die Nachweispflicht mittels Rechnung und co. nahezu vollständig, da fragen wir die Zielerreichung ab und eruieren weitere Bedarfe...


    VG

  • Die Zielvereinbarung ist die Voraussetzung für den Bewilligungsbescheid. Die Ziele sollen Zielen der Sachleistung entsprechen, also vor allem die Selbstbestimmung und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft fördern, Benachteiligung vermeiden oder ihnen entgegenwirken (vgl. § 1 SGB IX). Das ist das wesentliche Ziel aller Sachleistungen im SGB IX. Es werden oft kleinere Teilziele festgelegt.
    Die Bedarfsermittlung ist dazu da, den notwendigen Umfang der beantragten Hilfe zu ermitteln, die der Antragsteller benötigt, um sein(e) Ziel(e) zu erreichen. Das variiert je nach Art und Schwere der Behinderung sehr.
    Dieser notwendige Hilfebedarf ist ausschlaggebend für die Höhe des beantragten Budgets, denn Persönliche Budgets werden "so bemessen sein, dass der individuell festgestellte Bedarf gedeckt wird und und die erforderliche Beratung und Unterstützung erfolgen kann." (§ 29 (2) 6 SGB IX
    Die Zielvereinbarung hat als Mindestvoraussetzung die individuellen Ziele, die Dauer der Vereinbarung, die Höhe des Budgets und ob ein Nachweis überhaupt erbracht werden soll, festzulegen.


    Das ist die Gesetzesintention und so einfach können Persönliche Budgets bewilligt werden, wenn man auf einen erfahrenen und kompetenten Sachbearbeiter trifft, der die Ziele des SGB IX Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft fördert..

  • "SO EINFACH können persönliche Budgets bewilligt werden."
    Nein, leider habe ich das noch nicht erlebt. Einfach war es nie.
    Da beißt sich ein bisschen der Hand in den Schwanz: Es gibt wenige Budgets, deshalb kennen sich die meisten Sachbearbeiter nicht aus. Und weil sie sich nicht auskennen und vieles lange dauert und immer wieder Hin- und Her bedeutet, gibt es vielleicht auch wenige Budgets, weil es abschreckend wirkt.


    Zu CMD: Sie schreiben: "Ergo, das PB ist ein Segen, wird viel zu wenig genutzt, und die Zielvereinbarung ist eine Hürde dabei." Ja, so ist es. Ich habe jetzt gerade einen Beratungs-"Fall". 62 Beratungskontakte, eigentlich Ziellinie, aber die Zielvereinbarung fehlt noch immer. Und die Ratsuchende ist wirklich ungewöhnlich gut sortiert. Aber immer wieder ging es um tausend Fragen, genauso wie Sie es beschreiben.

  • Hallo Frau Thielicke,
    vielleicht habe ich weiter oben (Anregung an die Redaktion: Zur Nachverfolgung der einzelnen Beiträge, wäre es schön, wenn diese durchnummeriert werden könnten!) etwas unklat ausgedrückt. Sowhl im 1- wie im 2. Teil des SGB IX ist die Bedarfsermittlung Grundlage für jede Zielplanung. Ohne Bedarfsermittlung kein Teilhabe-/Gesamtplan und damit auch keine Zielvereinbarung.
    Zumindest im Bereich der EGH sehen die meisten mir bekannten Bedarfsermittlungsinstrumente (etwa der ITP oder der PiT) , auch das Abfragen von Zielen vor. Ich denke (hoffe?), dass dies auch bei den anderen Leistungsträgern so ist...

  • Warum Budgetnehmer Assistenten überhaupt mit einem Mini 450 Euro Arbeitsvertrag anstellen sollen /müssen, wo in neoliberalen Hoch Zeiten jede Dienstleistung als Honorarjob gestaltet werden kann, ist mir völlig unklar. Jeder Subsubssub Unternehmer der DHL, der Vollzeit arbeitet, tut das auf Honorarbasis oder die Dolmetscherin, Übersetzerin ; Babysitterin arbeiten auf Honorarbasis...Warum sollten Assistenten den Budgetnehmern das Leben nicht erleichtern und sich einen Gewerbeschein besorgen. Oder wenn sie einen ihrer akademischen Ausbildung (Pädagogik, Sportwissenschaften etc.) nahe Betätigung tun, brauchen sie das nicht mal..

  • Hallo Michael,


    ich habe mich wohl mißverständlich ausgedrückt.


    Ja, zum einen hat jede Leistung eines Leistungsträgers ein Ziel, z.B. eine Teilhabe am Arbeitsleben, die Verhinderung oder Minderung einer Behinderung oder chronischen Erkrankung, die soziale Teilhabe etc..


    Um einen Anspruch auf ein Persönliches Budget zu haben, muß ich einen Sachleistungsanspruch auf mindestens eine der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben, zur Teilhabe an Bildung oder zur Sozialen Teilhabe haben. Dieser Sachleistungsanspruch wird vom zuständigen Leistungsträger natürlich geprüft - beim Eingliederungshilfeträger in aller Regel mit dem im Bundesland angewendeten Hilfebedarfsinstrument wie ITP oder PIT - andere Leistungsträger wie Rentenversicherung, Agentur für Arbeit, Unfallversicherung etc. haben andere Verfahren. Erst danach kann eine Zielvereinbarung erstellt werden.
    Diese Hilfebedarfsermittlung findet immer individuell mit der Person, ggf. dem gesetzlichen Betreuer und wenn gewünscht mit einer Person des Vertrauens statt, ist quasi das Teilhabeverfahren und wird notwendigerweise vor einer Zielvereinbarung durchgeführt.
    Aber anders als bei einer Sachleistung, die von einem Dienst oder einer Einrichtung ausgeführt wird, die ja Verträge und Kostenvereinbarungen mit Leistungsträgern haben, steht damit nicht automatisch die Höhe der Geldleistung fest. Die muss je nach Umfang des ermittelten notwendigen Hilfebedarfs individuell so festgelegt werden, dass der Budgetnehmer damit auch seinen individuell festgestellten Bedarf auch decken kann.
    Ausschlaggebend sind dabei neben der individuellen spezifischen Behinderung auch die Rahmenbedingungen und die örtlichen Gegebenheiten, die teilhaberleichternd oder teilhabererschwerend zu Buche schlagen.


    ich hoffe, es ist so deutlicher geworden.

  • zu Kirsten Ehrhardt:


    Ja, so einfach könn(t)en Persönliche Budgets bewilligt werden und sie tun es auch, WENN zuständige Sachbearbeiter, für die es ja oft eine neue Herausforderung ist, sich damit auseinandersetzen und offen für eine neue Sichtweise sind: den Menschen mit Behinderung als Antragsteller ernst nehmen und ihn gleichzeitig als Auftraggeber und (Mit)Gestalter seiner Leistungsausführung - und damit auch als Experten in eigener Sache - seiner Leistungen respektieren und anerkennen können.
    Das ist an vielen Stellen Neuland und bedeutet für Verwaltungsangestellte einem mündigem Bürger oder seinen gesetzlichem Betreuer Geld zur Verfügung zu stellen, ohne danach Einfluß auf die Art und Weise der Leistungserbringung zu haben, die ja sonst in Rahmen- und Leistungsverträgern mit Dienstleistern und Einrichtungen geregelt ist.


    Ja, es gibt viel zu wenige Budgets und daran krankt es auch, aber da, wo sich eine Praxis entwickelt, wird es besser. Wirklich!!!
    Seit 2005 - Marburg-Biedenkopf war Modellregion für das Persönliche Budgets - kenne ich sehr unterschiedliche Budgets von sehr unterschiedlichen Menschen mit sehr unterschiedlichen Behinderungen, die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und Leistungen zur Sozialen Teilhabe als Persönliches Budget beziehen und damit ein selbstbestimmtes, teilhaberorientiertes und inklusive Leben führen können.
    Immer wieder musste und muss auch derzeit das Sozialgericht dafür Sorge tragen, dass Menschen trotz ihrer Behinderung so leben und so arbeiten können wie andere Menschen auch.


    Aber es lohnt sich: denn jeder der Budgetnehmer, der sein Leben mit Unterstützung in die Hand nimmt, ist nicht nur der Empfänger von staatlichen Leistungen sondern auch der Gestalter seines eigenen Lebens. Das schafft Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen.

  • zu Rosa Nera:


    Ja, wie Budgetnehmer ihre Assistenten anstellen oder vergüten, muss und sollte in der Zielvereinbarung nicht festleget werden. Es ist Aufgabe des Budgetnehmers (Leistungsberechtigten), "in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben" zu leben. Dass steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Bestimmungen dabei einzuhalten sind, könnte man in die Zielvereinbarung mit aufnehmen, muss es aber nicht.


    Es ist manchmal der Hang von Verwaltung zu glauben, man müsse sich gegen alles und jedes absichern. Aber in dem Moment, in dem der Budgetnehmer das Geld auf seinem Konto hat, ist er für die zielorientierte Verwendung verantwortlich. Und entgegen damaliger Befürchtungen "was passiert, wenn ...", kenne ich nur Menschen, die ihr Persönliches Budget zur Teilhabe nutzen, individuell, selbstbestimmt und gleichberechtigt wie nichtbehinderte Menschen.

  • "Dass steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Bestimmungen dabei einzuhalten sind, könnte man in die Zielvereinbarung mit aufnehmen, muss es aber nicht."....


    Ja, ich kenne bislang nur Zielvereinbarungen bzw. deren Entwürfe, wo das von den Leistungsträgern so reingeschrieben wird. Aber Sie haben bestimmt schon deutlich mehr begleitet/gesehen als ich.

  • Hallo Frau Thielicke,


    ich habe noch eine kleine Anmerkung zu:
    "Das ist an vielen Stellen Neuland und bedeutet für Verwaltungsangestellte einem mündigem Bürger oder seinen gesetzlichem Betreuer Geld zur Verfügung zu stellen, ohne danach Einfluß auf die Art und Weise der Leistungserbringung zu haben, die ja sonst in Rahmen- und Leistungsverträgern mit Dienstleistern und Einrichtungen geregelt ist."


    Ganz so richtig ist das mit dem (danach) keinen Einfluß haben, ja nicht. Einerseits haben die Leistungsträger im Vorfeld schon einen Einfluß, nämlich bei der Bemessung der Höhe des Budgets. Wesentlich ist hier die Differenzierung zwischen einfacher und qualifizierter Assistenz. Da herrscht, gerade bei gesetzlichen Betreuern, die zeitgleich noch in einer Angehörigenrolle sind, oftmals ein Missverständnis: "Beim Freizeitangebot vom LE XY waren auch immer nur Fachkräfte da" (real dann eine Fachkraft, 2 Studenten, 1 Praktikant und eine Sozialassistentin) und dann ist man schwer schockiert, warum plötzlich für eine einfache Mobilitätshilfe keine Fachkraftstunden berechnet wird...
    Ferner gibt es auch eine Kontrolle durch eben die Zielvereinbarung eine Hochschulhilfe, bei der nach 13 Semestern kein Bachelorabschluss irgendwie in Reichweite ist, die wird man auch nicht so ewig weiterbewilligen. Da kommt es sicher auch auf die Zielformulierung an, aber einfach mit dem Geld machen was man will, geht nicht... (und ganz offen, die Leistungs- und Prüfvereinbarungen bei den Leistungserbringern sind auch nicht wirklich so der Bringer - wenn da sWortspiel erlaubt ist. Da finden sich gerade im Bereich BW echte Stilblüten: 10min die Woche zur Hinführung an eine Schuldenberatung, aber gleichzeitig nochmal 5min Beratung zur Finanzierung eines Führerscheins; Alkoholkranke dürfen sich auf 20min/Woche Beratung hinsichtlich einer Entgiftung freuen, waren aber schon 25mal in einer solchen - das Thema "Kontrolliertes Trinken", welches eben jener LE auch anbietet, wird ausgeblendet. Auch in den Berichten der besonderen Wohnformen gibt es solche Klassiker, die an mangelndem Realitätsbezug und Anmaßung kaum zu überbieten sind, etwa Gewichtsreduktion - gerne in Kombination mit Trisomie 21 - erstens eine solche Person mit Normalgewicht ist krank oder hat eine Eßstörung, zweitens fragt man sich wofür die Diatküche des LE bezahlt wird, nebenbei gerne auch mal von Mitarbeitern im perönlichen Gespräch vorgetragen, die selbst einen BMI über 30 haben. Anderes Beispiel ist die Stärkung des "Wir-Gefühls" und der Gruppenintegrationsfähigkeit bei Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung).
    Ja, solche Themen hat man auch bei PB-Gesprächen im Hinterkopf - ich hatte neulich eine Zielvereinbarung zu prüfen, in der eine gesundheitsförderliche Ernährung benannt wurde. Es stellte sich heraus, dass vorherigen Dienstleister des Kochens nicht mächtig waren und dass das Ziel daraus resultierte...natürlich resultierte aus der Erreichung des Zieles keine Leistungskürzung, aber es ist schön zu sehen, dass durch die Erreichung eines solchen, eher banalen Zieles, mehr Lebensqualität resultierte - 3mal resultierte in einem Satz, ich mach jetzt Schluss).

  • Die Zielvereinbarung ist die Voraussetzung für den Bewilligungsbescheid.

    Ja, so sehen es die Rehabilitationsträger gerne und so sieht es auch das LSG Baden-Württemberg. Richtig kann das nicht sein, denn dann bstünde kein Rechtsanspruch auf ein persönliches Budget. Auch ist diese Auffassung mit der Rechtsweggarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar.



    Die Zielvereinbarung muss daher als paktierte Nebenbestimmung zum Verwaltungsakt (§ 32 SGB IX) verstanden werden, die immer dann, wenn sie nicht zustande kommt, durch Nebenbestimmungen nach § 32 SGB X ersetzt wird (Welti in Stichwortkommentar Behindertenrecht, 2. Aufl., Stichwort „Persönliches Budget“ Rn 23).



    So auch SG Mannheim, 02.08.2016, S 9 SO 3871/15:
    Leitsatz:
    Der vorherige Abschluss einer Budgetvereinbarung stellt für die Bewilligung eines Persönlichen Budgets keine materielle Anspruchsvoraussetzung dar. Vielmehr ist es Sache des Leistungsträgers, den Inhalt der fehlenden Budgetvereinbarung als Nebenbestimmung in den Bewilligungsbescheid aufzunehmen. (Rn.27)


    Das BVerfG hat sich zwar zu dieser Frage nicht direkt geäußert, aber im einstweiligen Rechtsschutz ein pB zugesprochen (BVerfG, 12.9.2016, 1 BvR 1630/16). Ein Ansordnungsanspruch setzt aber voraus, dass die Auffassung des LSG BaWü nicht richtig ist, was nicht weniger bedeutet, als dass das BVerfG die Auffassung des LSG BaWü inzident verneint.



    Zu der Frage siehe auch:



    Das Verfahren, in dem nicht entschieden wurde, ob der Anspruch auf ein persönliches Budget entfällt, wenn eine Zielvereinbarung nicht zustande kommt – Anmerkung zu BSG, Vergleich vom 16. Juni 2015, Az. B 13 R 34/13 R – Fachbeitrag A1-2016 www.reha-recht.de –, 2016

  • Hallo Herr Rosenow,


    könnten sie mir bitte "Ansordnungsanspruch" erklären - ich bin kein Jurist und stehe gerade inhaltich auf dem Bewässerungssystem meines Gartens...der schnelle Doktor Google half mir auch nicht weiter?


    VG

  • Hallo Frau Ehrhardt,


    nein, die Aussagen/Zieldefinitionen stammen von Mitarbeitern, die ich jederzeit eingestellt hätte, als ich noch auf Seiten der Leistungserbringer war - Paternalismus ist bei 75% der Schreibenden eher ausgeschlossen, oder?
    Solche Sätze stammen von hoch- bis höchstqualifizierten Kräften, die aufgrund des Status quo sowas abliefern. Was wir hier sehen, ist eher diese "deformation professionelle" (mein Französisch ist leider schlecht), vulgär: Da wird mache Scheiße abgeliefert, da keinem mehr weiterhilft (meine Frau ist unlängst auffällig geworden, weil sie sich erbat die Berichte, die in ihrem Namen versendet werden - nach "Korrektur" durch die Einrichtungsleitung - gegen zu lesen...).
    Frei nach Günter Grass: Ein weites Feld...

  • Ich glaube, ich verstehe Ihre Art von Ironie nicht.
    Was Sie von Ihrer Frau beschreiben, ist ein Thema Vorgesetzter - Mitarbeiter, kann in jedem Unternehmen mit Außenkontakt auftreten (also wo Berichte oder Briefe geschrieben werden) und muss intern geregelt werden (wer unterschreibt was und wer ändert was).

  • Hallo Herr Rosenow,


    könnten sie mir bitte "Ansordnungsanspruch" erklären - ich bin kein Jurist und stehe gerade inhaltich auf dem Bewässerungssystem meines Gartens...der schnelle Doktor Google half mir auch nicht weiter?


    VG

    Hallo Michael,


    ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, also eine vorläufige Regelung im "Eilverfahren", hat dann Erfolg, wenn ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund vorliegen. Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass der geltend gemachte Rechtsanspruch besteht. Hier etwa, dass ein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe in Form eines PB besteht. Der Anordnungsgrund besteht in der Eilbedürftigkeit, also der Unzumutbarkeit, das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.

  • Hallo Frau Ehrhardt,


    ironieerklärender Zusatz (hoffe ich bekomme das gendergerecht hin): Mit den 75% der Schreibenden bezog ich mich darauf, dass diese(?) - gemessen an der Gesamtheit der/das/die Tätigen in diesem Arbeitsbereich - weiblichen Geschlechts/als Frauen geboren und-oder sozialisiert/weiblich oder irgendwas anderes Neudeutsches sind - Paternalimus dürfte/sollte/müsste/könnte den/das/diejenigen fremd sein...

  • Hallo Herr Rosenow,


    könnten sie mir bitte "Ansordnungsanspruch" erklären - ich bin kein Jurist und stehe gerade inhaltich auf dem Bewässerungssystem meines Gartens...der schnelle Doktor Google half mir auch nicht weiter?


    VG

    M Friedrichsen hat es schon erklärt:
    Anordnungsanspruch = der rechtliche Anspruch auf die begehrte Leistung
    Anordnungsgrund = Eilbedürftigkeit
    Beides ist glaubhaft zu machen, muss also nichtbewiesen werden. Glaubhaftmachung kann auch durch eine eidesstattliche Versicherung erfolgen.


    Eine etwas gründlichere Erklärung finden Sie hier:
    https://sozialrecht-rosenow.de…or-dem-sozialgericht.html

  • Guten Tag,


    ich arbeite im Kompetenzzentrum Selbstbestimnmt Leben für den Regierungsbezirk Arnsberg.
    In dieser Funktion bin ich beiteiligt an der Kampagne der KSL.NRW "Persönliches Budget - Mehr als Geld".


    Zunächst nur eine Anmnerkung zu dem oben schon erwähnten Urteil des Bundessozialgerichts vom 28.01.2021, B 8 SO 9/19 R (Es stecken noch mehr Grundsatzfragen darin):



    Die bislang kontrovers diskutierte Frage, ob eine Zielvereinbarung Voraussetzung für ein Persönliches Budget ist, verliert meiner Meinung nach durch dieses Urteil praktisch erheblich an Schärfe.
    Bislang war ja das Problem, dass eine Klage ggf. unzulässig war, weil einem die selbst unterschriebene Zielvereinbarung entgegengehalten wurde.


    Dieses Damoklesschwert droht nach dem aktuellen Urteil des BSG meiner Ansicht nach nicht mehr.


    Laut BSG stehen Vereinbarungen über eine bestimmte Höhe eines Persönlichen Budgets einem höheren Bedarf und damit einem Anspruch auf ein höheres Persönliches Budget nicht entgegen. Solche Vereinbarungen „binden die Beteiligten nicht materiell im Hinblick auf den Leistungsbedarf […] und die Höhe des P[ersönlichen] B[udgets]“ (Randnummer 27/28).



    Der Abschluss einer Zielvereinbarung ist „allenfalls formale Voraussetzung für den anschließenden Erlass eines Verwaltungsaktes über das P[ersönliche] B[udget]“ (Randnummer 27).


    Zwar hat das BSG ausdrücklich nicht entschieden, wie zu verfahren ist, wenn gar keine Zielvereinbarung zustande kommt.
    Wenn aber auch im Nachhinein noch über den Bedarf und die Budgethöhe gestritten werden kann, dürfte zukünftig regelmäßig (irgend)eine Zielvereinbarung zustande kommen können.
    Und sei es auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Über den Rest kann man dann immernoch streiten.