PB Arbeitsbereich der Werkstatt

  • Liebe Kolleg:innen,
    die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträger BAGüS hat in den neuen BAGüS Empfehlungen zur Umsetzung von Eingliederungshilfe-Leistungen in Werkstätten auf der S. 162 der Empfehlungen – anders als zuvor – die Möglichkeit eines persönlichen Budgets auch für behinderte Menschen im Arbeitsbereich der Werkstätten eröffnet. Hiervon sind theoretisch um die 300.000 Personen betroffen.


    Im Bereich des Themas "PB und Budget für Arbeit" hat die Kollegin Ehrhardt bereits darauf hingewiesen, dass dies nach wie vor ein schwieriges Gebiet ist.


    Derzeit bin ich mit der Unterstützung zweier Kolleginnen befasst, die bei unserem Träger seit Jahren ausgelagerte Werkstatt-Plätze einnehmen. Die Werkstatt hat nun diese Plätze gekündigt. Die beiden Kolleginnen wollen aber gerne wie bisher weiter arbeiten. Lösung wäre ein persönliches Budget für die komplette Werkstatt-Leistung inklusive Sozialversicherung. Dieses könnte dann von meinem Träger in derselben Weise mit Beschäftigung und Betreuung umgesetzt werden.


    Eine Auskunft des Eingliederungshilfeträgers Landschaftsverband Rheinland LVR war allerdings zunächst ernüchternd. Ich habe es so verstanden, dass man sich maximal ein Budget für die Unterstützungsleistung der Werkstatt vorstellen kann – aber nicht ein komplettes Budget unter Einschluss der Sozialversicherung.


    Hierzu würde mich interessieren:
    gibt es überhaupt bereits Erfahrungen mit einem PB aus dem Arbeitsbereich der Werkstatt? Welchen Umfang hatte dieses PB?
    Gibt es Erfahrungen, Hinweise, Ratschläge zur Umsetzung eines kompletten PB inklusive Sozialversicherung (auch Fahrtkosten?)?

  • Lieber Herr Becker,


    spannend... Können Sie hier vielleicht das Zitat aus den Empfehlungen der BaGüS einstellen? Das wäre toll.
    Man kann die nur in Papierform bestellen, nicht als pdf. Und ich habe sie leider (noch) nicht.


    Ja, es gibt Erfahrungen, aber so wenige "Fälle", dass ich die hier nicht darstellen kann, ohne dass sie erkennbar wären.


    Alle wurden bewilligt, BEVOR es das Budget für Arbeit gab. Inzwischen mit der Maßgabe, sie würden weiterlaufen als Bestandsschutz, aber neue würde es nicht geben.


    Sie sind und waren so konstruiert, dass die Leistungsberechtigten SELBST freiwillige Rentenbeiträge aus dem Budget zahlen und das Budget um diese (hohen!) Summen geschmälert ist. Das ist natürlich nicht der Sinn der Sache. Und das "Rentenprivileg" fällt dann auch weg.


    Ich kenne keinen Fall, keine Konstruktion, wie es gelungen ist, das ins PB für den Werkstattbereich Arbeit zu übertragen. Es ist eben bislang ganz klar an die Konstruktion WfbM gekoppelt.


    Aber ich finde es gut, richtig und wichtig, dies jetzt zu problematisieren und evtl. mit den Empfehlungen der BAGüS im Rücken auch zu fordern, dass es hierfür Lösungen geben MUSS.

  • Lieber Herr Becker,
    das ist ja dort sehr eindeutig:
    "Die Inanspruchnahme von Leistungen in der Leistungsform des PB hat auch keine Auswirkungen auf den Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsfähigkeit nach zwanzigjähriger Tätigkeit."
    Dann müssen sich die EGH-Träger Gedanken machen, wie sie das dann organisieren. Wenn Sie konkrete Interessenten/Antragsteller haben, muss die EGH Ihnen ja antworten, sofern es ein konkreter Antrag gestellt wird. Ich werde es auch im Auge behalten und alle darauf hinweisen, dass sie sich auf keinen Fall damit abspeisen lassen, die Rentenbeiträge selbst aus dem Budget zu zahlen, sondern die EGH muss die Beiträge "on top" bezahlen bzw. klären, woher die denn kommen sollen. Fragen der Zukunft!


    Ich finde übrigens auch die "modularen" Leistungen aus dem Werkstatt-Paket interessant. Wenn ich zB Jobcoaching als PB möchte und extern vergeben, muss das modularisiert und "verpreislicht" werden. Sehe ich das richtig?

  • Hallo Frau Ehrhardt,


    ich verstehe gerade nicht, was hier der Hitpoint ist, sorry...
    20 Jahre WfbM bedeutet volle EU-Rente - sicherlich kann und sollte die EGH danach noch Leistungen zur sozialen Teilhabe bezahlen - auch über ein PB, keine Frage.
    Aber die EGH steht m.E. die etwa 0,0 in der Pflicht Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben (also jenseits der WfbM) zu finanzieren, denn die EGH ist nachrangig...

  • Lieber Michael,


    nun macht mich leider Ihre Antwort etwas ratlos.


    Ausgangspunkt war die Frage: Gibt es ein PB für den Arbeitsbereich der WfbM? Also: ich nehme das Geld in die Hand und arbeite irgendwo (wo ich natürlich nur ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeit leisten muss) und bezahle die Anleitung selbst und bekomme auch meinen "Werkstatt-Lohn" aus dem Budget.


    Wo gibt es diese Konstruktion in D? Aus meiner Sicht kann man die "Fälle" an einer oder zwei Händen abzählen. Herr Becker versucht das gerade für zwei Menschen und sieht nur in ratlose EGH-Gesichter.


    Ich kenne mehrere Fälle, aber da wurden eben keine Rentenzahlungen geleistet von der EGH, sondern die Leistungsberechtigten haben aus dem Budget, das dadurch krass geschmälert wurde, freiwillige Rentenbeiträge geleistet, die "normal" bei der DRV gebucht wurden.


    Und das geht nicht, sagen die neuen Empfehlungen. Die EGH muss sich also beim PB überlegen, wie die Rentenzahlungen organisiert werden, so dass nach 20 Jahren auch das Rentenprivileg greift.


    Es geht also nicht um Leistungen der Sozialen Teilhabe und auch nicht um das Nachrangigkeitsprinzip.
    Sondern: Es geht in dieser Diskussionsfrage ausschließlich um die Detailfrage: Budgetisierter Arbeitsbereich der WfbM.


    Auch wenn viele andere Fragen auch spannend sind...

  • Auch auf die Gefahr mich unbeliebt zu machen, muss ich einmal für mein Verständnis die Frage aufwerfen, ob die Rentenversicherungsbeiträge bei fehlender Versicherungspflicht überhaupt ein Bedarf an Eingliederungshilfe sind.


    Werden Leistungen im Arbeitsbereich als Sachleistungen erbracht, dann steht die leistungsberechtigte Person zum Träger der WfbM in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis, inkl. der Sozialversicherungspflicht. Die entsprechenden Aufwendungen des Trägers der WfbM sind Gestehungskosten und werden bei der Kalkulation der Vergütung dieser Sachleistungen berücksichtigt. Diese Vergütung bildet dann auch die Grundlage für die vergleichbare Sachleistung bei der Bemessung des PB.


    Wenn die leistungsberechtigte Person Leistungen im Arbeitsbereich als PB erhält und einen Werkstattvertrag hat, steht sie doch ebenfalls in diesem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis und ist entsprechend sozialversichert. Hat sie keinen Werkstattvertrag, dann sehe ich aber keine rechtliche Grundlage, warum das PB höher bemessen werden sollte, um freiwillige Rentenversicherungsbeiträge abzuführen. Aufgabe der Teilhabe am Arbeitsleben ist es, die Aufnahme, Ausübung und Sicherung einer der Eignung und Neigung der Leistungsberechtigten entsprechenden Beschäftigung sowie die Weiterentwicklung ihrer Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit zu fördern (§ 90 Abs. 3 SGB IX). Die - freiwillige - Bildung von Rentenanwartschaften gehört nach meinem Verständnis nicht dazu.


    Ich bin für jeden Hinweis dankbar, wenn ich irgendwo einen Denkfehler haben sollte.

  • Hallo Herr Friedrichs,


    Sie schreiben: "Wenn die leistungsberechtigte Person Leistungen im Arbeitsbereich als PB erhält und einen Werkstattvertrag hat" - dann brauche ich aber kein Budget, außer, ich habe nur Teile der Leistung als PB. Es ist doch gerade die Idee des PB, dass ich eben nicht eine WfbM als Institution in Anspruch nehmen muss.


    Warum die Bildung von Rentenanwartschaften zum PB gehören im Bereich Arbeit/WfbM? Weil sie zur Leistung gehören, die gewährt wurde.
    Ich darf hier die BAGüS zitieren: "Die Inanspruchnahme von Leistungen in der Leistungsform des PB hat (auch) keine Auswirkungen auf den Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsfähigkeit (ich denke, das ist ein Tippfehler: Es muss "Erwerbsunfähigkeit" heißen) nach zwanzigjähriger Tätigkeit."


    Kurz: Wer ein PB in Anspruch nimmt, darf nicht schlechter gestellt werden, als der, er eine Sachleistung nimmt. Alles andere wäre ein Verstoß gegen Artikel 3 GG.

  • Hallo Frau Ehrhardt,


    das sehe ich anders. Gewährt werden Leistungen im Arbeitsbereich, deren Inhalt im § 58 Abs. 2 SGB IX konkretisiert werden. Die Beiträge zur Sozialversicherung sind bei der Sachleistung ein Annex, weil sie aufgrund der Versicherungspflicht untrennbar dazugehören. Die leistungsberechtigte Personen bestreitet den AN-Anteil aus ihrem Einkommen, der AG-Anteil gehört zu den Gestehungskosten des Trägers der WfbM.


    Nichts anderes ergibt sich aus den - nicht verbindlichen - Empfehlungen der BAGüS, die scheinbar von dem Fall ausgeht, dass die leistungsberechtigte Person weiterhin einen Werkstattvertrag und damit das arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnis inne hat.


    Ich sehe auch keinen Konflikt mit Art. 3 Abs. 1 GG. Es liegt meiner Meinung nach bereits kein gleich gelagerter Sachverhalt vor. In dem einen Fall liegt ein arbeitnehmerähnliches Rechtsverhältnis vor, in dem anderen nicht. Im Übrigen kann auch im PB über einen Werkstattvertrag dieses arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnis gewählt werden.

  • Jo, so ist ist eben im Leben: Man ist sich nicht immer einig und sieht/liest manches unterschiedlich.
    Das ist auch der Grund, warum Manches in diesem Bereich vorangeht und Manches auch nicht voran geht. Wichtig finde ich persönlich Menschen, die sich intensiv mit all dem beschäftigen. Zu welchem Resultaten sie auch immer kommen.

  • Hallo Frau Ehrhardt,
    beim Wiederlesen meiner Antwort, ist mir auch nicht mehr klar, worauf ich hinaus wollte - bzgl. diese ging zumindest an der Eingangsfrage vorbei, sorry.
    Zu 2 relevanten Punkten möchte ich mich dennoch äußern:
    Innerhalb einer WfbM kann man jederzeit einen Antrag auf ein PB stellen, allerdings deckeln die Leistungsträger dieses auf die Höhe der bisherigen Ausgaben (ist im bereich Wohnen in besonderen Wohnformen übrigens ebenso), einfach weil die bisherigen Ausgaben als bedarfdeckend angesehen wurden. Ich denke, dies erklärt den Punkt, den Jr. becker hier eingebracht hat (ob er damit legitim ist, ist eine andere Frage).
    Zu zitieren weoter oben aus den BAGÜS-Empfehlungen, das ist löblich, dennoch haben diese keine Rechtsbindung:
    "Ich kenne mehrere Fälle, aber da wurden eben keine Rentenzahlungen
    geleistet von der EGH, sondern die Leistungsberechtigten haben aus dem
    Budget, das dadurch krass geschmälert wurde, freiwillige Rentenbeiträge
    geleistet, die "normal" bei der DRV gebucht wurden.
    Und das geht nicht, sagen die neuen Empfehlungen. Die EGH muss sich also
    beim PB überlegen, wie die Rentenzahlungen organisiert werden, so dass
    nach 20 Jahren auch das Rentenprivileg greift.
    Es geht also nicht um Leistungen der Sozialen Teilhabe und auch nicht um das Nachrangigkeitsprinzip.
    Sondern: Es geht in dieser Diskussionsfrage ausschließlich um die Detailfrage: Budgetisierter Arbeitsbereich der WfbM."
    Ich zitierte sie mal ausführlich, um auf das Problem hinzuweisen:
    Den ersten Teil finde ich auch hochproblematisch, allerdings verstehe ich noch nicht, warum man ein PB das auf das laufende Werkstattbudget gedeckelt ist, beantragen sollte - ggf. wurde "vergessen" die Annexleistung Rentenversicherung hinzuzubuchen?
    Die Fälle von Hrn. Becker liegen, so habe ich es verstanden aber anders - die WfbM hat die Verträge gekündigt. Wenn die beiden Beschäftigten die 20 Jahre WfbM voll haben, haben sie vollen Anspruch auf volle EU-Rente - mehr als voll geht nicht, wäre also kein Problem, es sei denn sie erwürben Rentenansprüche, die jenseits der EU-Rente lägen...
    Wenn dem nicht so wäre, dann kann es doch - aus Sicht der EGH - kein Problem sein, wenn Personen, die regulär arbeiten, eben die Rentenanwartschaft erwerben, die sie eben mit ihrem Einkommen erwerben. Die Rentenanwartschaften in den WfbMs sind schon sehr üppig bemessen, da kommt man als Lieferfahrer bei XYZ nicht dran.
    Nicht-WfbM zu wollen, aber entsprechende Rentenanwartschaften zu erwerben-wollen, sorry, dies wäre ja schon eine krasse positive Diskriminierung...

  • Ja, die zitiere ich auch immer fröhlich.
    Sie bezieht sich aber auf das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich.
    Nicht auf den Arbeitsbereich, über den wir hier diskutieren.
    Budgetierte BBBs sind auch in BaWü zwar selten, aber bekannt.


    zu Michael:
    Ja, WENN die beiden Leistungsberechtigten aus dem Ausgangsfall schon die 20 Jahre voll haben, ist alles kein Thema.
    Wenn nicht, dann schon. Und ja, ich glaube, dass die "Annexleistung" schlicht und einfach nicht mitgedacht wurde.


    Und nein, ich finde das keine "krasse positive Diskriminierung".
    Aber um das zu beurteilen, müsste man mal über Sinn und Zweck des "Rentenprivilegs" nachdenken. Das habe ich ehrlicherweise noch nie.
    Aber meine ersten Gedanken am Sonntagmorgen dazu sind: Das Privileg besteht doch nicht, weil man 20 Jahre IN einer WfbM als Organisation und realem Gebäude verbracht und vielleicht langweilige Tätigkeiten, die man sich nie freiwillig ausgesucht hätte, verrichtet hat, sondern weil man 20 Jahre eben auch nur den geringen Werkstattlohn erhalten hat (plus Grundsicherung) und wenigestens im Alter als "normaler" Rentner leben soll, zumal dann ja auch die Rechtfertigung für den dünnen "Lohn" ("Wir bezahlen ja viel für die Anleitung und Beleitung als Rehabilitationsleistung") grundsätzlich wegfällt.


    Das "oder" ist übrigens eine ernstgemeinte Frage an alle Mitdiskutierenden, keine Suggestivfrage.

  • Bei der Frage nach dem Persönlichen Budget für die Teilhabe im Arbeitsbereich (§ 58 SGB IX) und der damit verbundenen Rentenversicherung geht es um die die Diskrepanz zwischen der theoretische rechtlichen Möglichkeit und der derzeitigen praktischen Aussichtslosigkeit, weil - was möglich wäre - die besondere Sozialversicherungspflicht in § 179 SGB VI nicht geregelt wurde.


    Das Hindernis für die Umsetzung der vollen Sachleistung (inklusive der besonderen Sozialversicherung) des § 58 SGB IX in Form eines Persönlichen Budgets liegt in der fehlenden Einbeziehung des Persönlichen Budgets in § 179 SGB VI:
    § 179 SGB VI Erstattung von Aufwendungen
    (1) Für behinderte Menschen nach § 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a, die im Arbeitsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen oder bei einem anderen Leistungs­anbieter nach § 60 des Neunten Buches tätig sind, erstattet der Bund den Trägern der Einrichtung oder dem anderen Anbieter nach § 60 des Neunten Buches die Beiträge, die auf den Betrag zwischen dem tatsächlich erzielten monatlichen Arbeitsentgelt und 80 Prozent der monatlichen Bezugsgröße entfallen, wenn das tatsächlich erzielte monatliche Arbeits­entgelt 80 Prozent der monatlichen Bezugsgröße nicht übersteigt; der Bund erstattet den Trägern der Einrichtung oder dem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches ferner die Beiträge für behinderte Menschen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungs­bereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen oder in einer entsprechenden Bildungsmaßnahme bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches, soweit Satz 2 nichts anderes bestimmt. Im Übrigen erstatten die Kostenträger den Trägern der Einrichtung oder dem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches die von diesen getragenen Beiträge für behinderte Menschen; das gilt auch, wenn sie im Eingangs­verfahren oder im Berufsbildungsbereich anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen oder in einer entsprechenden Bildungsmaßnahme bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches tätig sind, soweit die Bundesagentur für Arbeit, die Träger der Unfallversicherung oder die Träger der Rentenversicherung zuständige Kostenträger sind. Für behinderte Menschen, die im Anschluss an eine Beschäftigung in einer nach dem Neunten Buch anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen oder im Anschluss an eine Beschäftigung bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches in einem Inklusionsbetrieb (§ 215 des Neunten Buches) beschäftigt sind, gilt Satz 1 entsprechend. (…)

    Richtigerweise sind mittlerweile Inklusionsbetriebe und die anderen Leistungsanbieter im § 179 SGB VI einbezogen, nur der Budgetnehmer des Persönliche Budgets bleibt weiterhin unberücksichtigt.


    Dazu gab es von Seiten der BAG UB (Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung) auch Gespräche und Briefwechsel mit dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Jürgen Dusel, dem BMAS, Dr. Peter Mozet, und der BAGüS, Matthias Krömer.
    Das BMAS hat im Schreiben vom 17. März 2021 an die BAG UB zwar das Persönliche Budget im Arbeitsbereich der Werkstatt „nicht ausgeschlossen“, jedoch darauf verwiesen, dass „als Alternative zum Arbeitsbereich in einer Werkstatt für behinderte Menschen (…) das Budget für Arbeit eingeführt worden“ sei.


    Dieser Auffassung kann man nur widersprechen. Denn das Budget für Arbeit (§ 61 SGB IX) ist eine andere Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, zielt auf ein „sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis mit einer tarifvertraglichen oder ortsüblichen Entlohnung“ und kann damit nur für leistungsstärkere Menschen im Arbeitsbereich der WfbM eine Alternative sein.
    Für Leistungsberechtigte, deren Leistungsfähigkeit erheblich geringer ist, und die trotzdem im Rahmen ihrer Möglichkeit betrieblich mitarbeiten wollen, die eben ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis mit Mindestlohn nicht ausfüllen können, ist das Persönliche Budget für die Leistungen im Arbeitsbereich (§ 58 SGB IX) notwendig, um ihnen eine betriebliche, passgenaue und inklusive Teilhabe am Arbeitsleben mit der notwendigen Unterstützung zu ermöglichen und auch um ihnen ein adäquates Entgelt für die geleistete Arbeit auszahlen zu können.


    In den aktuellen BAGüS-Werkstattempfehlungen 2021 wird – im Gegensatz zu den vorherigen Fassungen – der Rechtsanspruch auf ein Persönliches Budget für Werkstattleistungen in Kapitel 18.9 jetzt zwar ausdrücklich und uneingeschränkt betont:
    „(3) Grundsätzlich sind alle Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in WfbM und bei anderen Leistungsanbietern budgetfähig. Das gilt sowohl für die Leistungen der Bundesagentur für Arbeit und der anderen nach § 63 Abs. 1 SGB IX zuständigen Träger im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich als auch für die Leistungen der Träger im Arbeitsbereich. Leistungen sind sowohl als Einzelleistungen als auch hinsichtlich des Gesamtumfangs budgetfähig.“
    Diese Eindeutigkeit wird jedoch die bisherige Praxis nicht verändern, da die Orientierungshilfe zum Persönlichen Budget der BAGüS von November 2016 fortbestehen. (https://www.lwl.org/spur-download/bag/39_2016an.pdf)
    „Trotz seiner geringen Verbreitung ist das persönliche Budget ein wichtiges Anliegen von Politik, Verbänden der Menschen mit Behinderung und auch der BAGüS. Dies insbesondere, seit mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention die Verpflichtung einge­gangen wurde, die individuelle Autonomie, unabhängige Lebensführung und selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten. Dabei wird das Persönliche Budget als geeignete Möglichkeit angesehen, die auch aus dem unübersichtlichen und gegliederten Sozialleistungssystem erwachsenen Probleme für die Betroffenen zu überwinden.
    In der praktischen Umsetzung stellen die überörtlichen Träger der Sozialhilfe Hinderungs­gründe fest, die einer größeren Verbreitung dieser Leistungsform entgegenstehen. (…)
    Ein (…) Grund für die geringe Verbreitung des Persönlichen Budgets dürfte auch die Tatsache sein, dass die derzeitigen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ganz wesentlich auf die Leistungen in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung beschränkt sind. Aktuelle Rechtsprechung eröffnet zwar die Möglichkeit der Gewährung eines Persönlichen Budgets für Berufsbildungsmaßnahmen, jedoch nicht für Maßnahmen der Beschäftigung anstelle einer Maßnahme im Arbeitsbereich der Werkstatt.“

    ABER: erforderlich sind aus Sicht der BAG UB die Ergänzung im § 179 SGB VI und ggf. die Korrektur weiterer Verwaltungshindernisse, damit für ALLE Menschen mit Behinderung das Persönliche Budget für Leistungen im Arbeitsbereich (§ 58 SGB IX) in der Praxis auch zugänglich und nutzbar wird, um eine selbstbestimmte, individuelle, inklusive und passgenaue Umsetzung des Leistungsanspruchs zu ermöglichen. Ein Verweis auf andere Sachleistungen ist unzulässig und höhlt den Rechtsanspruch des § 29 SGB IX aus.
    Nach 20 Jahre SGB IX wäre es an der Zeit, diesen endlich Mangel zu beseitigen und den vorgesehenen Paradigmenwechsel von der Theorie auch in die Praxis zu befördern.