persönliches Budget statt Fub

  • Liebe Frau Schade,


    Ihre Frage kann ich nicht allgemeingültig beantworten, ich will aber gern versuchen, ein bißchen Licht darauf zu werfen, welche Aspekte bei der Fragestellung zu beachten sind...


    Also, die sogenannte Fub, das steht für Förder- und Betreuungsgruppe, ist eine Leistung zur Teilhabe, die im SGB IX in § 219 Abs. 3 verankert ist. Die FuB ist keine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben; Voraussetzung für diese Leistung ist grade eben, dass die individuelle Leistungsfähigkeit der jeweiligen Person es nicht, oder noch nicht, zulässt, dass eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, zum Beispiel in der WfbM, in Frage kommt.
    Diese Person erfüllt also nicht die Voraussetzungen für die Aufnahme in den Berufsbildungsbereich oder den Arbeitsbereich der Werkstatt, man spricht dann auch davon, dass sie nicht oder noch nicht oder nicht mehr in der Lage ist, das hierfür notwendige "Maß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeit" zu erbringen. Und genau diese Personengruppe, die nicht in die Voraussetzungen für die WfbM mitbringt, soll dann in den FuB´s, die oft den Werkstätten angegliedert sind, betreut und gefördert werden. Dazu gehören auch in den FuB´s oft kleine Tätigkeiten zur Beschäftigung und zum Training.


    Deswegen ist Ihre Frage schwierig zu beantworten: Ein Praktikum bedeutet ja in der Regel, dass eine Person z.B. in einem Betrieb des allgemeinen Arbeitsmarktes mithilft, dort kleine und einfache Tätigkeiten übernimmt, also quasi "wirtschaftlich verwertbare Arbeit" erbringt. Wenn das möglich ist, wäre meines Erachtens erst mal zu prüfen, ob hier wirklich die Notwendigkeit besteht, dass die Person in die FuB soll... Vielleicht könnte man das im Rahmen des Eingangsverfahrens der WfbM ausprobieren, ob nicht doch eine gewisse Leistungsfähigkeit entwickelt werden kann? Für die Aufnahme in eine WfbM beispielsweise wäre es ausreichend, wenn die Prognose besteht, dass diese Leistungsfähigkeit im Rahmen des zweijährigen BBB entwickelt werden kann. Und wenn die WfbM nicht gewollt ist - dann wäre es auf jeden Fall einfacher, ein Praktikum oder ähnliches anzustreben, wenn diese Leistungsfähigkeit im Rahmen des BBB entwickelt und gefördert werden kann und damit auch ein entsprechender Leistungsanspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bestünde.


    Sie fragen ja ganz konkret, ob eine Person, die in die FuB soll, auch ein Praktikum oder anderes über eine persönliches Budget machen kann: Ich weiß, dass es solche Fälle gibt, in denen dies der Fall war und ist. Es kommt hier sicher wie immer sehr auf den Einzelfall an und darauf, welche Assistenz und Begleitung dabei benötigt wird und auch in den entsprechenden Praktika, etc. geleistet werden kann - ich ganz persönlich würde antworten: Wenn es einer Person möglich ist, mit entsprechender Assistenz ein Praktikum zu absolvieren, in und an dem sie tatsächlich eine aktive Rolle einnehmen kann, sollte nochmal über die Einschätzung nachgedacht werden, ob hier wirklich eine Aufnahme in die FuB erforderlich ist...


    Ich hoffe, ich habe Sie jetzt nicht verwirrt und bin gespannt, was andere dazu sagen... :)

  • Grundsätzlich ist der FuB-Bereich eine Leistung zur Sozialen Teilhabe. Damit ist die auch budgetierbar. Auch modular, auch in Teilen.
    Man kann sie sich also komplett selbst organiseren, zB Stellen finden, die bereit sind, dass der Mensch mit Behinderung bei ihnen seinen Tag verbringt, und dann die nötige Begleitung aus dem Budget finanzieren, die dann entweder jemand macht, der bei dieser "Stelle" arbeitet und dafür abgestellt wird, oder jemanden, den man mitbringt. Diese Konstruktion gibt es schon in BaWü.


    Also: "andere Aktivitäten außerhalb der FuB": Ja.
    Wenn allerdings schon eine konkrete FuB-Maßnahme bewilligt wurde und ein Leistungserbringer das Geld bekommt, ist natürlich die Frage, ob er seine Leistung auch weiter zur Verfügung stellt, wenn Teile budgetiert werden, er also nur noch weniger Geld bekommt, weil derjenige/diejenige zB nur 3 Tage dort ist und zwei Tage etwas anderes macht.


    Was das "Praktikum" angeht, hat Frau Süßmilch ja schon viel Kluges geschrieben.

  • Grundsätzlich ist der FuB-Bereich eine Leistung zur Sozialen Teilhabe. Damit ist die auch budgetierbar. Auch modular, auch in Teilen.
    Man kann sie sich also komplett selbst organiseren, zB Stellen finden, die bereit sind, dass der Mensch mit Behinderung bei ihnen seinen Tag verbringt, und dann die nötige Begleitung aus dem Budget finanzieren, die dann entweder jemand macht, der bei dieser "Stelle" arbeitet und dafür abgestellt wird, oder jemanden, den man mitbringt. Diese Konstruktion gibt es schon in BaWü.


    Also: "andere Aktivitäten außerhalb der FuB": Ja.
    Wenn allerdings schon eine konkrete FuB-Maßnahme bewilligt wurde und ein Leistungserbringer das Geld bekommt, ist natürlich die Frage, ob er seine Leistung auch weiter zur Verfügung stellt, wenn Teile budgetiert werden, er also nur noch weniger Geld bekommt, weil derjenige/diejenige zB nur 3 Tage dort ist und zwei Tage etwas anderes macht.


    Was das "Praktikum" angeht, hat Frau Süßmilch ja schon viel Kluges geschrieben.

    ...Danke, Frau Ehrhardt.. ;) Ihre Praxisnähe ist bei der Beantwortung solch kniffliger Fragen sehr hilfreich und vielleicht etwas direkter!! Aus Ihren Beiträgen habe ich auch entnommen, dass Sie "unsere" Programme und auch Besonderheiten in Baden-Württemberg sehr gut kennen; das freut mich sehr!

  • Liebe Frau Schade,


    vor einigen Jahren habe ich einen solchen Fall über einen längeren Zeitraum begleitet. Nach einigem Hin und Her und nach mehreren Gerichtsverfahren ließ sich schließlich ein pB für eine Alternative zur FuB durchsetzen (Begleitung durch einen Arbeitserzieher im Außenbereich eines Ausflugsgasthauses, Tätigkeiten bei der Versorgung von Tieren und Gärtnerei).


    In einem weiteren Fall, den ich vor Jahren begleitet habe, wurde ein pB i.H.v. ca. 1.100 p.m. zusätzlich zu den Kosten eines Pflegeheimes bewilligt. Im Pflegeheim gab für den (sehr jungen) Leistungsberechtigten keine adäquaten tagesstrukturierenden Leistungen. Das wurde dann von außen über das pB „zugekauft”.


    Dass der Anspruch besteht, ergibt sich meines Erachtens unschwer aus § 29 SGB IX, bis zum 31.12.2017 § 17 SGB IX. Aber wenn der Rehabilitationsträger das anders sieht, ergeben sich Probleme bei der Durchsetzung. Die Hauptschwierigkeit liegt darin, dass bis heute umstritten ist, ob der Rehabilitationsträger den Anspruch sozusagen vernichten kann, indem er es ablehnt, eine Zielvereinbarung zu schließen (was ich für falsch halte, siehe hier). Dennoch scheint mittlerweile anerkannt zu sein, dass das pB auch im Eilverfahren durchsetzbar ist. Dazu gibt es immerhin Entscheidungen des BVerfG (BVerfG, 12.9.2016, 1 BvR 1630/16 und BVerfG, 14.3.2019, 1 BvR 169/19).


    Es kann einfacher sein, wenn man zugelich einen Vorschuss nach § 42 SGB I beantragt, siehe hier.

  • Ja, im Bereich FuB/PB scheint aus meiner Sicht zumindest die Rechtslage klar, auch wenn sie sich vielleicht noch nicht bis zu jeden Leistungsträger rumgesprochen hat.
    Wer mit einem klaren Plan und Konzept (wie will ich mir die FuB-Leistung selbst organisieren, mit welchen "Partnern", mit welchen Unterstütungskräften) auf die EGH-Träger zugeht, hat gute Chancen, hierfür das nötige PB zu erhalten. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel... Wir als EUTB begleiten zZ auch so einen "Fall" und sind guter Dinge.
    Als EUTB-Leiterin ist immer mein Ziel, gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden und vieles im Vorfeld zur Zufriedenheit der Ratsuchenden klarn zu können. Das spart, Zeit, Geld und Nerven. Klappt er aber natürlich nicht immer. Aber bei uns seit drei Jahren EUTB ziemlich gut.

  • Hallo Zusammen,


    ich bearbeite zusammen mit Frau Schade den Fall in der EUTB. Der zugrundeliegende Anspruch ist eine Leistung zur Sozialen Teilhabe iSv § 113 , 76 II Nr. 2. und 5 SGB IX oder ähnliches ? Oder § 78 SGB IX ? Das System ist etwas verwirrend.
    Die Arbeitsfähigkeit (mind. 3 h) der Gesuchstellerin ist unbestritten nicht gegeben und wird auch nicht erreicht werden. In der Fub ist sie aber hoffnungslos unterfordert.


    Ich würde jetzt beantragen, dass der Gesuchstellerin, ihr eigenes zusammengestellte Programm zur Tagesstrukturierung bewilligt wird und ihr hierfür die Kosten in Höhe von x Euro monatlich als Vorschuss zu überweisen sind.


    Wegen der Abwesenheit der arbeitenden Mutter, ist das ein Budget für eine unqualifizierte Assistenz für den ganzen Arbeitstag 8 h an Werktagen.


    Was ist nun mit der Pflege? Sie hat Pflegestufe 4. Muss ich von dem beantragten Betrag die Pflegekosten anteilig vom Tag absetzen. Also 24/8 h?


    Sollte hierfür keine Bereitschaft zum Abschluss einer LV bestehen, wäre wohl nur der Weg zum Sozialgericht noch zielführend. Ich teile den Unmut der Mutter, die den Weg scheut. Allerdings feiert die Gesuchstellerin gerade den Abschied aus der Schule und wird im Fall, dass keine Entscheidung von der EGH getroffen wird, zu Hause versauern.
    Die Mutter schliesst die FuB als "Aufbewahrungsort" für ihre Tochter aus.

  • Ja, alle Sachleistungen sind budgetfähig und Förderung und Unterstützung kann auch an den üblichen Orten des Lebens und des Arbeitens erfolgen - oft sogar einfacher und nachhaltiger als in eigens geschaffenen Sonderwelten.


    Dass Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf, denen man ein "Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung" (§ 219 (2) 1 SGB IX abspricht, auch arbeiten können hat ein Projekt der BAG UB (Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung "Zeit für Arbeit" sehr eindrücklich gezeigt.


    https://www.bag-ub.de/seite/428581/projekt-zeit-für-arbeit.html

  • Ja, Randy von Stechow,
    so gehen Sie vor.
    Allerdings müssen Sie sich überlegen, wie Sie die "Assistenten" sozialversichern wollen - Minijob geht sicherlich nur, wenn es mehrere machen - manche Menschen können, weil selbständig, Rechnungen schreiben und kümmern sich dann selbst um ihre Sozialversicherung - ansonsten feste Anstellung oder einen "alternativen" Leistungserbringer nehmen... Entsprechend mus man ja die Stundensätze kalkulieren.
    Bei 8 Stunden, also 40 Stunden in der Woche und der Vorschrift in § 29 SGB IX "Dabei soll die Höhe des Persönlichen Budgets die Kosten aller bisher individuell festgestellten Leistungen nicht überschreiten, die ohne das Persönliche Budget zu erbringen sind" wird das evtl. eng, weil die EGH-Träger für die FuBs (ich kenne nur die Situation in BaWü) ja echt wenig zahlen. Aber das können Sie ja selbst ausrechnen. Oben war mal von 1.1000 Euro die Rede. Diesen Betrag halte ich auch für realistisch.
    Aber es heißt ja nur "soll". Aber soll heißt auch immer: diskutieren, wenn es teurer wird.
    Pflegegeld spielt übrigens keine Rolle.

  • In Baden-Württemberg werden für FuBs etwa 1.900 € monatlich gezahlt – für alle Bedarfe gleich. Die FuBs in BaWü sind Gegenstand der beiden Urteile des BSG vom 6.12.2018 (B 8 SO 9/18 R und B 8 SO 11/18 R). Die Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen erfüllen die Minderstanforderungen, die das Gesetz vorsieht, bei weitem nicht. Nicht einmal ein Personalschlüssel wurde vereinbart (vgl. § 76 11. SGB XII, § 125 Abs. 2 SGB IX).


    Wenn man die Regelung zur Deckleung des Budgets einerseits und die Argumentation der Kostenträger, dass den FuB eine Mischkalkulation zugrunde liege, andereseits ernst nimmt, heißt das, dass nur die Hälfte derjenigen, die eine FuB besuchen können, einen Anspruch auf ein pB haben: Nämlich nur die Hälfte, deren Bedarf mit einem pB von weniger als 1.900 € p.m. gedeckt werden kann. Es ist offensichtlich, dass das mit dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) nicht zu vereinbaren ist.


    Dazu kommt ein weiteres Argument: § 29 Abs. 2 S. 7 SGB IX lautet: „Dabei soll die Höhe des Persönlichen Budgets die Kosten aller bisher individuell festgestellten Leistungen nicht überschreiten, die ohne das Persönliche Budget zu erbringen sind.” Ohne ein pB wäre der Bedarf als Sachleistung i.S.v. § 123 SGB XI zu decken. Das setzt voraus, dass diese Sachleistungen wirksam nach § 125 SGB IX vereinabert sind (= Leistungs- und Vergütungsvereinbarung, die alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt). Ich habe in Baden-Württemberg noch nie eine solche Leistungs- und Vergütungsvereinbarung für eine FuB gesehen. Daher glaube nicht, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung von § 29 Abs. 2 S. 7 SGB IX hier erfüllt sind. Das hieße, dass die Vorschrift gar nicht angewendet werden kann, weil die dazu erforderlichen Voraussetungen – nämlich die Erfüllung des Sicherstellungsauftrags durch Abschluss gesetzmäßiger Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen, s. § 95 SGB IX – nicht erfüllt sind.

  • Hallo Herr Rosenow,


    als Jurist sollten sie wissen, dass eine Soll-Regelung ebenso eine Auslegungssache ist, wie eine Kann-Regelung. Auch wenn das Verb Sollen nicht auftaucht, bestehen die §1-4 des SGB IX inhaltlich doch ausschließlich aus Sollens-Regelungen...
    Auch hinsichtlich der Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen bin ich zuversichtlich, dass diese existieren - und zumindest vor Gericht sollten diese auch vorglegt werden müssen. Hinsichtloch der inhaltlichen Qualität würde ich nicht so große Erwartungen hegen, denn beschrieben werden die Leistungen die vorgehalten werden un diese beziehen sichm neben relativ pauschalen Aussagen hinsichtlich des angesprochenen Klientels vorrangig auf bauliche Aspekte (Angaben zur Geschossfläche einer WfbM zu lassen, ist ja eher so eine relative Sache, wenn man nicht weiß, ob wievile Arbenitsplätze vor Ort wie strukturiert sind - und es ist sicherlich hinsichtlich der Bedarfsdeckung irrelevant, wenn pro Arbeitsplatz in einer Gruppe nur 13 statt 15qm eingeplant wurden...).