Was sind die Vorteile eines Persönlichen Budgets?

  • Hmm,
    das kommt darauf an...
    Sicherlich sind dies erstmal - und diese These stelle ich in den Raum - psychologische Effekte der Selbstwirksamkeit.
    Dies ist aber imer gepaart mit einer Einflußmöglichkeit auf die Form der Leistungserbringung - Stichwort hier: Personenorientierung. Bei vielen klassischen Settings erleben wir immer noch (kaum gebrochen) eine starke Dominanz des Leistungserbringers hinsichtlich der Leistungserbringung - und die Kontrolle des Leistungsträgers ist vorsichtig formuliert, eher schemenhaft zu erkennen.
    Ob ich in jedem Fall dem Diktum: "Nicht ohne uns über uns" folgen will, habe ich für mich noch nicht klar, einfach weil es zuviele Leistungsberechtigte gibt, die eine solche Aussage gar nicht auf ihr Leben beziehen können - in absichtlich provokativer Anlehnung an Einstein: Wer fordern kann, ist klar im Vorteil...
    Kurz: PB ja, aber wenn dann konsequent zu Ende gedacht für Alle (ich habe gehört, dass man das heute Inklusion nennt) und dies ist eben mehr als eine Fixierung auf Selbstbestimmung, einen irgendwie gearteten Sozialraum - den mancher Leistungsberechtigte nichtmal vom Hörensagen kennt. Mir fehlt hier einfach der Aspekt der "Sorge" - nur wenn wir diese mitdenken kommen wir zu einem "leave no one behind" (die Homologie zwischen behind und Behinderung gefällt mir...).
    Ansetzen bei der notwendigen Individualisierung der Leistungen, würde ich aber weniger im Bereich der Werkstätten oder des Wohnens, sondern bei der Freizeitgestaltung - das ist die Quality Time..
    So, ich hoffe ich war provokativ genugt, dass hieraus ein inhaltlich guter Austausch entsteht...

  • Die Vorteile eines persönlichen Budgets (PB) sehe ich in der eigenverantwortlichen und unbürokratischen Leistungserbringung insbesondere für "kleinere Budgets" (z.B. Haushaltshilfe, Fahrkosten, Therapiekosten). Ein Grundbescheid sollte den eigentlichen Anspruch festhalten; die Ausführung sollte dann mit einem öffentlich rechtlichen Vertrag anhand der Bedarfsermittlung (z.B. Fahrtstrecke bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit der durchschnittlichen Nutzung pro Monat) erfolgen.
    Es geht hier um "Augenhöhe", d.h. es gibt m.E. nach kein "Über-Unterordnungsverhältnis" wie bei einem "Ausführungsbescheid", sondern ein gleichrangiges Vertragsverhältnis. Es müssen also Rechte und Pflichten passend vereinbart werden mit der Möglichkeit auch der Beendigung des Vertrages für ein PB von beiden! Seiten. Ich habe auch schon PB Verträge auf Probe für 6 Monate geschlossen, wenn der Bedarf noch nicht so eindeutig einzuschätzen ist (z.B. bei Pflege/Assistenz). Die Zweckbindung muss naturgemäß immer in einem solchen Vertrag mit einfließen, im Gegenzug die Zahlungsverpflichtung des Kostenträger (meist mit einem Dauerauftrag). Eine pro aktive Beratung für ein PB mit öffentlich rechtlichen Vertrag schließt natürlich ein, dass ich dem Versicherten bzw. dem Anspruchsberechtigten vertraue. Das hat m.E. nach etwas mit Haltung und Einstellung zu tun. Die Zweckbindung muss naturgemäß der Versicherte nachweisen, das ist aber m.E. nach kein Problem in der Praxis vor allem am Ende der Vertragslaufzeit von max. 2 Jahren.


    Was ich nicht verstehe, warum nicht auch andere Träger das Instrument der Teilförderung nach § 35 Abs. 3 SGB VII (Bereich Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben) erhalten. Hier kann ich in der gesetzlichen Unfallversicherung flexibel auf berechtigte Wünsche der Betroffenen eingehen, wenn eine höherwertige Qualifizierung gewünscht wird, wo über das bisherige Maß der Leistungserbringung hinausgeht (z.B. Studienförderung). Dies erfolgt immer anhand eines öffentlichen rechtlichen Vertrages und hat damit den Charakter eines PB. Dabei werden die Kosten einer sogenannten Referenzmaßnahme ermittelt (z.B. Umschulung) und z.B. auf die Zeit einer höherwertigen Maßnahme (z.B. Studium) kapitalisiert mit regelmäßigen Monatsbeträgen ausgezahlt. Bei anderen Trägern bleibt da nur der Verweis auf BaföG, schade!


    Axel Landgraf
    Reha Manager der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege

  • Hmm,
    die Sache mit dem Vertrauen ist schwierig - einfach weil viele Leistungsberechtigte Angebote annehmen, deren sagen wir mal so in ihrer Substanz problematisch sind... Da liegen Kostenvoranschläge und ermittelter Bedarf gerne mal im 4stelligen Bereich auseinander (gerade im Bereich Pflege scheint dies zum Trend zu werden - 7mal täglich Anfahrtspauschale für die hauswirtschaftlichen Leistungen; die Medikamentengabe erfolgt - nach ungenauer Angabe des Arztes, der sich um solche Dinge keine Kopf macht, immer um 20 Uhr - also doppelte Anfahrtpauschale wegen Nachtarbeit, etc. - hier wird m.E. viel Schindluder betrieben und es erwartet auch kein Menschen, dass ein Otto-Normal-Bürger solche Kostenoranschläge durchdenkt....).

  • Es geht hier um "Augenhöhe", d.h. es gibt m.E. nach kein "Über-Unterordnungsverhältnis" wie bei einem "Ausführungsbescheid", sondern ein gleichrangiges Vertragsverhältnis

    An dieser Stelle möchte ich widersprechen. Auch das persönliche Budget wird im subordinationsrechtlichen Verhältnis (= Über-Unterordnungsverhältnis) Bürger - Behörde erbracht. Die Zielvereinbarung ist ein subordnatiosnrechtlicher öffentlich-rechtlicher Vertrag und damit gerade kein öffentlich-rechtlicher Vertrag im Gleichrangverhältnis (wie zB der koordierungsrechtliche Vertrag). Das ist zwar zunächst eine formale Betrachtung. Doch in der Praxis wird das durchaus spürbar.


    Ich glaube, dass die mittlerweile ubiquitäre Rede von der „Augenhöhe” die Realität eher verwischt als beschreibt. Wenn man das, was mit Augenhöhe gemeint ist, will, dann hilft es, zunächst einmal die ausgeprägte Machtasymmtrie, die im öffentlich-rechtlichen Verhältnis der Leistungsberechtigten zum Rehabilitationsträger herrscht, in den Blick zu nehmen und offen zu benennen. Hier ist ein Blick in die Kinder- und Jugendhilfe hilfreich. Die Ombudsstellen, die mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz ins Gesetz gekommen sind (§ 9a SGB VIII), machen genau das: Sie befassen sich mit der Machasymmetrie und entwickeln Strategien, um die unguten Folgen dieser Asymmetrie zu mildern.

  • Hallo Herr Rosenow,


    wie sieht es denn mit der Teilhabezielvereinbarung nach §122 aus - begründet die ein eigenes Vertragsverhältnis?
    Die Frage ist zwar vordergründig OT, würde mich aber dennoch interessieren - zumal ich mit Satz 2: "Die Vereinbarung wird für die Dauer des Bewilligungszeitraumes der Leistungen der Eingliederungshilfe abgeschlossen, soweit sich aus ihr nichts Abweichendes ergibt." meine Probleme habe: Heißt das, dass man ggf. (Abweichendes!) vom Leistungsberechtigten (denn ihm ihm wird diese Vereinbarung ja getroffen, auf LE-Seite müsste man lediglich den Bewilligungszeitraum anpassen...- womit wir zumindest wieder etwas näher am Thema PB wären) - auch wenn eigentlich der Leistungserbringer rechenschaftspflichtig wäre - einzelne Zwischenberichte einfordern könnte oder wie soll man den Satz verstehen? Wenn dem nicht so wäre, hätte Satz 3 inhaltlich ja eher weniger Sinn - denn woher sollte die "Ansatzpunkte" denn kommen...?
    So wie ich es dargestellt habe, könnte ja etwas wie ein Controlling in die EGH einfließen - ein Thema, dass auf Trägerseite ja eher mit einer gewissen Aversion betrachtet wird, um es vorsichtig zu formulieren...