Was sich ändern sollte

  • Hallo,


    wenn wirklich das Interesse besteht, die Zahlen der neuen ErwerbsminderungrentnerInnen zu reduzieren, muss sich dringend etwas in der deutschen Rehabilitation ändern. Das berufliche Rehabilitationssystem sowie das Rehabilitationsrecht sind dem Grunde nach sehr gut. Es hapert leider in der Praxis.



    Es fehlt die Personenorientierung.
    Es fehlt eine Sensibilisierung der Entscheider für die Geltung und Anwendung von Menschenrechten.
    Es fehlt das Interesse der Entscheider nationales Reharecht in der Praxis anzuwenden.
    Entscheider dürfen nicht mehr hartpaternalistisch handeln.
    Bei Traumafolgestörungen müssen Gutachter mit fundierter psychotraumatologischer Fortbildung und Erfahrung hinzugezogen werden.
    Gegen Machtmissbrauch, Druck und Zwang muss entschieden vorgegangen werden.
    Der Ermessensspielraum dient dem Schutz des Einzelnen und nicht dem Wunsch und Wahl der Behörde.
    Arbeitsschutzgesetz, inkl. Beurteilung psychischer Belastungsfaktoren, muss verpflichtend sein.
    Die Ergebnisse des AIST müssen ernst genommen werden und Einfluss auf die Berufswahl haben.
    Gegen Zwangsumschulungen, insbesondere nicht geeignete Zwangsumschulungen, muss entschieden vorgegangen werden. (Menschenrechte!)
    Insbesondere Menschen mit Traumafolgestörungen müssen vor einer Retraumatisierung durch Behörden geschützt werden.
    Kooperationen mit Hochschulen - damit auch überdurchschnittlich begabte Rehabilitanden eine geeignete Umschulung erhalten können. (Wenn den Rehakostenträgern Heidelberg zu teuer ist - dann müssen die andere Lösungen finden)
    Die Bedeutung der Eignung und Neigung muss anerkannt werden. Niemand sollte zu einer Umschulung gezwungen werden, die nicht zur Eignung und Neigung passt. (Es ist mehr als einfach nur ein "Interesse").
    Anerkennung, dass der Mehrkostenvorbehalt bei Anwendung von Menschenrechten, nicht mehr relevant ist.
    Bei Bedarf müssen Behandler des Rehabilitanden, wenn dieser einverstanden ist, hinzugezogen werden.



    Es fehlt eine unabhängige Aufsichtsbehörde, die sich speziell auch mit der Geltung und Anwendung von Menschenrechten auskennen.
    Deutschland wurde bereits 2015 vom UN-Fachausschuss UN BRK auf seine Pflichten aus dem Artikel 16 UNBRK hingewiesen: „36. The Committee recommends that the State party provide a comprehensive and effective strategy with adequate funding to ensure that women and girls with disabilities are effectively protected against violence in all public and private settings. It also recommends that the State party immediately establish or designate an independent body or bodies in accordance with Article 16 para. 3 and ensure independent complaint handling in institutions.”



    Regel-Ausnahmeverhältnis:
    Grundsatz ist die aus dem Bedarf gefolgerte und am konkreten Wahlreicht ausgerichtete Leistung, und deren Begrenzung die begründungsbedürftige Ausnahme. Die Prüfung anspruchsbegrenzenden Vorschriften hat die zwingend geltenden Rechte aus der Verfassung, dem allgemeinen und besonderen Sozialrecht, dem Medizinrecht und ratifizierten UN- und Europarat-Konvention einzubeziehen und miteinander in Einklang zu bringen.


    „Dem Diskriminierungsverbot kommt besonderes Gewicht zu. Dieses besondere Gewicht zeigt sich zum Beispiel darin, dass es auch in Notstandsfällen nicht suspendierbar ist. Das Diskriminierungsverbot ist wegen seiner starken Bindungskraft im Rahmen völkerrechtskonformer Rechtsauslegung und -anwendung immer zu beachten.“ (Deutsches Institut für Menschenrechte)


    „Fehlende Ressourcen des Staates können eine unterschiedliche Behandlung in der Regel nicht rechtfertigen.“ (WSK-Ausschuss, Allgemeine Bemerkung Nr. 20 "Nichtdiskriminierung", Randnummer 13)


    „Die Amtspflicht zum fehlerfreien Ermessensgebrauch besteht nicht nur gegenüber der Allgemein­heit sondern gerade auch gegenüber dem Einzelnen. Das ergibt sich draus, dass diese Amtspflicht auch dem unmittelbaren Individualinteressen dient, nämlich der Förderung des Einzelnen entsprechend der Eignung und Neigung.“ (BGH NVwZ-RR 205, 152)



    „Zwang ist die Überwindung des Willens einer adressierten Person.[...] Jede Anwendung von Zwang stellt einen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht des Betroffenen auf ein selbstbestimmtes Leben dar und ist folglich in besonderem Maße ethisch und rechtlich rechtfertigungs­pflichtig.“ (Deutscher Ethikrat, Bericht Hilfe durch Zwang)


    „Hartpaternalistische Zwangsmaßnahmen, die eine unbezweifelbar Entscheidung zum Wohl der betroffenen Person zu überwinden trachten, sind im Rahmen professioneller Sorgebeziehungen nicht legitimierbar.“ (Deutscher Ethikrat, Bericht Hilfe durch Zwang)