Grundsatzfrage bzgl. Budget für Arbeit: Sozialgesetzbuch höher gewichtet als Gesetze auf Länderebene ?

  • Hallo Ihr Lieben,


    ich bin neu hier im Forum und freue mich auf einen guten Austausch :)



    Als Einleitung kurz das Budget für Arbeit vorgestellt, wichtige Details für diese Diskussion habe ich schwarz markiert und unterstrichen.


    Das Budget für Arbeit ist in § 61 SGB IX wie folgt geregelt:

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    § 61 SGB IX Budget für Arbeit
    (1) Menschen mit Behinderungen, die Anspruch auf Leistungen nach § 58 haben und denen von einem privaten oder öffentlichen Arbeitgeber ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis mit einer tarifvertraglichen oder ortsüblichen Entlohnung angeboten wird, erhalten mit Abschluss dieses Arbeitsvertrages als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ein Budget für Arbeit.
    (2) Das Budget für Arbeit umfasst einen Lohnkostenzuschuss an den Arbeitgeber zum Ausgleich der Leistungsminderung des Beschäftigten und die Aufwendungen für die wegen der Behinderung erforderliche Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz. Der Lohnkostenzuschuss beträgt bis zu 75 Prozent des vom Arbeitgeber regelmäßig gezahlten Arbeitsentgelts, höchstens jedoch 40 Prozent der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches. Dauer und Umfang der Leistungen bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalles. Durch Landesrecht kann von dem Prozentsatz der Bezugsgröße nach Satz 2 zweiter Halbsatz nach oben abgewichen werden.
    (3) Ein Lohnkostenzuschuss ist ausgeschlossen, wenn zu vermuten ist, dass der Arbeitgeber die Beendigung eines anderen Beschäftigungsverhältnisses veranlasst hat, um durch die ersatzweise Einstellung eines Menschen mit Behinderungen den Lohnkostenzuschuss zu erhalten.
    (4) Die am Arbeitsplatz wegen der Behinderung erforderliche Anleitung und Begleitung kann von mehreren Leistungsberechtigten gemeinsam in Anspruch genommen werden.
    (5) Eine Verpflichtung des Leistungsträgers, Leistungen zur Beschäftigung bei privaten oder öffentlichen Arbeitgebern zu ermöglichen, besteht nicht.
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    Quelle: https://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbix/61.html

    Das Budget für Arbeit beinhaltet einen Lohnkostenzuschuss, der für das Jahr 2022 einen Maximalbetrag von 1316,00€ brutto vorsieht. In §61 SGB IX steht nicht, ob es sich bei dem Beschäftigungsverhältnis um eine Vollzeit/-Teilzeitstelle handelt.
    Der Landeswohlfahrtsverband Hessen hat auf seiner Homepage eine Präsentation (als PDF-Datei angefügt) die beinhaltet, dass der Bruttolohn von 1316,00€ für eine Vollzeitstelle gilt. Welcher Maximalbetrag bei Teilzeit gilt, ist dort nicht erwähnt. Anders ist es bspw. beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Thüringen, dieser hat in seiner Orientierungshilfe für das Budget für Arbeit schriftlich festgehalten, dass dieser Maximalbetrag bei einer Teilzeitstelle nicht gekürzt wird. Verschiedene Bundesländer, verschiedene Richtlinien...

    Wenn nun ein schwerbehinderter Mensch, dass Budget für Arbeit für eine sozialversicherungspflichtige Teilzeitstelle in Anspruch nehmen sollte und für diese Tätigkeit ein fiktives Gehalt bekommen würde, was den Maximalbetrag/Zuschuss von 1316,00€ brutto ausschöpft, kann dieser sich dann auf das Sozialgesetz berufen, da es eine höhere Gewichtung hat als irgendwelche Präsentationen von Landesbehörden auf ihrer Homepage ?

    Grundsatzfrage. Darf eine Behörde eines Bundeslandes ein Bundesteilhabegesetz/Sozialgesetz zu ungunsten eines schwerbehinderten Menschen auf Landesebene abändern ?

    Laut §61 SGB IX darf durch Landesrecht von dem Prozentsatz der Bezugsgröße nach Satz 2 zweiter Halbsatz nach oben abgewichen werden, also nur eine Verbesserung der fiktiven Situation.


    Vielen Dank für Eure Mühen. :)
  • Liebe/r El Kroeto,


    die meisten Angaben zur wöchentlichen Arbeitszeit gehen lediglich von einer Untergrenze (mind. 15 Std./Woche) aus, weil es sich sonst um eine geringfügige Beschäftigung (§ 8 SGB IV) handelt. Außerdem sollen mit dem Budget für Arbeit keine prekären Beschäftigungsverhältnisse gefördert werden. Nichtsdestotrotz besteht für schwerbehinderte Menschen auch ein Recht auf Teilzeitbeschäftigung (§ 164 Abs. 5 SGB IX). Letztlich richtet sich der Lohnkostenzuschuss nach dem im Arbeitsvertrag vereinbarten Arbeitsentgelt, nicht nach der wöchentlichen Arbeitszeit. Die Leistungsträger sind verpflichtet, unabhängig von den Arbeitsstunden, einen Anteil von bis zu 75 % und max. 40 % der Bezugsgröße zu zahlen. Wenn davon (nach oben) abgewichen werden soll, muss erst ein Landesgesetz dazu erlassen werden. Bei den Angaben auf Webseiten oder in PowerPoint-Präsentationen handelt es sich i.d.R. um Orientierungshilfen für die Verwaltung und nicht um Landesrecht. Aus unserer Studie zum Budget für Arbeit ist uns auch ein Beispiel bekannt, bei dem die Arbeitsstunden für den Lohnkostenzuschuss unerheblich waren.


    Bsp.:

    "Das Budget für Arbeit gilt für Arbeitsverträge mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Wochenstunden." (https://ms.sachsen-anhalt.de/t…igung/budget-fuer-arbeit/)


    "Die Arbeitszeit sollte möglichst 35 bis 40 Stunden betragen, damit die Leistungsberechtigten ihren Lebensunterhalt oder zumindest einen Großteil davon durch eigenes Einkommen bestreiten können. Teilzeit ist möglich. Die Mindeststundenzahl beträgt 15 Stunden pro Woche." (https://www.berlin.de/sen/sozi…reiben/2020_16-960206.php)

  • Aktueller Nachtrag (der Link ist nicht ganz taufrisch.... aber es soll durch den Bundesrat sein 05/23) Bitte also noch mal prüfen, bevor man "randaliert" ;) =>

    Der Lohnkostenzuschuss beim Budget für Arbeit wird nicht mehr auf 40 Prozent des vom Arbeitgeber regelmäßig gezahlten Arbeitsentgeltes begrenzt. Für Arbeitgeber wird es damit attraktiver, Menschen mit Behinderungen über das Budget für Arbeit einzustellen. https://www.bmas.de/DE/Service…en-mit-behinderungen.html