Bedarfe Studierender und Promovierender mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen in der Corona-Krise

  • Hallo Team,

    auf diese unkonkrete Frage, gibt es von mir die unkonkrete Anwort: Ja.

    Wirklich alle Leistungsberechtigten fällt etwas zum Thema Beeinträchtigungen durch Corona ein. Interessanterweise liegt der Schwerpunkt dabei auf dem Verlust/Mangel an sozialen Kontakten - ein Aspekt, der im Rahmen der hochschulischen Bildung völlig vernachlässigt wird - und der nebenbei auch alle "Anderen" betrifft.

    Viele Leistungsberechtigte geben zudem an, dass sie mit den digitalen Formaten - wenn sie denn funktionieren - insgesamt sehr gut zurecht kommen. Klar geht es bei Vielen um Aspekte ala "Wie strukturiere ich mich" und co. Diese Frage ist aber auch bei einer reinen Präsenzlehre für viele gegeben... Klar fällt dies Personen mit körperlichen oder Sinnesbeeinträchtigungen leichter, aber gerade Personen aus dem Bereich sog. "Psychsicher Erkrankungen" und hier insbesondere diejenigen mit "Austimus-Spektrum-Störungen", berichten mir häufig, dass ihnen digital Manches leichter fällt (hier wäre die Frage angebracht, ob wir "deren" Barrieren bisher nicht ausreichend beachtet haben...)


    VG

  • Das entspricht auch unseren Erfahrungen. Für Menschen mit Neurodiversities (positive Affirmation der Autismus Spektrum Störungen und AD(H)S) fallen viele Stressfaktoren wie Lärm, Reizüberflutung (Transmittergewitter) die, den Präsenz Uni Alltag und die Anreise in Grosstädten bisher geprägt hatten, weg. Aber auch Menschen die sich wegen chronischer Erkrankungen zwischen durch medikamentieren oder auch ausruhen /hinlegen müssen oder auf besondere Nahrung angewiesen sind, hat die interaktive digitale Lehre viele Vorteile. Fuer die Zukunft sollten grosse Unis bei Pflichtveranstaltungen in der Lehre auch eine digitale Partizipationsmöglichkeiten anbieten.

  • Unseren Erfahrungen nach, als Mitarbeitende des Büros für die Bedarfe Studierender mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten der Universität Hamburg, sind die Bedarfe sehr heterogen und lassen keine kausalen Schlüsse zu. Wichtig ist, dass möglichst unterschiedliche Möglichkeiten angeboten werden und Studierende Wahlmöglichkeiten haben.


    Die erhöhte räumliche und teilweise zeitliche Flexibilität bietet für einige Studierende mit Beeinträchtigung gute Möglichkeiten spezifische Bedarfe außerhalb des Studiums zu vereinbaren sowie bei Krankheitsphasen, bei denen eine Präsenzteilnahme nicht möglich wäre, trotzdem digital teilzunehmen. Von dieser Flexibilität profitieren generell auch weitere Studierenden(gruppen) wie insbesondere Studierende mit Familienaufgaben.


    Gleichzeitig hat ein Teil der Studierenden mit Beeinträchtigung durch die fehlende örtliche Trennung und die ggf. flexible Zeiteinteilung höhere Probleme bei der Strukturierung. Berichtet wurde auch von höheren Hürden bei rein digitalen Angeboten um beispielsweise Lehrende vor oder nach der Veranstaltung "kurz" anzusprechen. Diese Problematik gilt generell für alle Studierenden, kann sich aber in Wechselwirkungen mit Beeinträchtigungen in erschwertem Maße auswirken.


    An der Universität Hamburg wurde zu den Vor- und Nachteilen digitaler Angebote für Studierende mit Beeinträchtigung eine Studierendenbefragung durchgeführt, die weitere Einblicke ermöglicht und auch die große Heterogenität und teilweise konträren Bedarfe aufzeigt.

    Dr. Susanne Peschke

    Koordinatorin für barrierefreie Dokumente und assistive Technologien in Studium und Lehre

    Universität Hamburg

    Büro für die Belange Studierender mit Behinderungen oder chronischer Krankheiten

  • Die Folgen der Corona-Pandemie haben auf jeden von uns Auswirkungen und so ist es auch nachvollziehbar, dass sich aus der individuellen Wahrnehmung der Studierenden heraus Bearfe verändern und daraus ganz konkrete Fragen zur Umsetzung des jeweiligen Studiums erwachsen. Diese Veränderungen müssen nicht für jede/n zwangsläufig mit "Verschlechterung" zu tun haben. So kann es von einzelnen Studierenden als vorteilhaft angesehen werden, von Zuhause aus am Studiengeschehen teilnehmen zu können. Anderen hingegen fehlt der direkte Kontakt mit anderen Menschen besonders.

    So unterschiedlich sich Menschen auf die veränderte Situiation einstellen mussten und eingestellt haben, so heterogen sind auch die sich daraus ergebenden Änderungen im Bedarf. Diese sind jeweils einer individuellen Betrachtung zuzuführen und führen nahezu immer zu Veränderungen in der Bedarfsdeckung (gleichfalls individuell). Sicherlich gibt es unterschiedliche Wahrnehmungen, ob diese Bedarfsdeckung sachgerecht ist. Studierende, Unterstützende, Hochschulen und Leistungsträger setzen da vermutlich unterschiedliche Prioritäten, weshalb auch bei sich änderenden Bedarfssituationen miteinander Abstimmung sinnvoll ist. Manchmal hilft eine technische, manchmal personelle Unterstützung (z. B. andere, mehr oder weniger). Deshalb ist eine gemeinsame Betrachtung und Kommunikation der beteiligten Akteure in der jeweiligen individuellen Situation wichtig. Es gibt nich nur eine Antwort auf sich änderende Bedarfslagen.


    Marco Winzer

    (BAGüS)

  • In der ersten Phase während Corona waren Bibliotheken geschlossen und Bücher in elektrischer Form waren nicht ausreichend verfügbar.

    Außerdem waren die verfügbaren Beratungssysteme nicht erreichbar.

    Die schnelle Einführung des digitalen Lernens hat dazu geführt, dass der Zugang zu Lernveranstaltungen nicht immer barrierefrei war.

    Der akademische Austausch, was für einige Gruppen Behinderter besonders wichtig ist, ist ausgefallen.

    Dadurch kam es bei Hausarbeiten oder Promotionen zu Verzögerungen.

    Studierende oder Promovierende mit Kindern haben besonders unter der Situation gelitten.

  • Die mit der Corona-Pandemie einhergehenden unterschiedlichen Veränderungen und Einschränkungen haben viele Berufsgruppen vor Herausforderungen gestellt, so auch Wissenschaftler*innen. Dabei waren und sind Wissenschaftler*innen in den Qualifizierungsphasen der Promotion oder Habilitation, die durch beschränkte Befristungsdauern und ein hoch kompetitives und selektives Wissenschaftssystem unter großem Zeit- und Leistungsdruck stehen, von Einschränkungen und Veränderungen aufgrund der Pandemie besonders betroffen. Hierzu zählen – um nur einige Beispiele zu nennen – unter anderem der zusätzliche Aufwand bei der Umstellung von Lehre auf digitale und hybride Formate, Probleme bei Datenerhebungen aufgrund von Kontaktbeschränkungen oder beschränkten Nutzungsmöglichkeiten von Laboren, Archiven etc., erschwerter oder teilweise gar kein Zugang zu Bibliotheken und damit sowohl zu der Literatur als auch zu den dort vorhandenen Arbeitsplätze, eingeschränkte Möglichkeiten des wissenschaftlichen Austauschs, des Netzwerkens und der Präsentation eigener Ergebnisse sowohl im engeren Kolleg*innenkreis als auch in den Fachcommunities und auf wissenschaftlichen Tagungen. Hinzu kommen – wie in anderen beruflichen Bereichen auch – Herausforderungen der Vereinbarkeit von Arbeit und anderen Lebensbereichen im Homeoffice, die besonders Frauen betreffen. Verschiedene Befragungen von Wissenschaftler*innen aus der Zeit der Corona-Pandemie zeigen zudem, dass viele von eingeschränktem Wohlbefinden und erhöhtem Stress- und Einsamkeitserleben berichten. So ist der Bericht zu einer Studie des De Gruyter Verlags beispielsweise überschrieben mit dem Titel „Locked Down, Burned Out“.



    Der Gesetzgeber hat auf die zeitlichen Herausforderungen reagiert, indem mit der „WissZeitVG-Befristungsdauer-Verlängerungs-Verordnung“ (WissBdVV) die zulässige Höchstbefristungsdauer nach § 2 Absatz 1 des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes aus Anlass der COVID-19-Pandemie um bis zu 2 mal 6 Monate verlängert wurde. Allerdings ergibt sich aus der Möglichkeit der Verlängerung noch kein Anrecht auf eine Verlängerung, sodass die betroffenen Wissenschaftler*innen vielfach darauf angewiesen waren, dass ihre Vorgesetzten den Willen und die finanziellen Ressourcen hatten, eine Verlängerung zu ermöglichen. Zudem wird in der Verordnung nicht berücksichtigt, dass bestimmte Personengruppen in verschiedener Hinsicht stärker von der Pandemie betroffen sind als andere. Zwar wurden für Studierende, Promovierende mit Migrationshintergrund, Alleinerziehende, Mütter schulpflichtiger Kinder, pflegende Angehörige etc. Sonder- und Hilfsfonds aufgelegt – nicht jedoch für Wissenschaftler*innen mit Behinderungen.



    Ähnlich wie bei den Studierenden, ergeben sich auch für Promovierende bzw. Wissenschaftler*innen mit Behinderungen teils Vorteile aus den pandemiebedingten Veränderungen, teils aber auch erhebliche Nachteile und zusätzliche Herausforderungen. Vorteile können beispielsweise in verbesserten Teilhabemöglichkeiten an Tagungen oder anderen Veranstaltungen in digitalen Formaten bestehen. Einerseits weil keine Dienstreisen erforderlich sind, die je nach Art der Beeinträchtigung und notwendigen Rahmenbedingungen sehr schwer umsetzbar sein können. Andererseits, weil in gut geplanten und umgesetzten digitalen Veranstaltungen zum Teil eine höhere Barrierefreiheit z. B. für Hörbeeinträchtigte Personen gegeben sein kann, als bei Präsenzveranstaltungen. Zusätzliche Herausforderungen oder Nachteile ergeben sich beispielsweise dadurch, dass viele Menschen mit Behinderungen zu den besonders vulnerablen Personengruppen gehören und daher deutlich existentieller von einer möglichen Infektion bedroht sind. Dies stellt nicht nur eine enorme psychische Belastung dar, sondern erfordert auch, dass diese Personen entsprechend strengere Vorkehrungen treffen müssen und noch stärker in ihren Kontakten und alltäglichen sowie Arbeits-Abläufen eingeschränkt sind. Viele Menschen mit Behinderungen sind zudem auf regelmäßige physiotherapeutische, ergotherapeutische und/oder logopädische Behandlungen angewiesen. Diese unterstützenden, medizinisch notwendigen Behandlungen waren zwischenzeitlich nicht oder nur eingeschränkt möglich und stehen auch aktuell aufgrund von Personalausfällen zum Teil nur eingeschränkt zur Verfügung. Dies bedeutet vielfach, dass Schmerzen entstehen, die die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Für viele Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen stellen zudem die zusätzlichen Belastungen und die soziale Isolation Risikofaktoren für eine Verschlimmerung der gesundheitlichen Situation dar.

    Dr. Jana Bauer, Susanne Groth und Karoline Rhein vom Lehrstuhl für Arbeit und berufliche Rehabilitation der Universität zu Köln setzen gemeinsam das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderte bundesweite Projekt PROMI - Promotion inklusive um (promi.uni-koeln.de).