Bafög/finanzielle Förderung bei Teilzeitstudium

  • Studierende mit bestimmten gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind in akuten Erkrankungsphasen oder grundsätzlich über längere Phase hinweg nicht voll leistungsfähig. Bei einer inklusionsgerechten Reform des Bafög Gesetzes wäre es in Hinblick auf diese Gruppe, die mit einer Schwer Behinderung chronischen Erkrankung studieren will, notwendig ein Teilzeitstudium über Bafög zu finanzieren. Diejenigen Studierenden die aus prekären ökonomischen Verhältnissen kommen, verlieren bisher den Anspruch und die Finanzierung über Bafög und müssen somit oft das Studium abbrechen. Gegenüber chronisch erkrankten /beeinträchtigten Studierende stellt das einen extrem Benachteiligung dar.

  • Soweit ich weiß, kannst du auch nur in Teilzeit leistungsfähig sein, ohne deinen Anspruch auf Ausbildungsförderung zu verlieren. Wichtig ist, dass du die gesamte dir zur Verfügung stehende Energie (ebenfalls kritisch, aber das ignoriere ich hier mal) für dein Studium aufwendest. Wenn du aus objektiver Sicht nur zu z.B. 20% leistungsfähig bist, also nur ein Fünftel des regulären Pensums schaffst, aber nachweisen kannst, dass dir mehr aus schwerwiegenden Gründen - z.B. infolge einer Behinderung - nicht möglich war, ist das in der Regel nicht anspruchsschädlich. Im Zweifel ist es dann auch möglich, für die fünffache Regelstudienzeit gefördert zu werden (!). Aber natürlich bekämst du das niemals ohne Klage durch. Und Klagen muss man finanziell/nervlich erst mal schaffen.


    So viel zur Theorie. Die Praxis gestaltet sich leider etwas anders: Amüsant wird es, wenn das BAföG-Amt die Auswirkungen deiner Behinderung nicht anerkennt und behauptet, die mangelnden Leistungen resultierten daraus, dass du ungeeignet für deine Ausbildung oder schlichtweg faul seist, dass dein ärztlicher Nachweis sich nicht als Nachweis eigne usw. Gerade bei psychischen Erkrankungen ist insbesondere die Ursächlichkeit der Behinderung oftmals unmöglich zweifelsfrei zu beweisen. Und fortbestehende Zweifel wirken sich selbstverständlich zu deinen Ungunsten aus. Im Zweifel erhalten Behinderte dann eben bereits nach zwei Dritteln der Regelstudienzeit kein BAföG mehr, wenn sie infolge ihrer Behinderung den obligatorischen Leistungsnachweis nicht erbringen konnten, das BAföG-Amt aber der Ansicht ist, dass das Nichterbringenkönnen des Leistungsnachweises eigene Schuld sei. (Ja, das passiert, ich spreche aus Erfahrung!)


    Auch wenn es alles andere als toll ist: wenn du offiziell in Teilzeit studierst, greift der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II nicht, so dass du zumindest grundsätzlich ALG II/Hartz IV erhalten kannst.

  • Nehmen Studierende die durch die Hochschule geschaffene Möglichkeit eines Teilzeitstudiums (§ 62a I HG NRW: Die Hochschule soll das Lehrangebot so organisieren, dass das Studium auch als Teilzeitstudium erfolgen kann) in Anspruch, handelt es sich dabei nicht um ein nach dem BAföG förderungsfähiges Studium. Nach § 2 V 1 HS 2 BAföG wird Ausbildungsförderung nur geleistet, wenn die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen voll in Anspruch nimmt. Diesen Anforderungen genügt ein Teilzeitstudium nicht (LSG Hessen, Beschluss vom 15.12.2020 – L 9 AS 535/20 B ER, juris Rn. 25; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.08.2014 – L 18 AS 1672/13, juris Rn. 19; LSG Thüringen, Beschluss vom 15.01.2007 – L 7 AS 1130/06 ER, juris Rn. 23 ff.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 22.12.2003 – 5 B 51/03, juris Rn. 3). Bei § 2 V BAföG greift eine „objektive Betrachtung“ (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.08.2014 – L 18 AS 1672/13; siehe auch Wortlaut des § 2 V 1 HS 2 BAföG „im Allgemeinen“), d.h. entscheidend ist allein, ob das Studium als solches in Vollzeitform durchgeführt wird (BVerwG, Urteil vom 14.12.1994 - 11 C 28/93, juris Rn. 10; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.08.2014 - L 18 AS 1672/13, juris Rn. 19; a.A. andeutend 31. Senat des LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.09.2015 - L 31 AS 2074/15 B ER, juris Rn. 23 f.).


    Es sei aber in dieser Konstellation noch auf Folgendes hingewiesen: Die Rspr. nimmt überwiegend an, dass bei einem Teilzeitstudium Leistungen nach dem SGB II nicht nach § 7 V 1 SGB II ausgeschlossen sind (LSG Hessen, Beschluss vom 15.12.2020 – L 9 AS 535/20 B ER, juris Rn. 21 ff.; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.08.2014 – L 18 AS 1672/13, juris Rn. 16 ff; LSG Thüringen, Beschluss vom 15.01.2007 – L 7 AS 1130/06 ER, juris Rn. 22 ff.; a.A. andeutend 31. Senat des LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.09.2015 - L 31 AS 2074/15 B ER, juris Rn. 23 f.).


    Von Wiss. Mit. Jana Hövelmann

    Prof. Dr. Jörg Ennuschat und Wiss. Mit. Jana Hövelmann

    Ruhr-Universität Bochum

    Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Verwaltungsrecht