Karriere Chancen von sichtbar oder offen "beeinträchtigt" lebenden Hochschulangehörigen

  • "Die beste Karrierechance fuer eine*n sichtbar/ offen behindert lebenden Akademiker*ins ist die des Inklusionsreferenten " war mal ein beliebter Spruch unter diversen Akademiker*innen...

    oder auch die eine Professor*in fuer theoretische Physik, Mathematik, Informatik bzw. Disability Studies, möchte man meinen...:-)

    Ist das heute noch wahr? Gibt es neue empirische Daten über den Karriereverlauf schwer behinderter Wissenschaftler*innen?

  • Leider gibt es aktuell keine repräsentativen Daten zu den Karriereverläufen von Wissenschaftler*innen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen. Auf diese Forschungslücke wurde an verschiedenen Stellen immer wieder hingewiesen. Bereits im ersten Bundesbericht zum Wissenschaftlichen Nachwuchs (BuWin) aus dem Jahr 2008 wurde die „Verbesserung der Informationsbasis über die Situation behinderter bzw. chronisch kranker Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler“ als wichtiger Reformbereich herausgestellt (S. 3). Im nachfolgenden Bericht von 2013 wurde sogar darauf hingewiesen, dass Daten- und Forschungsdefizite hinsichtlich des wissenschaftlichen Nachwuchses mit Behinderungen/chronischen Erkrankungen „mit besonderer Schärfe“ zutage treten (S. 350). Überlegungen hinsichtlich der Schließung der Forschungslücke wurden in diesem zweiten Bericht konkretisiert. Als wichtige zu berücksichtigende Teilaspekte wurden förderliche und hinderliche Faktoren, Karrierewege, strukturelle und einstellungsbedingte Barrieren sowie die Gewährung von Nachteilsausgleichen genannt (aus dem Offenen Brief des PROMI-Projektes zur Schließung der Forschungslücke: https://promi.uni-koeln.de/wp-…sung-Forschungsluecke.pdf ). Dennoch wurden auch in den beiden nachfolgenden Berichten von 2017 und 2021 keine Daten zu Wissenschaftler*innen mit Behinderungen in Qualifizierungsphasen berichtet.



    Für die Zukunft soll durch die Aufnahme verschiedener Aspekte (beeinträchtigter) Gesundheit in Panels der Hochschulforschung (z. B. der National Academics Panel Study, NACAPS) die Datenlage verbessert werden. Allerdings lässt die für NACAPS gewählte Operationalisierung von Behinderungen zu wünschen übrig. Anstatt einer Orientierung beispielsweise an der Erfassung von Behinderungen im Teilhabebericht der Bundesregierung oder den best-Studien des Deutschen Studentenwerks, werden lediglich amtlich anerkannte Behinderungen erfasst. Zudem zielt NACAPS nicht darauf ab möglichst viele Teilnehmende mit Behinderungen zu erreichen oder gar Daten zu erheben, die in Bezug auf das Merkmal Behinderung repräsentativ sind. Es zeichnet sich also ab, dass es auch weiterhin keine repräsentativen Daten zu Promovierenden oder Wissenschaftler*innen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen geben wird. Daher fehlt heute die Grundlage um Karrierewege von Wissenschaftler*innen mit sichtbaren, aber auch mit unsichtbaren Behinderungen und chronischen Erkrankungen nachzuzeichnen und quantitative repräsentative Aussagen über Karrierechancen zu machen.



    Die Forschung zu wissenschaftlichen Karrieren zeigt jedoch, dass es in der Wissenschaft zu strukturellen Benachteiligungen und Chancenungleichheiten kommt, die bisher insbesondere in Bezug auf Gender und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erforscht und diskutiert werden.


    Nicht repräsentative qualitative und quantitative Daten aus dem Projekt PROMI – Promotion inklusive (promi.uni-koeln.de) zeigen, dass Promovieren mit Behinderungen gelingen kann. Allerdings machen sie auch deutlich, dass Absolvent*innen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufgrund struktureller Hindernisse und fehlender Unterstützungskonzepte bisher schwerer Zugang zu Forschung, Wissenschaft und Promotion finden und auch im Promotionsprozess und beim Übergang nach der Promotion häufig Barrieren begegnen. Das Projekt zielt darauf ab, Barrieren auf verschiedenen Ebenen aufzudecken und darauf aufbauend die Reduzierung von Barrieren sowie die Entwicklung nachhaltiger Strukturen und Unterstützungsmöglichkeiten für Promovierende und Wissenschaftler*innen mit (Schwer-)Behinderungen voranzubringen. Neben einer Sammlung von guten Praxisbeispielen inklusiver Strukturen und Rahmenbedingungen für Promovierende mit Behinderungen an Hochschulen (https://promi.uni-koeln.de/good-practice/) entstehen im Rahmen des Projektes Handlungshilfen für Promovierende, Betreuende und Graduierteneinrichtungen.


    Antwort von Jana Bauer, Susanne Groth und Karoline Rhein

    Dr. Jana Bauer, Susanne Groth und Karoline Rhein vom Lehrstuhl für Arbeit und berufliche Rehabilitation der Universität zu Köln setzen gemeinsam das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderte bundesweite Projekt PROMI - Promotion inklusive um (promi.uni-koeln.de).