Wie hier sicherlich einigen Anwesenden bekannt sein wird, stellte das BVerfG bereits mehrfach fest, dass das Existenzminimum unverfügbar sei (Entscheidung (Beispiel)). Die konkrete Ausgestaltung (inkl. der Höhe) des (unverfügbaren) Existenzminimums obliege dem Gesetzgeber und könne durchaus auch unterhalb des ALG-II-Satzes liegen, womöglich auch deutlich darunter. Aber die Verweigerung jedweder monetären und zugleich jedweder sächlichen Leistung, wie sie bei Studierenden, die aus „persönlichen Gründen“ (zu hohes Alter, vermeintlich mangelnde Eignung/mangelnde Leistungsfähigkeit infolge einer nichtberücksichtigten Behinderung usw., wobei der Betroffene für jede Kleinigkeit die Beweispflicht trägt, der zumeist schwer nachzukommen ist) kein BAföG (mehr) erhalten, aber bedürftig oder gar mittellos sind, gegeben ist, dürfte offenkundig als Verstoß gegen das Gewährleistetsein des Existenzminimums zu erkennen ein.
Es erklärt sich von selbst, dass das Existenzminimum nicht gewährleistet sein kann, wenn mir monatlich 0€ und keine Sachleistungen zur Verfügung stehen.
Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II(Link) bedingt, dass für Studierende in abstrakt BAföG-förderfähiger Ausbildung nicht einmal Hartz IV möglich ist, allenfalls (!) als Härtefalldarlehen (→ >10.000€ Schulden pro Jahr). Auch ansonsten existiert keine existenzsichernde Leistung, die – auch behinderte – Studierende, denen trotz Bedürftigkeit BAföG verweigert wird, auffangen könnte.
Dabei wurde seitens des BVerfG hervorgehoben, dass bei (psychisch) Kranken im ALG-II-Bezug besonders genau geprüft werden solle, ob eine (30%-!)Sanktion gerechtfertigt sei. Mir (und sicher vielen anderen) wurden mit dem Wegfall des BAföG bei Nichtvorhandensein (vor Ende der Regelstudienzeit!) einer nachrangigen existenzsichernden Leistung 100% des Existenzminimums irreversibel entzogen. Selbst Wohngeld wäre nicht möglich gewesen, da mein Einkommen zu niedrig (!) war.
Die Versagung jedweder existenzsichernden Leistungen trotz Bedürftigkeit ist bereits grundsätzlich problematisch, bei behinderten Studierenden kommt jedoch hinzu, dass diese oftmals gar nicht oder nur eingeschränkt, d.h. weniger als Nichtbehinderte in der Lage sind, neben ihrem Studium zu arbeiten, sowohl qualitativ – die Bandbreite möglicher Jobs betreffend – als auch quantitativ – das („Neben“)Erwerbstätigkeitspensum betreffend.
So erging es auch mir. Mir wurde das BAföG nach 2/3 der Regelstudienzeit gestrichen, weil das Studentenwerk meine Behinderung nicht als hinreichend schwerwiegend anerkannt hatte, um einen Aufschub des Leistungsnachweises zu gewähren (damals war ich noch nicht anerkannt schwerbehindert, hatte gar keinen GdB und entwickelte gerade erst noch das Bewusstsein dafür, dass ich überhaupt chronisch krank bin). Ein Studienabbruch kam nie infrage. Der Entzug jedweder existenzsichernden Leistung hatte für mich, als erwerbsbeeinträchtigend schwerbehinderte Mittellose, erhebliche negative gesundheitliche Folgen.
Als mir gerade das BAföG gestrichen worden war, bettelte (!) ich beim Jobcenter um Lebensmittelgutscheine (!), erhielt diese aber nicht nur nicht, sondern wurde obendrein noch ausgelacht; ich könne doch einfach mein Studium abbrechen, dann erhielte ich ja Hilfe. Obwohl ich zu dieser Zeit in etwa sieben Monaten über 300 Bewerbungen schrieb und mich auf Jobs bewarb, zu deren Ausübung ich gesundheitlich außerstande war (bestätigt durch Arbeitsunfall!), die also „unzumutbar“ waren, wurde mir jedwede Hilfe verweigert.
Indem bei Studierenden in abstrakt BAföG-förderfähiger Ausbildung per se angenommen wird, dass ihre Ausbildung der Grund dafür sei, dass sie ihren Lebensunterhalt nicht zu sichern vermögen, weswegen ihnen ALG II verweigert wird, finden etwaige andere/die tatsächlichen Gründe dafür, den eigenen Lebensunterhalt nicht sichern zu können, beispielsweise eine behinderungsbedingte Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit, keine Berücksichtigung. Dass man hunderte Bewerbungen schreibt, eine Schwerbehinderung nachweist, usw. machte keinen Unterschied. Kein ALG II, erst bei Studienabbruch oder Urlaubssemester.
Mir enstand dadurch, dass ich monatelang kein Einkommen hatte, ein erheblicher gesundheitlicher Schaden. Ich war akut suizidal, weil ich meine Ausbildung (zu lange Geschichte, um sie hier darzulegen*) niemals abgebrochen hätte bzw. psychisch bedingt nicht hätte abbrechen können. Hätte ich damals schon meine (der Behandlung der meine Behinderung konstituierenden Grunderkrankung dienende) Dauermedikation erhalten, hätte ich meine Rezepte gar nicht einlösen können, da ich mir die Zuzahlung nicht hätte leisten können. Für Lebensmittel habe ich mich bei meinem Partner, der selbst von Elternunterhalt lebte, verschuldet und zusätzlich einen sittenwidrig (20%) verzinsten (!) Kleinkredit aufgenommen.
Die Versagung der Ausbildungsförderung trifft bereits Nichtbehinderte hart. Diese können den dadurch entstehenden Malus aber weitaus besser kompensieren – bei Behinderten führt die Versagung jedweder existenzsichernden Leistungen im Zweifel, gerade dann, wenn Nebenjobs nicht oder nicht in hinreichendem Umfang möglich sind, zu einem Abbruch der Ausbildung.
In besonderem Maße bereitet mir der Umstand Bauchschmerzen, dass selbst (schwer!)behinderte Studierende nicht einmal Sachleistungen erhalten können. Dass man "sanktioniert" wird, weil man z.B. die Auswirkungen der eigenen unsichtbaren Behinderung nicht vollumfänglich nachweisen kann, ist bereits heftig. Dass man im Zwiefel hungern muss und obdachlos wird, wenn man weiter um seine Ausbildung kämpft, ist einfach nur - man entschuldige bitte den Ausrutscher - abartig!
Natürlich, in der Theorie steht einem der Rechtsweg offen! In der Praxis scheitert die Möglichkeit, den Rechtsweg zu gehen, an Geldmangel/Angst vor Schulden, Energiemangel usw., und wenn man den Rechtsweg geht, ist der Erfolg noch lange nicht sicher. Im Zweifel sammelt man zusätzlich zu den unmittelbaren Studienschulden noch Schulden für Prozesskostenhilfe.
Dann kommt noch hinzu, dass die Inkonsistenzen zwischen der BAföG- und der BAB-Förderfähigkeit von Ausbildungen sozialrechtlich motivierte Berufslenkung darstellen könnten.
Dazu ein kleiner Exkurs: Als verkopfter Mensch mit zwei linken Händen entsprächen duale Berufsausbildungen weder meinen Interessen noch meinen Neigungen noch meinen Begabungen. Weder habe ich ein Interesse daran, eine duale Berufsausbildung zu absolvieren, noch könnte die Allgemeinheit dieses Interesse sinnvollerweise haben, weil ich eben 0 Motivation dazu hätte und darin auch nicht begabt bin, was mutmaßlich in schlechte Leistungen mündete. Dass praktische Tätigkeiten mir nicht liegen, habe ich bereits an der Hauptschule, die ich zwangsweise besucht habe, schmerzlich erfahren müssen. Einmal mehr bestätigt hat sich dies in den vielen Jobs, die ich neben meinem Studium ausübte und alle binnen kurzer Zeit wieder verlor, weil ich schlichtweg ungeeignet war.
Im Hochschulkontext könnte ich, seit meine Erkrankungen medikamentös behandelt werden können, (endlich) gute Leistungen erbringen. Allerdings bin ich derzeit gezwungen, „nebenbei“ in Teilzeit erwerbszuarbeiten.
Ich würde recht gerne mein Studienfach wechseln - habe bisher nie das Fach gewechselt. BAföG würde mir jedoch selbst bei (m)einem (ersten!) Fachwechsel verweigert, weil ich bereits seit einigen Jahren – wenngleich ohne BAföG – studiere und für einen etwaigen Wechsel natürlich keinen unabweisbaren Grund vorweisen (können) könnte, u.a. da ich auch für meine bisherige Ausbildung eben fortwährend geeignet bin. In meiner bisherigen Ausbildung spricht man mir die (mind. durchschnittliche) Eignung ja aber ohnehin bereits ab, weshalb ich dafür auch kein BAföG mehr erhalten kann. Dies bedingt, dass ich in keiner hochschulischen und damit in keiner von mir als neigungsgemäß erlebten Ausbildung (Masterstudiengänge ausgenommen – dafür benötigte ich ja aber bereits einen Abschluss, der ohne BAföG aber kaum erlangt werden kann) noch BAföG oder eine andere existenzsichernde Sozialleistung erhalten könnte.
Soweit ich weiß, erstreckt sich dies auch auf schulische Ausbildungen, da auch diese mittels BAföG finanziert würden.
Würde ich hingegen eine duale Berufsausbildung absolvieren, könnte ich Förderung erhalten – nicht mittels BAföG, sondern mittels BAB. Das nicht nur infolge eines Studienabbruches im xten Semester, sondern auch bei mehreren Ausbildungswechseln. Beim Wechsel von einer hochschulischen in eine duale Berufsausbildung ist lediglich ein „wichtiger“ Grund erforderlich, um BAB erhalten zu können, und ein „wichtiger Grund“ könnte vermutlich sogar die mangelnde Finanzierbarkeit einer hochschulischen Ausbildung sein. Ich könnte ggf. sogar mit ALG II aufstocken.
Insofern stehen mir, so ich auf finanzielle Hilfe angewiesen bin, was ich als Behinderte tendenziell eher und stärker bin, faktisch nur noch duale Berufsausbildungen offen, hochschulische nicht mehr. Duale Ausbildungen interessieren mich aber nicht und liegen mir nicht. Der Gesetzgeber drängt mich somit in eine duale Berufsausbildung, "lenkt" quasi meinen beruflichen Werdegang, so dass ich, so ich überhaupt eine Ausbildung absolvieren und währenddessen nicht unter dem Existenzminimum leben müssen möchte, gezwungen bin, auf mein Recht auf eine freie Berufswahl zu verzichten.
Anscheinend drückt sich auch das BVerfG davor, die Frage nach der Einschränkbarkeit des Rechts auf ein Existenzminimum im Kontext des Betreibens einer abstrakt BAföG-förderfähigen Ausbildung zu beantworten. Was nicht verwundert, da ein tatsächlich uneinschränkbares Existenzminimum eine Art "bedürftigkeits(nachweis)abhängiges Grundeinkommen" darstellte.