Welche Erfahrungen bestehen mit dem Budget für Ausbildung?

  • Vielen Dank! Das war genau der Hinweis, der mir noch fehlte! Bisher war ich mir bezüglich der tatsächlichen Verpflichtung noch nicht ganz sicher gewesen. Doch nun habe ich eine Grundlage für die weiteren Verhandlungen mit der Agentur für Arbeit und der Kammer.

  • Ansonsten irriert mich die wiederholte Aussage, dass es nur 5 Fachpraktikerausbildungen geben soll. Beim LVR habe ich eine Liste gefunden, die wesentlich mehr Berufssparten aufzählt:

    https://www.lvr.de/media/wwwlv…Ausbildungsrahmenplne.pdf

    Hallo Michael,


    Sie haben Recht. In der Tat gibt es deutschlandweit mehr als 5 Fachpraktiker-Ausbildungen. Allerdings werden in Hamburg bisher nur fünf solcher Ausbildungen von Bildungsträgern wie dem BBW angeboten.


    Gruß

    Silke Brockerhoff

  • Sehr geehrte Frau Brockerhoff,


    mit dem Zitat aus Kalinas Beitrag (siehe oben) wollten wir noch darauf hinweisen, dass im Bedarfsfall (dieser liegt bei Ihnen vor) neue Fachpraktiker-Ausbildungsgänge geschaffen werden müssen - so ist zumindest die Rechtslage. Wichtig ist, dass Sie einen Antrag stellen müssen, was vermutlich nicht ganz einfach ist. Die Arbeitsvermittlung hat eben meist ein Interesse daran, bestehende Plätze zu vermitteln...


    Mit freundlichen Grüßen

    Tonia Rambausek-Haß

  • Das Budget für Ausbildung wird vergleichsweise selten in Anspruch genommen. Zum einen liegt das wohl daran, dass es eine relativ neue Leistung ist. Zum anderen war das absehbar, da Menschen, die Anspuch auf Leistungen nach §§ 57 (Eingangsverfahren + Berufsbildung) sowie 58 (Arbeitsbereich) SGB IX haben, eher selten die Voraussetzungen für eine Ausbildung, auch wenn sie umfassend gefördert wird, mitbringen.

    Die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (§ 57 SGB IX betreffend) liegen jahresdurchschnittlich bei vier (2020), 19 (2021) und 28 (Januar - März 2022) Inanspruchnahmen. Die Zahlen entstammen einer kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke (20/3217) und der Antwort der Bundesregierung (20/3476). Trotz der vergleichsweise geringen Inanspruchnahme belegen die Zahlen eine relativ zügige Steigerung in kurzerm Zeitraum. Dies spricht dafür, dass die Möglichkeit zunehmend erkannt und genutzt wird. Hier ist es interessant, die weitere Entwicklung zu beobachten.


    Verschiedene Mitglieder der BAG UB begleiten mittlerweile ein Budget für Ausbildung. Das Potential des Budgets für Ausbildung liegt vielleicht weniger in der Menge, aber eben in der individuellen Chance und Inanspruchnahme. Nutzer*innen sind nach Erfahrungen unserer Mitglieder sowohl Menschen mit Lernschwierigkeiten als auch Personen mit psychischen Beeinträchtigungen, für die die Förderleistungen im Budget für Ausbildung eben genau richtig sind. In der Regel sind sie mit einem Berufsbildungsbereich nach § 57 SGB IX gestartet, der in einem Betrieb des allgemeinen Arbeitsmarktes durchgeführt und von einem Fachdienst am Arbeitsplatz begleitet wurde. Im weiteren Verlauf wurde sowohl von Seiten der Person als auch des Betriebes das Potential einer Ausbildung erkannt und schließlich ein Vertrag über ein Budget für Ausbildung abgeschlossen. Eine spätere Anstellung wird angestrebt. An diesen Standorten wird dadurch mehr und mehr von allen Beteiligten erkannt, welche Chancen ein Budget für Ausbildung bieten kann und vom zuständigen Leistungsträger, der hier nun Erfahrungen gesammelt hat, auch empfohlen. In diesem Sinne erfüllt das Budget für Ausbildung neben einer individuellen Chancenerweiterung auch eine wichtige Umsteuerungsfunktion im Rehabilitationssystem.

  • "Das Budget für Ausbildung wird vergleichsweise selten in Anspruch genommen. Zum einen liegt das wohl daran, dass es eine relativ neue Leistung ist. Zum anderen war das absehbar, da Menschen, die Anspuch auf Leistungen nach §§ 57 (Eingangsverfahren + Berufsbildung) sowie 58 (Arbeitsbereich) SGB IX haben, eher selten die Voraussetzungen für eine Ausbildung, auch wenn sie umfassend gefördert wird, mitbringen."


    Hallo Herr Bungart,

    den letzten Teil ihrer Aussage habe ich unterstrichen, denn mich würde interessieren, woran sie diese festmachen?

    Gerade bei jungen Menschen mit psychischen Erkrankungen liegen oftmals die rein formalen für eine Ausbildung, sprich ein qualifizierter Schulabschluss vor, ebenso bei vielen Leistungsberechtigten mit Substanzmittelmissbrauch.

    Ja, oftmals tingeln diese irgendwie durch das System oder schlagen dort erst auf, wenn gar nichts mehr geht, dennoch liegt häufig mehr Potential vor und ebensooft sogar - teilweise - jahrelange berufliche Erfahrung, als bei Menschen mit einem schlechten Förderschulabschluss (Achtung: Den schlechten Abschluss nicht mit Mangel an Kompentenzen verwechseln, oftmals sind hier die rein lebenspraktisch ausgerichteten Curricular die eigentliche Barriere für diese Menschen, die verhindern, dass für eine berufliche Qualifikation notwendiges Wissen zu erworben werden konnte.).

    Die Probleme liegen doch bei den Beschäftigten der WfbM und bei den "Anwärtern" oftmals - zu mind. 10%, also rund 40.000 Menschen - darin, dass erstens keinerlei Wissen über die Möglichkeiten des BfA und BfAus vorliegt und diesen auch nicht aktiv vermittelt wird. Wenn ich überlege, was alles für einen EGH-Antrag vorliegen muss und auf was ich alles hinweisen muss, dann stellt sich für doch eher die Frage, warum bevor die Menschen überhaupt im EV landen, kein verpflichtendes Aufklärungsgespräch zu den genannten Budget erfolgt (in der EU ist die Gurkenkrümmung genormt, aber sowas soll nicht abbildbar sein, insbesondere und gerade bei denjenigen, die die formale Voraussetzung für den Beginn einer Ausbildung oder gar eines Studiums haben?).

    Das zweite Problem liegt darin, dass wir überhaupt kein Interesse haben Menschen schulisch nachzuqualifizieren. Natürlich können wir die die "Nichts" können nicht via Training by Job soweit "fördern", dass sie beiden Inhalten unserer dual aufgestellten Berufsausbildung gleichzeitig adhoc entsprechen können - aber wem sonst muten wir denn sonst zu eine Schulausbildung quasi nachzuholen (falls es dazu überhaupt Angebote gibt, die diesen Punkt mit der Ausbildung verknüpfen) und gleichzeitig eine Ausbildung zu absolvieren. Da sind wieder doch wieder direkt im Denken, der "Geförderte" uss dem Allgemeinen entsprechen - früher dauerte eine Ausbildung übrigens 7 Jahre!

    Bei uns gibt es m.W. nach die einzige schulische Qualifikationseinrichtung für substanzmittelabhängige Menschen bundesweit. Ja, die haben erhebliche Abbruchzahlen, aber sie eröffnen Möglichkeiten. Diese Einrichtung gibt seit 50 Jahren - aber wenn man die ca. 30 Abgänger pro Jahr mit etwa 2000 Drogentoten ins Verhältnis setzt, also 30 Chancen zu 2000 Nichtchancen, fragt man sich vieles nicht mehr (wohlgemerkt eine Einrichtung bundesweit), nur noch, warum viele Maßnahmenteilnehmer teilweise 500-600km von Zuhause hier ihre Schulausbildung nachholen...


    VG

  • Guten Tag Michael,


    vielen Dank für Ihre Nachfrage. Sie haben Recht, an diesem Punkt war ich in der Kürze unpräzise.


    Natürlich gibt es Personen in WfbM oder im Aufnahmeverfahren zur WfbM, die die formalen Voraussetzungen für eine Ausbildung mitbringen. Ein gewisser Anteil der WfbM Beschäftigten waren auch zuvor auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig und bringt hierüber (zusätzlich) betriebliche Erfahrungen mit.


    Was ich meinte, sind die individuell-aktuellen Voraussetzungen, d.h. ungeachtet formaler Grundlagen, ob jemand "wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden kann" (§ 219 SGB IX). Daher gab es im Vorfeld der gesetzlichen Verankerung des Budgets für Ausbildung auch eine Diskussion darüber, wer davon profitieren kann und ob es überhaupt die passende Leistung in diesem Rechtsstatus ist (eine Diskussion, die ja auch hier noch geführt wird). Mittlerweile liegen zum individuellen Nutzen erste Erfahrungen vor, die ich in meiner Aussage oben kurz beschrieben habe.


    Ich gehe, wie Sie, davon aus, dass oftmals das Wissen um die Möglichkeiten eines Budgets für Arbeit/Ausbildung bei den WfbM Beschäftigten bzw. "Anwärter*innen" fehlt. Dies wurde auch von anderen Diskussionsteilnehmenden hier erwähnt. Hier müsste viel mehr Information und Aufklärung erfolgen. Ob sich das gesetzlich (besser) regeln lässt, kann ich nicht beurteilen. Im Prinzip ist das im (Gesamt-)Teilhabeplanverfahren zu leisten. Das läuft nach meiner Kenntnis leider (noch) nicht überall im Sinne der Personenzentrierung.


    Interessant wurd es auch sein, wei es nach erfolgreichem Abschluss eines Budgets für Ausbildung weiter geht. Die Bundesagentur für Arbeit verweist in ihren Fachlichen Weisungen grundsätzlich auf zwei Möglichkeiten [Punkt 7 (1)]: https://www.arbeitsagentur.de/…eschaftigung_ba146221.pdf


    "Die Zielsetzung ist, im Anschluss eine Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt zu realisieren. Dabei ist ungewiss, ob regelmäßig ein Übergang in ein voll-sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis gelingt oder eine Anschlussförderung z. B. mit dem Budget für Arbeit erforderlich wird. Die Prozesse der Teilhabeplanung (siehe Fachliche Weisung zu § 19 SGB IX) sollen deshalb auch bei der Förderung eines Budgets für Ausbildung analog denen des Eingangsverfahrens/Berufsbildungsbereiches gestaltet werden. D. h. der zuständige Träger der Eingliederungshilfe ist gem. § 15 Abs. 2 SGB IX von Anfang an zu beteiligen."


    Kaum bekannt ist offenbar, wie ein Budget für Ausbildung aus dem Arbeitsbereich nach § 58 SGB IX heraus genutzt wird. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträger (BAGüS) hat meines Wissens nach auch noch keine erweiterten Empfehlungen hierzu vorgelegt. Das wäre aus Sicht der BAG UB aber dringend erforderlich, denn wo Unklarheit besteht, ist zumeist auch der Zugang erschwert. In diesem Bereich benötigten wir unbedingt (weitere) Erkenntnisse udn Handlungsanweisungen der zuständigen Leistungsträger.


    Vorschläge wie das Budget für Arbeit/Ausbildung aus Sicht der BAG UB weiter zu entwickeln wären, habe ich unter "Was braucht es noch?" gemacht.


    Beste Grüße