Soziale Sicherung im Budget für Arbeit

    • Offizieller Beitrag

    Dem Budget für Arbeit liegt ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zugrunde. Wir möchten mit Ihnen Fragen und Erfahrungen zur sozialen Absicherung diskutieren:

    • Wie sind Leistungsberechtigte mit einem Budget für Arbeit im Falle von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit sozial abgesichert?
    • Und wie sind sie im Falle von Kurzarbeit sozial abgesichert?

    (Dies ist ein Impuls des Teams.)

  • Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass es keine Probleme mit krankheitsbedingten Ausfällen sowohl für Budgetnehmer, als auch für den Arbeitgeber gab.

    Da es sich beim Budget für Arbeit um einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz handelt und Beiträge zur Krankenversicherung abgeführt werden, bestand für den Budgetnehmer ein Anspruch auf Krankengeld (bei Krankschreibung über 6 Wochen hinaus).

    Im Falle der Kurzarbeit wird die Situation kompliziert und gestaltet sich problematisch. Budgetnehmer sind trotz Beschäftigung auf einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz von der Arbeitslosenversicherung ausgeschlossen. Begründet wurde der Ausschluss mit dem Rückkehrrecht in die WfbM beim Scheitern des Arbeitsverhältnisses. Im Fall der Kurzarbeit können wir jedoch nicht vom Scheitern sprechen...Dieser Punkt sollte aus unserer Sicht auf jeden Fall überarbeitet werden.

    Gehört habe ich von Zwischenlösungen, die in Kooperation mit den Kostenträgern erarbeitet wurden, um den Budgetnehmern eine Weiterbeschäftigung zu ermöglichen. Vielleicht hat jemand Erfahrungen oder Beispiele für solche Kooperationen/Lösungen?

  • Als Teilhabeberaterin denke ich, dass der Ausschluss aus der Arbeitslosenversicherung für viele Ratsuchende eine große Hürde darstellt, da sie damit gegenüber ihren Kolleg*innen (trotz Diskriminierungsverbotes) schlechter gestellt werden. Und die Pandemie hat ja erst kürzlich gezeigt wie schnell Menschen mit Behinderung, die erfolgreich über das Budget für Arbeit sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren, wieder zurück in die Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) mussten, weil sie keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld hatten. Von den erwähnten in Kooperation erarbeiteten Zwischenlösungen habe ich leider nichts gehört. Diese würden mich aber auch sehr interessieren :)

  • Kurzarbeitergeld


    Wir im Integrationsfachdienst erleben immer wieder, dass die Komplexität der Definition des Status „voll erwerbsgemindert“ eine umfassende Beratung der Leistungsberechtigten fordert. Dabei lässt sich aus der Praxis beobachten, dass die fehlende Gleichstellung mit voll erwerbsfähigen Personen im Bereich des Kurzarbeitergeldes für einige Leistungsberechtigte Hürden auf dem Weg in ein Budget für Arbeit darstellen.

    Gehört habe ich von Zwischenlösungen, die in Kooperation mit den Kostenträgern erarbeitet wurden, um den Budgetnehmern eine Weiterbeschäftigung zu ermöglichen. Vielleicht hat jemand Erfahrungen oder Beispiele für solche Kooperationen/Lösungen?

    Aus unserer Erfahrung heraus lässt sich sagen, dass einige Budgetnehmende in den Anfängen der Corona-Zeit von Kurzarbeit betroffen waren. Dennoch konnten in laufenden Arbeitsverhältnissen in einigen Fällen kreative Lösungen gefunden werden. Einige Arbeitgebende haben sich dazu entschieden, Budgetnehmende beispielsweise trotz weniger/keiner Arbeit im Betrieb einzusetzen/umzusetzen oder auch freigestellt. Es ist ein Entgegenkommen einiger Arbeitgeber*innen gewesen, Budgetnehmenden im Falle einer Freistellung das Gehalt weiterhin in voller Höhe zu zahlen.


    Auch mit der Eingliederungshilfe konnte über Lösungen gesprochen werden. Das Vorhandensein des sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses begründet weiterhin den Anspruch auf das „Budget für Arbeit“. Dadurch, dass der Arbeitsvertrag weiterhin besteht, ist in den meisten Fällen der Lohnkostenzuschuss in vollem Umfang an den Arbeitgeber weiter geflossen. Im Einzelfall sind Aufwendungen für Anleitung und Begleitung jedoch weggefallen. Somit konnten einige Arbeitsverhältnisse – trotz fehlendem Anspruch auf Kurzarbeitergeld - gesichert werden.


    Einige Budgetnehmende würden bei Kurzarbeit in die Situation kommen, ergänzend Grundsicherung zu beantragen. Dies ist in der Praxis mit deutlich viel Mehraufwand und Risiken seitens der Leistungsberechtigten verbunden, als beim Kurzarbeitergeld. Zudem ist darauf zu achten, Budgetnehmer*innen an entsprechende Stellen wie das Sozialamt weiterzuleiten, damit sie die passenden Sozialleistungen beantragen.


    Hanna Milde, Integrationsfachdienst Osnabrück

  • Krankengeld


    In Bezug auf das Krankengeld würde ich gerne noch eine Erfahrung teilen:


    Ich habe einen Budgetnehmer begleitet, der eine volle Erwerbsminderungrente bekommt und daher nur einen geringen Stundenanteil (15 Std./Woche) über das „Budget für Arbeit arbeitet, nennen wir ihn Herrn S.


    Herr S. ist dann langfristig erkrankt. Bis zum Ende der sechsten Woche hat Herr S. ganz regulär vom Arbeitgeber eine Lohnfortzahlung bekommen. Herr S. wollte nun Krankengeld beantragen. Die Krankenkasse habe ihm die Rückmeldung gegeben, dass er aufgrund seiner Erwerbsminderungsrente kein Krankengeld bekommen würde.


    Wir haben uns dann die Frage gestellt, ob dies so korrekt sei, da Herr S.


    1. zwar Rentenbezieher ist und somit nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V keinen Anspruch auf Krankengeld hat


    jedoch


    2. mit dem Budget für Arbeit sozialversicherungspflichtig arbeitet und somit auch Beiträge in die Krankenversicherung einzahlt.


    Für uns standen diese beiden Fakten zunächst im Widerspruch. Herr S. ist einerseits voll erwerbsgemindert und steht dem Arbeitsmarkt theoretisch nicht zur Verfügung, andererseits arbeitet er sozialversicherungspflichtig und zahlt Beiträge, die in einem solchen Fall greifen müssten.


    In der Recherche kamen wir dann zu folgendem Ergebnis:

    In der Praxis ist es tatsächlich so, dass gem. § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V Bezieher*innen von Rente wegen voller Erwerbsminderung keinen Anspruch auf Krankengeld haben.


    Sowohl das Krankengeld nach SGB V als auch die Rente nach SGB VI dienen dem Zweck der weiteren Sicherstellung des Lebensunterhalts bei Wegfall der Arbeitsfähigkeit und sind beides Sozialleistungen.

    Insofern erhalten Rentenbezieher*innen kein Krankengeld. Dies würde ansonsten einer Doppelversorgung gleich kommen.


    Hanna Milde, Integrationsfachdienst Osnabrück

  • Während des ersten Lockdowns im April 2020 gab es hinsichtlich der Budget für Arbeit-Beschäftigten in der Tat ein Problem.

    Alle Unternehmen meldeten Kurzarbeit an, bis man feststellte, das dieses Instrument für die Personen nach § 61 SGB IX nicht greift. Gleichzeit wurden in Rheinland-Pfalz die Werkstätten geschlossen, diese waren bis dahin den Budgetnehmer/innen als "Rückzugsort & Auffangbecken" genannt worden. Da gab es dann auch nichts. Die Arbeitgeber mussten also Löhne zahlen und schauen, ob Sie nicht doch irgendwo Arbeit haben, die gemacht werden kann.

    KUG sowie andere Leistungen der Agentur gibt es nach wie vor für diese Personen nicht.


    Hinsichtlich Krankengeld sind mir keine Negativmeldungen bekannt, dass der Personenkreis keinen Zugang hätte. Die Erklärung von Fr. Milde erscheint mir aber plausibel.

  • Der Umstand, auf den Frau Milde in ihrem letzten Post hinweist, sollte man nicht unschätzen! Gerade bei Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen ist es oftmals so, dass sie doch desöfteren mal länger ausfallen, weil sie stationär versorgt werden müssen. Die Lohnfortzahlung endet aber nicht nach 6 Wochen AU am Stück, sondern nach 6 Wochen AU mit der gleichen Erkrankung in 12 Monaten. Wer also im Februar 4 Wochen wg. einer psychiatrischen Erkrankung (nehmen wir mal eine F20 oder F30-Diagnose, wo dies häufiger vorkommen kann) AU war und dann Mitte Dezember bis Ende Januar, dem fehlen dann direkt 4 Wochen Lohnfortzahlung, ferner hat er sein "Kontingent" im 2. Jahr bis Mitte Dezember schon aufgebraucht - soweit zumindest mein Kenntnisstand.


    VG

  • Saison-Kurzarbeitergeld


    Wie bereits meine Kollegin Frau Milde geschildert hat, sind gerade im Bereich Kurzarbeitergeld häufig kreative Lösungen der Beteiligten gefragt. Das gilt auch für Budgetnehmende, die z. B. im Hoch-/Tiefbau arbeiten. Aufgrund des Wetters kommt es in diesen Betrieben ja oft zu "Schlechtwettergeld"/Saison-Kurzarbeitergeld. Für Mitarbeiter*innen mit dem Budget für Arbeit können Unternehmen diese Leistung ebenfalls nicht beantragen.

    Bei Arbeitsverhältnissen in diesen Branchen kann es sinnvoll sein, dass Budgetnehmende im Betrieb in Schlechtwetterphasen andere Tätigkeiten übernehmen und umgesetzt werden. Somit können unter Umständen finanzielle Einbußen für die Budgetnehmenden vermieden werden. Auch hier ist eine möglichst frühzeitige Absprache zwischen allen Beteiligten ratsam.


    Oscar Hubrich, Integrationsfachdienst Osnabrück

  • Hallo Herr Hubrich,


    das soll jetzt nicht zynisch klingen, aber: Die Beschäftigten, die ein BfA beziehen, müssen also sich an eine andere Arbeitsstruktur gewöhnen (können), während die Kollegen zuhause bleiben? Das klingt für mich nicht unbedingt nach einer passgenauen Unterstützungsleistung...andererseits ist es auch eine Möglichkeit die "Dunkelphase", welche in der WfbM zwischen Ende November und Ende Januar ansteht (wörtliches Zitat: "Immer muss ich 'Mensch-ärgere-dich-nicht-spielen") zu überbrücken - wenn sie es denn können!

    Gerade bei Menschen, die auf ein hohes Maß an Struktur angewiesen sind ("Paranoide Schzophrenie", Down Syndrom oder aus dem Autismus-Spektrum), stelle ich mir dies aber als hochgradig herausfordernd vor.

    Was sind da ihre Erfahrungswerte? Führt diese Regelung zu erneuter Benachteiligung oder sind solche "Personenkreise" bisher gar nicht erfasst?


    VG

  • Hallo "Michael",


    tatsächlich ist an dieser Stelle ([Saison-]Kurzarbeitergeld) eine fehlende Gleichstellung der Menschen auf Arbeitsplätzen mit Budget für Arbeit auszumachen. Wichtig ist, dass Menschen, die diese Arbeitsverhältnisse antreten im Vorfeld dazu genau beraten sind und wissen, worauf sie sich einlassen. Häufig sind Praktika im Voraus auch über diese Zeiträume gewesen, dennoch ändert sich die Situation für Unternehmen und Arbeitnehmer*in. Alle (auch z. B. rechtliche Betreuung) sollten mögliche Konsequenzen im Voraus wissen.

    Wir geben diese Hinweise natürlich auch übergeordnet an die zuständigen Stellen weiter und weisen auf den Anpassungsbedarf hin.


    Wie Sie bereits geschrieben haben, ist diese Situation unter anderem für den von Ihnen benannten Personenkreis "herausfordernd" und zuweilen unglücklich. In den Arbeitsverhältnissen mit (Saison-)Kurzarbeitergeld hat es in den meisten Fällen geklappt, dass diese bestehen bleiben. Notwendig sind hierzu die Kommunikation zwischen allen Beteiligten und Kreativität gewesen.


    Nichtsdestotrotz ist eine Anpassung an dieser Stelle wünschenswert, um Budgetnehmende auch in dieser Hinsicht anderen Arbeitnehmenden gleichzustellen.


    Freundliche Grüße

    Oscar Hubrich, Integrationsfachdienst Osnabrück

  • Ich empfinde den Ausschluss der Arbeitslosenversicherung als ausgesprochen schwierig und die Argumentation, schon im Gesetzgebungsverfahren, als zynisch: "Na, die können ja jederzeit zurück in die WfbM!" Und wenn sie nie in einer waren? Denn das ist ja nicht Voraussetzung, sondern nur die grundsätzliche Anspruchsberechtigung. Ziel sollte es doch eigentlich sein, dass junge Menschen mit Behinderung ihren Weg in den ersten Arbeitsmarkt finden, ohne erst einmal in einer WfbM verschwinden zu müssen.