Budget für Ausbildung – was braucht es noch?

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Diskussionsteilnehmende,

    wir freuen uns über Ihren regen Informations- und Erfahrungsaustausch. Dabei haben Sie teilweise schon Verbesserungsbedarfe zum Budget für Ausbildung aber auch Barrieren aufgezeigt. Auch der bisher berechtigte Personenkreis wurde von Ihnen angesprochen.


    Jörg Ebert äußerte sich insbesondere zu Anspruchsberechtigten mit Dolmetschungsbedarf:

    Für die jeweils Betroffenen ist es sehr schwierig, insbesondere mit Schwierigkeiten in der Kommunikation, den Dschungel der Zuständigkeiten zu durchdringen. Eine berechtigte, selbstbestimmte Teilhabe ist mit den Voraussetzungen nicht möglich.

    Weitere Äußerungen waren:

    Womit wir wieder bei dem Problem sind, dass der Kreis der Anspruchsberechtigten auf ein Budget für Ausbildung viel zu eng gefasst ist. So werden Menschen mit Behinderung, denen das BTG erforderliche Leistungen zur Teilhabe an Arbeit zuspricht, von ebendiesen Leistungen wieder ausgeschlossen.

    nach unseren Erfahrungen in der Teilhabeberatung kommt - zumindest in BW - für die Zielgruppe in der Regel eher die Kooperative Berufliche Bildung und Vorbereitung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt (KoBV) in Frage.

    Wir möchten mit Ihnen an dieser Stelle vertiefend Ideen und Möglichkeiten der Umsetzung diskutieren, die eine Nutzung des Budgets für Ausbildung verbessern könnten. Gerne auch als Hinweis an die Politik oder Forschung.


    (Dies ist ein Impuls vom Team)

  • Damit das Budget für Ausbildung (genauso wie das Budget für Arbeit) erfolgreich etabliert werden kann, braucht es meiner Einschätzung nach ein großes bundesweit angelegtes Projekt. Akteure im Bereich der beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderung sollten sich für die Umsetzung des Projektes bewerben können, das folgende Aspekte beinhalten sollte:

    1. Ressourcenanalyse

    2. Vermittlung von Praktikas in gewünschten Berufsfeldern (+ Begleitung einer festen Fachkraft, die als Ansprechperson fungiert)

    3. Anbahnung von Ausbildungs- bzw. Fachpraktikerplätzen und Arbeitsplätzen

    4. Begleitung und Unterstützung während der Fachpraktiker/-ausbildung und der ersten Zeit in Beschäftigung

    -> wobei im Bezug auf das Budget für Ausbildung für mich nach wie vor die Schwierigkeit besteht, wie theoriereduzierte Ausbildungen und Fachpraktikerausbildungen gestaltet werden können, dass a.) die individuellen Berufswünsche realisiert werden können (jenseits von Gartenbau, Küche etc.) und b.) die Zielgruppe schließlich erfolgreich einen Berufsabschluss erreicht

    Währenddessen sind natürlich Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit und das knüpfen eines Netzwerkes von Unterstützer*innen, Leistungsträgern, Handwerkskammern und potenziellen Betrieben sehr wichtig. Außerdem sollten die bereits erwähnten Schwächen ausgeräumt werden, wie bspw. die fehlende Arbeitslosenversicherung und die Voraussetzung einen Berufsbildungsbereich durchlaufen zu haben (egal ob über das Persönliche Budget oder in einer WfbM).

    Natürlich ist das jetzt sehr vereinfacht/verkürzt dargestellt und stellt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Meiner Meinung nach braucht es aber eben ein groß angelegtes Projekt, ausgestattet mit den nötigen finanziellen Mitteln, damit mehr Leistungsberechtigte vom Budget für Ausbildung/Arbeit profitieren und diese Alternativen zu den Werkstätten, genauso bekannt werden und irgendwann genauso etabliert sind wie die Werkstätten.


    EDIT: Ganz entscheidend ist natürlich auch, dass bei der Antragstellung unterstützt und hierzu beraten wird, bspw. auch, was es darüber hinaus evtl. für Hilfen braucht (technische Arbeitshilfen, Hilfsmittel etc.).

  • Nach Informationen unserer Mitglieder gibt es verschiedene Hürden in der Praxis wie lange und komplexe Beantragungsverfahren sowie die Kooperation mit Kammern und Berufsschulen und deren Erreichbarkeit. Zum Teil scheitern daran Abschlüsse über ein Budget für Ausbildung, obwohl ein ausbildungsbereiter Betrieb vorhanden ist. Diese Strukturen und Verfahrenwege sind unbedingt zu verbessern.


    Grundsätzlich:


    Beim Budget für Ausbildung wird ausschließlich eine betriebliche Erstausbildung gefördert. Für manche Menschen mit Behinderungen, die bereits eine Erstausbildung abgeschlossen haben, diese jedoch behinderungsbedingt nicht mehr nutzen können, ist es von Bedeutung bei Bedarf eine weitere Ausbildung gefördert zu bekommen.

    Zudem zielt das Budget für Ausbildung ausschließlich auf den Abschluss in Regel- und Fachpraktikerberufen ab. Dies bleibt jedoch für viele Werkstattbeschäftigte nach wie vor nicht erreichbar. Sie bleiben daher von einer formal-beruflichen Anerkennung ihrer erworbenen Kompetenzen weiterhin ausgeschlossen. BAG UB und Partner erproben im vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderten Projekt TalentPASS (https://talent-pass.de/) erfolgreich Verfahren, auch unterhalb von Regel- und Fachpraktikerabschlüssen, informell erworbene Kompetenzen zu zertifizieren.


    Beide Aspekte sollten nach Auffassung der BAG UB gesetzlich erweitert geregelt werden.

  • Budget für Ausbildung – Was braucht es noch?


    Grundsätzlich handelt es sich beim Budget für Ausbildung um ein Leistungsangebot um die Teilhabe am Arbeitsleben von Menschen mit Behinderung zu verbessern. Allerdings bedarf es meiner Meinung nach einer „Nachjustierung“ bzw. Anpassung des Gesetztes und dieses Ziel auch erreichen zu können. Deswegen möchte ich mich gerne mit einigen Punkten/Ergänzungen Frau Kraus und Herrn Bungart.


    Eingrenzung des berechtigten Personenkreises

    Eine Erweiterung des berechtigten Personenkreises wäre sinnvoll, damit auch Menschen, die als arbeitsfähig für den allgemeinen Arbeitsmarkt aber nicht als ausbildungsfähig gelten, anspruchsberechtigt sind.


    Fachpraktiker Ausbildungen

    Für die Zielgruppe werden größtenteils theoriereduzierte Ausbildungen, die so genannten Fachpraktiker*in beziehungsweise Helfer*in Ausbildungen in Frage kommen. Hier ist das Problem, dass diese „bisher durch die länderrechtlichen und regionalen Regelungen der einzelnen Kammern bestimmt werden“ (https://www.cbp.caritas.de/der…arbeit-und-soziales-2c71a). Dadurch unterscheiden sich oft die Beschreibung und Dauer der Ausbildungen und es kann zu unterschiedlichen Abschlussbezeichnungen der Ausbildungsberufe je nach zuständiger Kammer kommen (vgl. ebd.). Hinzukommend gibt es nicht für jede Vollausbildung eine angepasste theoriereduzierte Ausbildung, beziehungsweise sind nicht alle Fachpraktiker*in - Ausbildungen in jedem Bundesland anerkannt oder erlassen. Dies grenzt die Berufswahl für die Budgetnehmenden erneut ein. Hier besteht Handlungsbedarf.


    Nur anerkannte Ausbildungsberufe und Erstausbildungen

    Eine weitere Barriere stellt die Gefahr einer Überforderung dar, dadurch das der Großteil der anspruchsberechtigten Personen aufgrund kognitiver Einschränkungen keine anerkannte Berufsausbildung absolvieren kann. Durch eine Erweiterung des Anwendungsbereiches z.B. auch auf Teilausbildungen, modulare Ausbildungen sowie Fort- und Weiterbildungen wäre es mehr Menschen mit Behinderung möglich, sich beruflich zu qualifizieren.


    Unzureichende Information und Beratung der Budgetnehmenden, der Betriebe, der zuständigen Kammern und der Berufsschulen

    Die Benennung beziehungsweise Finanzierung von mehr Modellprojekten oder von festen Beratungsstellen wäre ein wichtiger Schritt, um relevante Akteur*innen entsprechend zu informieren und zu beraten. Die Fachstelle könnte entsprechend zwischen den Kammern, der Berufsschule, dem Betrieb, dem Jugendlichen sowie dem Kostenträger vernetzen.


    Bildungssystem

    Die Form der beruflichen Bildung insbesondere die Unterrichtsformen sollten überdacht werden. Die Berufsschulen sollten vermehrte Informationen und Fortbildungen über die Bedarfe der neuen Zielgruppe erhalten, um einen differenzierten Unterricht ermöglichen zu können und den schulischen Teil der Berufsausbildung auch inklusiv und bedarfsgerecht zu gestalten.


    Antragstellung

    Um der Kritik der unzureichenden Transparenz und aufwendigen Bürokratie entgegenzuwirken, sollte ein vereinheitlichtes Antragsformular erstellt und die Zuständigkeiten geklärt werden. Es sollte ein fester Kostensatz eingeführt, ein Prozess zur erfolgreichen Antragstellung formuliert und nach diesem Standard gearbeitet werden.

  • Ich denke, das was Frau Smits schreibt:

    Durch eine Erweiterung des Anwendungsbereiches z.B. auch auf Teilausbildungen, modulare Ausbildungen sowie Fort- und Weiterbildungen wäre es mehr Menschen mit Behinderung möglich, sich beruflich zu qualifizieren.

    ist sehr wichtig.

    Denn sonst ist die Aussage "Das Budget für Ausbildung ist für ALLE Menschen mit Behinderung, die eine Werkstattberechtigung haben, offen" (ja, leider habe ich diesen Satz auf diversen Veranstaltungen gehört) schlicht und einfach eine Lüge.

  • Hier wurden bereits alle wesentlichen Knackpunkte, die den bisherigen Erfolg eines gut gemeinten jedoch zu zaghaft umgesetzten Instruments verhindern, ausgeführt. Vor allem die bisherige Einengung der Zielgruppe zeigt, wie mutlos der Gesetzgeber bisher die Übergänge von Menschen mit Behinderungen in Beschäftigung angegangen ist. Die Weiterentwicklung des "Budget für Arbeit/Ausbildung" zu einem "Budget für Bildung" für alle Menschen mit Behinderung - unabhängig welchem Rechtskreis sie zugeordnet sind - muss in dieser Legislaturperiode endlich kommen. Damit die hier in den Beiträgen geforderten flexiblen und modularen Qualifizierungsangebote flächendeckend entstehen können.


    Tendenzen, wie sie aus einigen Bundesländern jetzt zu hören sind, das "Budget für Arbeit/Ausbildung" in die Ausschreibung zu bringen, müssen unbedingt verhindert werden. Das ist der Anfang vom Ende einer individuellen und passgenauen Förderung von Menschen mit Behinderungen.

  • Hallo Frau Ergin,


    ich habe mich entschieden, ihrem Beitrag nicht zuzustimmen:

    "Vor allem die bisherige Einengung der Zielgruppe zeigt, wie mutlos der Gesetzgeber bisher die Übergänge von Menschen mit Behinderungen in Beschäftigung angegangen ist. Die Weiterentwicklung des "Budget für Arbeit/Ausbildung" zu einem "Budget für Bildung" für alle Menschen mit Behinderung - unabhängig welchem Rechtskreis sie zugeordnet sind - muss in dieser Legislaturperiode endlich kommen. Damit die hier in den Beiträgen geforderten flexiblen und modularen Qualifizierungsangebote flächendeckend entstehen können."


    Lassen sie mich dies bitte ausführen:

    Die von ihnen beschriebenen Probleme bei der Einengung der Tielgruppe für das Arbeits-, resp. Ausbildungsbudget sehe ich auch, das hat aber m.E. erstmal im ersten Schritt etwas mit Planlosigkeit zu tun. Zynisch könnte man erwarten, dass spätestens nach der 2. Evaluation irgendwas mit Budget für A und Aus plus oder besonders gutes Arbeitsbudget dabei herauskommt, ggf. mal wieder verknüpft mit unklaren Worthülsen oder Anglizismen (ich freu mich schon auf diesen Konstruktionen, mit genügend Abstand kann man das dann auch genießen).

    Besonders planlos ist, dass wir mittlerweile soviele Angebote haben, die sich inhaltlich aber immer auf dem selben kleinen Spielplatz befinden und nichts ist weniger zielführend als Variante A zu spiegeln und zu sagen: Jetzt wird alles besser, weil wir es andersherum betrachtet haben.

    Mutig wäre gewesen, wenn man mal über einen großen Schritt nachgedacht hätte, nämlich indem man die komplette Arbeitsthematik aus dem SGB IX herausgelöst hätte.


    In Artikel 27 der UN-BRK steht:


    "Die Vertragsstaaten sichern und fördern die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit, einschließlich
    für Menschen, die während der Beschäftigung eine Behinderung erwerben, durch geeignete
    Schritte, einschließlich des Erlasses von Rechtsvorschriften...

    d) Menschen mit Behinderungen wirksamen Zugang zu allgemeinen fachlichen und
    beruflichen Beratungsprogrammen, Stellenvermittlung sowie Berufsausbildung und Weiterbildung zu ermöglichen;

    e) für Menschen mit Behinderungen Beschäftigungsmöglichkeiten und beruflichen Aufstieg auf dem Arbeitsmarkt sowie die Unterstützung bei der Arbeitssuche, beim Erhalt und der Beibehaltung eines Arbeitsplatzes und beim beruflichen Wiedereinstieg zu fördern...

    h) die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen im privaten Sektor durch geeignete Strategien und Maßnahmen zu fördern, wozu auch Programme für positive Maßnahmen, Anreize und andere Maßnahmen gehören können..." (Unterstreichung von mir).


    Ich kann mir nicht vorstellen, dass damit gemeint war, dass erst eine spezialisierte Unterstützung - bei uns aus dem SGB IX - installiert werden sollte, damit man Zugang zu den Arbeitsmaßnahmen bekommt - das würde der Denke der UN-BRK m.E. nicht entsprechen. Andererseits haben wir diese Phänomen in der EGH andauernd, etwa beim Betreuten Wohnen. Ich ermittele ständig Bedarfe, damit die Leistungsberechtigten eine Chance auf einen Zugang zu Leistungen haben, die eigentlich der EGH vorrangig sind - Bearbeitung von Post und Behördenangelegenheiten (gab's da nicht irgendwo einen Passus, dass "Amtpost" so formuliert werden muss, dass sie für den Empfänger nachvollziehbar hinsichtlichdes Inhalts ist?), ein weiterer Punkt ist der Zugang zu Leistungen der medizinischen Versorgung, zu Leistungen der DRV, zu Leistungen aus dem SGB XI und XII (okay, die Pflege ist nicht Leistungsträger)...nebenbei, auch eigentlich immer dabei: Leistungen, um zu kompensieren, dass rechtliche Betreuer ihren Aufgaben nicht oder ungenügend nachkommen (ich war schon in der Rolle und weiß pauschalisieren lässt sich das nicht, aber dennoch gibt es auch Gründe dafür, dass diese ihrer Arbeit nicht nachkommen können - von dem Punkt, dass es Aufgabe des Betreuungsgerichts ist, die Einrichtung einer solchen zu vermeiden, reden wir auch lieber nicht...).


    "Die Weiterentwicklung des "Budget für Arbeit/Ausbildung" zu einem "Budget für Bildung" für alle Menschen mit Behinderung - unabhängig welchem Rechtskreis sie zugeordnet sind - muss in dieser Legislaturperiode endlich kommen."


    Sorry, das ist wichtig und richtig, aber sie verbleiben wieder im Denkkreis der Eingliederungshilfe - einerseits fordern sie eine unabhängig vom Rechtskreis, gleichzeitig verkürzen sie ihre Aussagen auf MmB (das Kürzel habe ich hier erst gelernt).

    Inhaltlich lässt sich dies aus der UN-BRK nicht herleiten - selbst wenn es die superoptimale EGH-Maßnahme gäbe, dann stünde sie immer noch im Verdacht, dass hier eine "positive Disriminierung" betrieben wird.

    Man mag begrüßen, dass das SGB IX durch das BTHG zu einem eigenständigen Leistungsrecht ausgebaut wurde - ob dadurch der gedankliche Switch erreicht wurde, anzuerkennen, dass das Phänomen "Behinderung", welches eben keine individuelle Entität darstellt, vorranig auf Phänomenen beruht, die sich aus sozialer Isolation, Armut und im weitesten Sinne aus rassistischen Vorstellungen speist - darf bezweifelt werden.

    Auch der ICF-Bezug sollte hier immer kritisch betrachtet werden, das ist ein vorranig medizinisch orientiertes Instrument....


    VG