Primäre beraten die Rehaberater. Wer Glück hat kennt die EUTB. Aber auch dann benötigt man noch Glück, dass die sich auch gerade im Bereich LTA auskennt. Aus meiner Sicht nutzen die Rehaberater das Informationsgefälle aus. Anstatt rechtskonform zu beraten werden Rehabilitanden wichtige Informationen vorenthalten und falsche Informationen gegeben. Dies kann zu Zwang führen. Ja - auch wenn ein Rehabilitand zustimmt - bedeutet dies nicht gleich das es freiwillig ist. Durch weitere Risikofaktoren wie finanzielle Abhängigkeit, bleibt vielen nichts anderes übrig. Zu Klagen kann sich kaum jemand leisten.
Informationsgefälle: Risiko für Machtmissbrauch?
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Liebe(r) Sonnenschein,
ich beobachte schon ein paar Tage, ob Ihnen jemand hier antwortet bzw. etwas schreibt.
Ich finde das ein wichtiges Thema, das Sie ansprechen.
Aber auch ein heikles.
Ich möchte dazu ein paar allgemeine Bemerkungen machen:
1. Wissen ist Macht. Das ist kein dummer Spruch, sondern die Wahrheit. Und wer mehr weiß als ein anderer, der hat meistens auch mehr Macht. Das ist überall im Leben so, nicht nur in diesem Bereich.
2. Genauso viel wissen wie ein Sachbearbeiter bei der EGH, der alles jeden Tag beruflich bearbeitet, sich fortbilden kann, viele Quellen hat, oder wie ein Berater bei der DRV ist aus meiner Erfahrung schwer. In manchen Bereichen weiß ich zB mehr als professionell mit einem Thema Befasste. Ich weiß zB mehr als so mancher "normaler" Schulrat über die rechtlichen Grundlagen der schulischen Inklusion in Baden-Württemberg. Aber auch nur, weil ich mich seit fast 20 Jahren damit ehrenamtlich an meinen Feierabenden beschäftige, unendlich viel gelesen, einen Ratgeber darüber geschrieben, viele Eltern begleitet habe und auch noch Juristin bin.
All das ist für den normalen Antragsteller oder Ratsuchenden fast nie möglich. Das heißt: Es gilt auszuhalten, dass ich weniger weiß als mein professionelles Gegenüber. Deshalb komme ich ja auch in die Beratung. Denn wenn ich alles schon wüsste, müsste ich nicht kommen.
3. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Auch der Sachbearbeiter, der Berater bei einem Leistungsträger, sollte sich dessen bewusst sein und auch, was das bedeutet: Dass er Macht hat, sie aber in der Beratung nicht ausüben darf. Das bedeutet eine wichtige, aber auch schwierige Reflexionsebene: Er muss sich zB klarmachen, dass es nicht sein Job ist, zu entscheiden, was für sie "das Richtige" ist. Dass er Ihnen nicht nur Maßnahmen vorschlagen darf, die er gut und sinnvoll findet oder die es zu füllen gilt. Dass er Fragen nicht abbügelt mit "Das müssen Sie nicht wissen" und vieles mehr. Besonders schwierig ist all das natürlich, wenn derjenige, der Sie berät, am Ende auch derjenige ist, der über die Leistung, so Sie sie denn beantragen, entscheidet. Übrigens ist all das auch in EUTBs ein Reflexions- und Supervisions-Thema, wenn wir wirklich (und nicht nur auf dem Papier) allein nach den Wünschen der Ratsuchenden beraten wollen und nur ihnen verpflichtet sind.
4. Viele Beratungsangebote, wo auch immer, sagen "Wir beraten auf Augenhöhe". Ja, schön wäre es. Das ist aber oft nur Schwurbel und mangelnde Reflexion. Denn für (einigermaßen) Augenhöhe muss ich als Berater*in verdammt viel tun (s.o.), und manchmal muss ich mir vielleicht auch eingestehen, dass ich sie nicht herstellen kann.
5. Dann gibt es natürlich eben auch den Fall, dass mich ein Leistungsträger auffordert, den Antrag XY zu stellen. Und dass, wenn ich das nicht tue, sogar eine sog. "Antragsfiktion" greift. Da hat unser Gesetzgeber bestimmte Systeme ganz klar mit "Macht" ausgestattet. Das sollten wir nicht schönreden. Das ist so. Und das ist oft für den Betroffenen bitter.
Soweit vielleicht mal fürs Erste.
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Liebe Frau Ehrhardt, als Vertreter eines Leistungsträgers kann ich Ihnen nur zustimmen. Es kann nur darum gehen, mit der vom Gesetzgeber uns übertragenen "Macht" verantwortungsvoll und bewusst umzugehen und die erforderliche Transparenz im Beratungsprozess herzustellen - das ist ein hoher Anspruch, aber unabdingbare Voraussetzung für eine "faire" Beratung.
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Natürlich sollen Reha-Berater /Beraterinnen sich auskennen, und oft wissen Ratsuchende nicht so viel. Das ist nun mal Bestandteil unserer Aufgaben. Und, klar, wo Menschen für und mit Menschen arbeiten, gibt es unterschiedliche Risiken (das ist der Fall in vielen Berufen, die ich aber nicht diskriminieren möchte). Grundsätzlich gehört zu unserer Arbeit als Reha-Berater -wie in vielen anderen Berufen- auch eine gewisse professionelle, faire Haltung dazu. Ratsuchende wollen wir über die Möglichkeiten in LTA informieren. Sie sollen eine bewusste Entscheidung treffen können. Sie sollen sich auch weiter, unabhängig von uns informieren können (über Informationstage v. Anbietern, über EUTB, über die Arbeitsagentur, wenn sie dort angemeldet sind, etc...). Ratsuchende sind uns bei weitem nicht ausgeliefert. Manche haben aus unterschiedlichen Gründen es schwerer als andere, eine Entscheidung zu treffen, weitere Informationen zu holen, ja, das glaube ich, und es ist bedauerlich. Aber ich glaube, dass wir unser Bestes geben zu informieren und unsere Arbeit zu reflektieren. Für manche Ratsuchende kann es sogar zu viel der Information bedeuten. Und, dass es finanzielle Zwänge für Ratsuchende gibt, ja, so ist es. Auch darauf verweisen wir, weil das Aspekte sind, die für Betroffene entscheidend sind. Ich habe keinen Einfluss darauf, wann das Arbeitslosengeld endet, aber für Ratsuchende ist es entscheidend auch diesen ggf. finanziellen "Zwang" zu beachten.
Wichtig ist aus m. Sicht eine faire, empathische, professionelle Haltung in der Beratung, die immer wieder mit Schulungen, Weiterbildungen, Austausch untereinander gepflegt werden sollte. Diese Möglichkeiten sind bei uns gegeben und werden wahrgenommen.
Frédérique Chaudière