(Dies ist eine Impulsfrage des Teams)
Wann brauchen Menschen mit (drohender) Behinderung oder chronischer Erkrankung für ihre berufliche Teilhabe Lotsen?
-
-
Eine gute Antwort findet sich u.a. hier (ferner gibt es aktuell noch recht wenig Rechtsprechung aus dem "Dunstkreis" des BSG, weil die letzen Reformen noch recht "frisch" sind. =>
Ein komplexes System
Die historisch gewachsenen unterschiedlichen Zuständigkeiten im deutschen Rehabilitationssystem bieten einerseits die Voraussetzung für hochqualifizierte und auf die jeweiligen Problemlagen bezogene, zielgerichtete Leistungen für Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen. Diese hohe Leistungsfähigkeit des deutschen Reha-Systems genießt auch internationale Anerkennung.
Andererseits erschwert das gegliederte*** System betroffenen Menschen und ihren Angehörigen, aber auch ihren behandelnden Ärzten und Therapeuten den Überblick darüber, welcher Rehabilitationsträger im Bedarfsfall zuständig ist und auf welche Leistungen unter welchen Voraussetzungen die Betroffenen Anspruch haben. Die Forderung nach verbesserten Zugangsmöglichkeiten zu Rehaleistungen, besserer Information und Beratung sowie optimierter Zusammenarbeit der Leistungserbringer und Leistungsträger ist daher noch immer ein Dauerthema.
Quelle: https://www.dvfr.de/rehabilita…bilitation-in-deutschland
*** In der Kommentarliterartur ja auch die Rede von "verschachtelt" . Selbst wer keine Einschränkungen hat (sei es kognitiver Natur oder auch infrastruktureller), wird etwas Zeit brauchen sich aus den diversen SGB´s einen Reim drauf zu machen. Beratung durch Leistungsträger: Eher gegen NULL! Hinzukommt dann ja noch das Verfahrensrecht im Berech des Rechtsweges. Das ist ggf. wie bei einem Auto mit 1000 PS . . . . "man wird kaum ans Ziel kommen, wenn Reifen blank und die Bremsen kaputt sind." Wer das SGG nicht anwenden/deuten kann.... und dann noch auf Richter_Innen trifft, die sich dem Paragdigmenwechsel verweigern..... kann nur scheitern.
Und selbst bei engagierten und interessierten Richter_Innen: Ich darf hier auf Berchtold in "Prozesse in Sozialsachen" verweisen = prozessuale Duldungsstarre (status passivus processualis) . . . . mal 7 Jahre in der ersten Instanz? Kein Problem!
-
Die Komplexität des gegliederten Systems stellt für jeden Akteur/in in diesem System eine große Herausforderung dar. Vor allem Menschen mit Behinderungen sind hier auf Unterstützung in Form guter und umfassender Beratung und Hilfe angewiesen! Das System aus verschiedenen Reha-Trägern und unterschiedlichen Teilhabeleistungen in Deutschland kann hier sehr viele Möglichkeiten für Menschen mit Behinderungen bieten, entscheidend ist an dieser Stelle für mich eine gute Zusammenarbeit und Vernetzung auf Seiten der Reha-Träger untereinander, aber auch mit den jeweiligen örtlichen Beratungsstellen und weiteren Akteuren/innen vor Ort. Jeder Reha-Träger und jeder Akteur/in in diesem System sollte sich als Lotse für Menschen mit Behinderung verstehen. In meiner täglichen Arbeit in diesem System erlebe ich viel Engagement sowohl von Beratungsfachkräften der Reha-Träger, als auch von Mitarbeitenden des IFD und anderen Beratungsstellen. Ich bin der Meinung, dass es keine zusätzlichen Lotsen im bestehenden System braucht, es braucht viel mehr eine gute Zusammenarbeit der bestehenden Akteure im Sinne der Menschen mit Behinderungen, um diese bestmöglich durch den Dschungel der Teilhabeleistungen zu begleiten und sie in ihrer Teilhabe individuell zu unterstützen.
Es gibt bereits unzählige Beteiligte und Akteure im System. Hier fehlt vielen der Überblick und der Durchblick, wer wann für was zuständig ist. Auch die Reha-Träger und Juristen/innen stehen vor der Herausforderung das System und das Vorgehen der jeweiligen anderen Reha-Träger zu verstehen und Kenntnis davon zu haben. Man kann hier auf lokaler Ebene noch so gut vernetzt sein, der Wille auf den oberen Ebenen (Politik) wirklich an einem Strang im Sinne des BTHG zu ziehen und gewachsene Strukturen zu überwinden, sehe ich hier als die größte Herausforderung. Es sollte mehr Transparenz geschaffen und der Austausch gestärkt werden – ein Gesetz als Grundlage haben wir bereits! Im besten Fall ist jeder Spezialist/in in seinem Teilhabegebiet mit seinen Teilhabeleistungen und versteht seinen gesetzlichen Beratungsauftrag. Wir sollten uns weniger über Zuständigkeiten streiten und viel mehr auf gute und umfassende Beratung für unsere Kunden/innen, Klienten/innen und Patienten/innen konzentrieren und unserem GEMEINSAMEN Auftrag nachkommen. Aus meiner Sicht gibt es an einigen Stellen schon gute Zusammenarbeit und engen Austausch, um die berufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu erreichen. Aber es ist noch viel Luft nach oben. Die Voraussetzungen dafür sind meiner Meinung nach gegeben. Es gibt das BTHG und gemeinsame Empfehlungen und Absprachen auf dem Papier. Diese sollten mit Leben gefüllt und umgesetzt werden, anstatt noch einen weiteren Akteur oder Lotsen/in einzuführen, der die Komplexität des Systems nur steigern würde. Natürlich braucht es dafür die entsprechenden Ressourcen – keine Frage. Hier wären wir wieder bei dem Thema „obere Ebenen“ und der Politik.
Ich glaube wir können viel mehr für Menschen mit Behinderungen erreichen, wenn wir uns enger vernetzen, mit einander und den Menschen mit Behinderungen über die jeweiligen Möglichkeiten reden und den Weg zum Ziel gemeinsam gestalten.
-
Die Komplexität des gegliederten Systems ist dem Gesetzgeber bewusst. Er ist dem Nebeneinander verschiedener Rehabilitationsträger und überschneidender Zuständigkeiten mit verschiedenen gesetzlichen Initiativen begegnet.
Angefangen mit der Bündelung der rehabilitationsrechtlichen Vorschriften im SGB IX im Jahr 2001, über die gesetzliche Verankerung von Beratungspflichten der Reha-Träger (vgl. §§ 12, 106 SGB IX), der EUTB (§ 32 SGB IX) oder den neuen Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber (§ 185 a SGB IX) bis hin zu den Aufgabenzuweisungen an Integrationsamt und IFD (vgl. §§ 185, 192 SGB IX).
Es besteht also eine umfangreiche gesetzliche Grundlage für die Orientierung im gegliederten System und der möglichen Leistungsgewährung.
Ich stimme daher zu, dass es weniger der Einführung neuer Instrumente bedarf, als die konsequente Umsetzung der bestehenden Regelungen und die gute Vernetzung der beteiligten Akteure.
-
Ich glaube wir können viel mehr für Menschen mit Behinderungen erreichen, wenn wir uns enger vernetzen, mit einander und den Menschen mit Behinderungen über die jeweiligen Möglichkeiten reden und den Weg zum Ziel gemeinsam gestalten.
Wobei man glauben kann, dass das Betroffenen in Großstädten eher gelingt . . . . (schwer-)behindert auf dem platten Land: da ist das Schicksal wohl oft schnell besiegelt...... es drohen Klassiker wie Werkstatt oder gar Pflegeeinrichtung (das haben wir schon immer so gemacht..... hat sich so bewährt...... )
Lesenswert dazu => https://www.zeit.de/2023/48/me…rtenwerkstatt-trisomie-21
-
Ich möchte die Fragestellung aus einer Position beleuchten, die darstellen soll, dass es meines Erachtens nach mehr als sachliche Beratung und Information braucht, um Menschen durch den Reha-Dschungel zu navigieren. Menschen in der Situation der (drohenden) Behinderung befinden sich in einer Ausnahmesituation, viele haben die Kontrolle über ihre Zukunftsgestaltung verloren. Dieses Kontrollgefühl wiederzugeben ist eng mit beruflicher Reha verbunden, dennoch ist sie erst der Endgegner (das Sahnehäubchen, die Königsklasse) nach einem beschwerlichen Weg durch viele Täler.
Aus Sicht einer "Lotsin" im Jobcenter:
Unser Klientel:
Arbeitslose Menschen mit langfristigen gesundheitlichen Einschränkungen, die noch nicht zwingend dokumentiert bzw. befundet sein müssen.
Was wir wissen:
häufige Arbeitsunfähigkeit, selbst berichtete Einschränkungen oder Begebenheiten, welche einen Interpretationsspielraum bieten. Nicht bei allen liegen Ärztliche Gutachten vor und diese sind oft schon recht alt.
Die Aufgabe:
Den Bedarf erkennen: Nicht alle Menschen verfügen über die richtigen Worte oder Begriffe, da werden Befunde oder Einschränkungen auch mal falsch oder sehr abstrakt beschrieben oder absichtlich oder unbeabsichtigt ignoriert. Aber nicht nur bei uns, sondern auch an anderen Stellen, bei anderen Ansprechpartnern.
Das Problem:
die Abwärtsspirale: Arbeitslosigkeit führt zu fehlender Tagesstruktur, zu Motivationslosigkeit, dem Gefühl des Versagens, dem Gefühl der Wertlosigkeit, der Depression, dem Gefühl, das eigene Leben und damit die eigene Gesundheit sei es nicht Wert. Im Gegenspiel umso höher wird die Hürde, Unterstützer anzusprechen, die fehlende Arztanbindung aufzuarbeiten. Oft mit wenig Durchhaltevermögen für die Ansprache der Kontaktstellen oder für lange Wartezeiten. Im schlimmsten Fall ist man durch die Erkrankung in die (Langzeit-) Arbeitslosigkeit gelangt.
Natürlich sind nicht alle Menschen mit (drohender) Behinderung arbeitslos. Aber wieviele sind es? Oder waren es? Oder laufen in die Richtung? Wahrscheinlich hat jeder der Betroffenen an irgendeiner Stelle ein ganz tiefes Tal durchschritten und in genau diesem Tal werden die Lotsen gebraucht.
Um Mut zu machen, die passenden Worte zu finden, den Sinn der Aufwendungen in pragmatischen Kontext zu bringen, die richtige Reihenfolge der Netzwerkpartner zu planen, Bürokratie zu übersetzen, zu motivieren, die Zukunft handhabbar zu machen, und, und, und....
Das wichtigste Hilfsmittel? Der beste Ratgeber? ZEIT zum Zuhören.
Wenn dann die Aufgeschlossenheit für Diagnostik, Ärztliche Gutachten, Reha-Bedarf, Antragstellungen einmal in Gang gesetzt ist, wird auch die Idee "berufliche Reha" greifbar. Wir Lotsen machen die Türen auf und unsere Teilnehmer gehen im besten Fall hindurch, wenn sie nicht vorher noch lange auf der Wartebank Platz nehmen müssen.
-
Wobei man glauben kann, dass das Betroffenen in Großstädten eher gelingt . . . . (schwer-)behindert auf dem platten Land: da ist das Schicksal wohl oft schnell besiegelt...... es drohen Klassiker wie Werkstatt oder gar Pflegeeinrichtung (das haben wir schon immer so gemacht..... hat sich so bewährt...... )
Lesenswert dazu => https://www.zeit.de/2023/48/me…rtenwerkstatt-trisomie-21
Vielleicht gelingt es in Großstädten besser, weil es dort eine andere Infrastruktur und eine höhere Dichte an Anbietern und Trägern gibt. Da ich in einer ländlichen Region tätig bin, kann ich sagen, dass es bei uns keinen Automatismus gibt, Menschen mit Behinderungen aus Mangel an Alternativen in Werkstätten für Menschen mit Behinderung zuzuweisen. Da wo es Möglichkeiten gibt und die Voraussetzungen vorliegen, können wir viel möglich machen und tun dies auch. An dieser Stelle verstehen wir uns als Lotsen, um die selbstbestimmte berufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung nach den gesetzlichen Möglichkeiten zu gestalten und zu erreichen. Das braucht auch mal Kreativität und den Mut etwas Neues zu probieren. Und natürlich schaffen wir es nicht immer und nicht immer ist man mit unser Dienstleistung und unseren Angeboten zufrieden.
-
Wobei man glauben kann, dass das Betroffenen in Großstädten eher gelingt . . . . (schwer-)behindert auf dem platten Land: da ist das Schicksal wohl oft schnell besiegelt...... es drohen Klassiker wie Werkstatt oder gar Pflegeeinrichtung (das haben wir schon immer so gemacht..... hat sich so bewährt...... )
Lesenswert dazu => https://www.zeit.de/2023/48/me…rtenwerkstatt-trisomie-21
Aus gegebenem Anlass möchten wir an dieser Stelle darum bitten, nur frei zugängliche Inhalte zu verlinken. Grundsätzlich sollte ein Link die Aussage des Beitrags lediglich ergänzen. Kommerzielle Webseiteninhalte bitten wir zu vermeiden, um allen Nutzerinnen und Nutzern die Teilhabe zu ermöglichen.
-
Menschen mit chronischer Erkrankung und/oder Behinderung benötigen Lotsen, wenn sie durch die bürokratischen Anforderungen überfordert sind, trotz gesetzlicher Rashmenbedingungen in ihren Rechten nicht ausreichend vertreten werden, Versorgung und Teilhabe bzw. auch finanzielle Absicherung durch ein Einkommen in Gefahr sind. (Allgemeiner Behindertenverband ABiD e.V.)
-
Welche besonderen Chancen ergeben sich durch Lotsen insbesondere beim Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt oder beim Return-to-Work z.B. nach längerer Krankheit oder bei psychischen Erkrankungen?
-
Im Idealfall sichern LotsInnen durch ihre Arbeit die gelingende Kommunikation zwischen den verschiedenen Beteiligten - vermitteln zwischen den unterschiedlichen "Logiken" und machen Abläufe und auftretende Barrieren erkennbar. Mit der Erkenntnis ist das Problem nicht behoben - aber der mögliche Weg dahin kann gedacht/konstruiert werden. Ziele: gelingende Inklusion in den allgemeinen Arbeitsmarkt oder Rückkehr an den Arbeitsplatz mit Erfolgsaussicht.
-
Welche besonderen Chancen ergeben sich durch Lotsen insbesondere beim Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt oder beim Return-to-Work z.B. nach längerer Krankheit oder bei psychischen Erkrankungen?
Als Betriebliche Sozialberatung (http://www.bbs-ev.de) ist dich Chance in diesem Bereich enorm frühzeitig (sofern noch im Arbeitsverhältnis) sowie integrativ (aus der Arbeitslosigkeit) sowie nach langer Erkrankung (Retun to Work) schnelle Unterstützungshilfen sowohl für Betroffene als auch für Arbeitgeber zu ermöglichen und eine Akzeptanz zu schaffen. Dies kann jedoch nur gelingen wenn der Lotse eine kompetente Qualifikation und Fachkunde hat und in seiner Rolle allseits Akzeptanz hat. (vgl. kleine Einführung in die Betriebliche Soziale Arbeit von Prof Martin Klein)
-
Lots:innen können auch bei den notwendigen Abstimmungen mit dem Arbeitgeber unterstützend moderieren, um den Arbeitsplatz verhältnisbezogen entsprechend des Bedarfs anzupassen.
-
Lotsen können das, sofern sie über eine entsprechende Kompetenz verfügen. Dabei will ich persönlich gar nicht bezweifeln, dass auch andere Personengruppen über diese Kompetenzen verfügen. Jedoch gilt zu bedenken, dass Arbeitgeber für die Gespräche Zeit investieren und oftmals überzeugt werden müssen. Geht das schief wird man sich kaum zu weiteren Settings für andere einlassen. Daher gilt für mich im Vorfeld abzuwägen wie dieses Risiko vermieden wird sodass vielmehr für alle eine zufriedenstellende Lösung erarbeitet werden kann. Wer bzw. wie könnte man die Lotsenkompetenz sicherstellen?
-
Grundlegend finde ich, dass wir als Fachkräfte der Sozialen Arbeit durch das generalistische Studium gute Grundvoraussetzungen haben. Darüber hinaus braucht es auf der Ebene der verschiedenen Handlungsfelder spezifische Fort- und Weiterbildung. Das spezifische, handlungsfeldorientierte Wissen ist zum sicherstellen der "Lotsenkompetenz", wie es Beatrix Neuber gefragt hat ist meines Erachtens eine gute und komplexe Fragestellung. Es wäre sicher gut diese Fragestellung z.B. in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe unter den verschieden Gesichtspunkten zu erörtern.