Den Übergang aus den WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt fördern

    • Offizieller Beitrag

    Der UN-Fachausschuss hat bereits 2015 und 2023 erneut empfohlen, die Anreize zur Beschäftigung in WfbM zu reduzieren und die Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu fördern.

    • Wie sind bisher getroffene Maßnahmen zu bewerten?
    • Welche Maßnahmen sind geplant?
    • Und welche weiteren Maßnahmen erscheinen erforderlich?

    (Dies sind Impulsfragen des Teams.)

  • Team

    Hat den Titel des Themas von „Die Förderung des Übergangs aus den WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt“ zu „Den Übergang aus den WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt fördern“ geändert.
  • Ja, richtig und wichtig.

    ABER: Sollten wir uns in D nicht auch mal darauf konzentrieren, dass Menschen mit Behinderung, vor allem nach ihrer Schulzeit, überhaupt gleich in die WfbMs kommen/gehen? Viele Programme und Gesetze lauten: "Du darfs wieder raus...". Geht es nicht zunächst um "Du musst da nicht hin, denn es gibt wirklich (!) andere Wege und Möglichkeiten für dich?"

  • Hallo zusammen,


    beide Aspekte - die Alternativen nach dem Schulbesuch wie auch die Förderung von Übergängen - sind sicher wichtige Ansatzpunkte: Da, wo gleich nach Schulende alternative Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisse gefunden werden und stabil bleiben - wunderbar!

    Viele Menschen sind jedoch schon lange in WfbMs, die müsssen und sollen natürlich die gleichen Chancen auf einen Übergang haben, weil es solche Chancen vielleicht zu dem Zeitpunkt, als sie in der WfbM anfingen, noch nicht gab oder sie noch nicht soweit waren. In WfbM können auch viele positive Entwicklungen angestossen und gefördert werden, Fähigkeiten und soziale Kompetenzen können sich entwickeln, die Persönlichkeit weiter reifen: Wenn dann der Weg bereitet ist, um auf den ersten Arbeitsmarkt zu wechseln, braucht es Konzepte und Netzwerke, damit das auch funktiert. Wichtig ist, dass die Wünsche der oder des einzelnen Beschäftigten ernst genommen werden: Wer auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig werden möchte, braucht Wegbegleiter in oft unterschiedlichster Form.


    In Baden-Württemberg plant das Integrationsamt (das hoffentlich bald auch offiziell Inklusionsamt heißt ;) ) für´s kommende Jahr ein Projekt, um (einige) Beschäftigte aus WfbM zu sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten werden zu lassen: WfbM können dazu einzelne Tätigkeitsbereiche in Inklusionsbetriebe oder Inklusionsabteilungen umwandeln, der Prozess wird begleitet, betriebswirtschaftlich und juristisch beraten und natürlich auch finanziell gefördert werden. Es ist eine Maßnahme, ein Versuch, neue Wege zu finden, um Übergänge aus WfbM zu fördern... Ich bin jedenfalls gespannt auf die Erfahrungen, die wir dabei machen werden! :)

  • Dies ist nicht nur in Bezug auf Art. 27 UN-BRK, sondern auch im Hinblick auf das Recht auf Bildung nach Art. 24 UN-BRK ein sehr wichtiger Punkt. Danach ist sicher zu stellen, dass Menschen mit Behinderung das Recht auf diskriminierungsfreien und gleichberechtigten Zugang zu einer Berufsausbildung bekommen sowie zu entsprechenden Beratungsprogrammen. Es wäre daher wünschenswert, dass mehr regelhafte Ausbildungen, z.B. unter Zuhilfenahme des Budgets für Ausbildung (§ 61 a SGB IX) stattfinden könnten.


    Die Ausbildung im Berufsbildungsbereich der WfbM erfolgt leider nicht nach dem BBiG und unterscheidet sich auch inhaltlich stark von den anerkannten Ausbildungsberufen. Diese mangelnde Vergleichbarkeit der zu erwerbenden Abschlüsse erschwert den späteren Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt. Es wäre daher sinnvoll, den Inhalt anerkannte Ausbildungsberufe zu flexibilisieren und auf die Bedarfe von Menschen mit Behinderung anzupassen, so könnten z.B. Ausbildungszeiten verlängert werden und in Modulen stattfinden, die Teilabschlüsse erlauben.

  • "

    Die Ausbildung im Berufsbildungsbereich der WfbM erfolgt leider nicht nach dem BBiG und unterscheidet sich auch inhaltlich stark von den anerkannten Ausbildungsberufen. Diese mangelnde Vergleichbarkeit der zu erwerbenden Abschlüsse erschwert den späteren Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt. Es wäre daher sinnvoll, den Inhalt anerkannte Ausbildungsberufe zu flexibilisieren und auf die Bedarfe von Menschen mit Behinderung anzupassen, so könnten z.B. Ausbildungszeiten verlängert werden und in Modulen stattfinden, die Teilabschlüsse erlauben. "


    Ja, das ist ein Schlüssel. Verlängerte Ausbildungen, modulare Ausbildungen, Ausbildungen und durch die Kammern anerkannte Qualifizierungen "unterhalb" des Fachpraktiker-Levels und vieles mehr - alles nicht im Sondersystem, und auch ordentlich bezahlt.

    Noch eine Anmerkung: Von "Ausbildung" kann man ja im BBB nicht sprechen. Auch die Werkstätten selbst tun es nicht.

  • Interessant finde ich, dass in Ba-Wü nun mit Unterstützung des BMAS ausprobiert werden soll, was das BMAS bisher den Inklusions-Betrieben vehement verweigert hat: ausgelagerte Plätze versicherungspflichiger Beschäftigung aus Inklusions-Firmen.


    Bei ProjektRouter in Köln hat sich dieses Instrument seit bald 20 Jahren bewährt. Es ist ein besonderer Reha-Weg zur Erprobung regulärer Beschäftigung in Partner-Betrieben. Bisher nur im Weg einer integrativen gemeinnützigen Arbeitnehmer-Überlassung möglich. Eigentlich das falsche Instrument für Reha-Wege - und nur 1,5 Jahre möglich. Viele Menschen und Betriebe bräuchten erfahrungsgemäß aber mehr Zeit dafür. 2-3 Jahre wären angemessener.


    Die BAG der Inklusions-Firmen (bag-if.de) hat diese Forderung nach "ausgelagerten Inklusions-Firmen-Plätzen" als eine von sieben Forderungen an die Regierung beschlossen. Das Land NRW hat den Vorschlag im BTHG-Prozess via Bundesrat eingebracht. Aufgrund des BMAS-Votums kam dies nicht durch.


    Nun habe ich den Eindruck, dass man in Ba-Wü wirklich in der Praxis nach Lösungen sucht. Aber eben auch an viele praktische und juristische Hürden gerät, die u.a. durch mangelnde Wertschätzug vieler Erfahrungen von Praktiker:innen bisher von der Verwaltung nicht näher betrachtet wurden. Auch finanziell ist derzeit vermutlich kaum mit Geld vom Bund für solche Erprobungen zu rechnen. Wenn ich die Kollegin Süßmilch vom Int-Amt BaWü richtig verstehe, zieht sich der Prozess in Ba-Wü in der Folge erheblich länger hin als gedacht. War zunächst vom Start Mitte/Ende 2023 die Rede, lese ich nun 2025. Das Hauptproblem scheint bei den WfbM zu liegen. Die sehen die bisherige Planung wohl eher als "viel Arbeit für weniger Ertrag". Im Konsens mit allen Beteiligen neue Wege zu finden wäre aller Ehren wert. Woanders tut sich da wenig. Und das Modell Hamburg mit hohen Übergangs-Quoten ins Budget für Arbeit und ca. 30% ausgelagerten WfbM-Plätzen (Ziel 2030: 40%) - im Konsens mit der WfbM - möchte anscheinend niemand zur Kenntnis nehmen.

  • WfbMs, die sich schon mit Außenarbeitsplätzen schwer tun (und in denen diese eher zufällig und einzeln ohne Konzept dahinter entstehen), werden sich noch schwerer tun, einzelne Bereiche in Inklusionsfirmen umzuwandeln ...

  • WfbMs, die sich schon mit Außenarbeitsplätzen schwer tun (und in denen diese eher zufällig und einzeln ohne Konzept dahinter entstehen), werden sich noch schwerer tun, einzelne Bereiche in Inklusionsfirmen umzuwandeln ...

    Die Förderung von Übergängen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt - und dazu gehören als erster Schritt auch außgelagerte Arbeitsplätze - ist in § 219 SGB IX gesetzlich verankert. Dies entspricht den Vorgaben des Art. 27 UN-BRK. Dennoch erhält die WfbM keine ausreichende Gegenfinanzierung für diesen Auftrag. Solange aber die Durchlässigkeit zum allgemeinen Arbeitsmarkt so gering ist und keine wirkliche Wahlfreiheit der Menschen mit Behinderungen erlaubt, entsprechen die WfbM nicht den Anforderungen der UN-BRK. Grundlage für mehr Übergänge/Außenarbeitsplätze müssten daher zunächst eine Erhöhung der Ressourcen und zusätzliche Anreizen für die WfbM (Prämienmodell) sein, damit der gesetzliche Auftrag auch wahrgenommen werden kann. Die Übergangsphase muss flexibler gestaltet werden und vertrautes Fachpersonal aus der WfbM zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt werden.

  • Na ja- ausgelagerte Arbeitsplätze als "erster Schritt" - das kann man auch anders sehen - die WfbM-Studie sieht das, aus meiner Sicht, durchaus kritisch:

    "

    7.2.3 Ausgelagerte Arbeitsplätze als Übergang zu sozialversicherungspflichtiger

    Beschäftigung

    Etwa 9% der Arbeitsplätze in WfbM sind ausgelagerte bzw. betriebsintegrierte Arbeitsplätze in

    Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarkts. Die Wirksamkeit von solchen Arbeitsplätzen ist ambivalent

    zu bewerten: Zum einen ermöglichen sie ein wechselseitiges Kennenlernen von Unternehmen und

    WfbM-Beschäftigten und tragen damit dazu bei, Berührungsängste zwischen Menschen mit und

    ohne Beeinträchtigungen abzubauen. Dadurch können sie auch als „Sprungbrett“ in eine

    sozialversicherungspflichtige Beschäftigung fungieren. Zum anderen wird aber auch kritisiert, dass

    ausgelagerte Arbeitsplätze den Unternehmen lediglich als günstige „Leiharbeit“ dienen, was sich für

    diese vor allem finanziell lohne und dem Grundsatz gleicher Arbeit für gleichen Lohn widerspreche.

    Oft werde von deren Seite keine Übernahme in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung

    angestrebt."

    Quelle: https://www.bmas.de/DE/Service…6-entgeltsystem-wfbm.html

  • ...."Nun habe ich den Eindruck, dass man in Ba-Wü wirklich in der Praxis nach Lösungen sucht. Aber eben auch an viele praktische und juristische Hürden gerät, die u.a. durch mangelnde Wertschätzug vieler Erfahrungen von Praktiker:innen bisher von der Verwaltung nicht näher betrachtet wurden. Auch finanziell ist derzeit vermutlich kaum mit Geld vom Bund für solche Erprobungen zu rechnen. Wenn ich die Kollegin Süßmilch vom Int-Amt BaWü richtig verstehe, zieht sich der Prozess in Ba-Wü in der Folge erheblich länger hin als gedacht. War zunächst vom Start Mitte/Ende 2023 die Rede, lese ich nun 2025. Das Hauptproblem scheint bei den WfbM zu liegen. Die sehen die bisherige Planung wohl eher als "viel Arbeit für weniger Ertrag". Im Konsens mit allen Beteiligen neue Wege zu finden wäre aller Ehren wert. Woanders tut sich da wenig. Und das Modell Hamburg mit hohen Übergangs-Quoten ins Budget für Arbeit und ca. 30% ausgelagerten WfbM-Plätzen (Ziel 2030: 40%) - im Konsens mit der WfbM - möchte anscheinend niemand zur Kenntnis nehmen."

    ...ich will da die Verantwortung für den sich verzögernden Start nicht allein bei den WfbM lassen; nachdem ein Entwurf für das Pilotprojekt bereits im Herbst 2023 diskutiert wurde, haben seitdem intensive Beratungen und Beteiligungsprozesse stattgefunden: Mit der LAG-WfbM, unter Beteiligung von LIGA-Vertretenden, den Werkstatträten-Baden-Württemberg, der LAG-Inklusionsbetriebe, dem Beratenden Ausschuss des KVJS-Inklusions-/Integrationsamts und dem Teilhabeausschuss Baden-Württemberg.


    @Manfred.Becker, Sie haben Recht, wir suchen nach Lösungen :) . Und die Umsetzung solcher Lösungen gestaltet sich grade an mancher Stelle tatsächlich anspruchsvoll; ich kann auch den WfbM nicht verdenken, dass sie alle rechtlichen Aspekte im Vorfeld einer solchen betriebswirtschaftlich relevanten Entscheidung abklären. Das gleiche müssen wir tun. Dabei geht es u.a. auch um tarifrechtliche Aspekte, Fragen der Eingruppierung etwa; denn das Projekt plant ja die Förderung von Übergängen aus dem Arbeitsbereich einer WfbM durch die Umwandlung der Beschäftigungsverhältnisse in reguläre, sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse, auch durch die Nutzung des Budgets für Arbeit nach § 61 SGB IX als Pflichtleistung der Eingliederungshilfeträger.

    Und auch auf der "anderen Seite" gibt es jede Menge Bedenken und Fragen, die wir ernst nehmen müssen: Auch die WfbM-Beschäftigten selbst oder deren Interessensvertretung, die Werkstatträte, sind ja oft unsicher, was es für sie bedeutet, wenn sie wirklich von ihrem WfbM-Beschäftigungsplatz wechseln in ein "reguläres" Arbeitsverhältnis. Für die Entscheidungsfindung muss Zeit gebeben sein und natürlich umfassende und verständliche Information, etwa auch durch eine Beratung der DRV. Die Entscheidung muss ja freiwillig getroffen werden.

    Es ist doch so: Der gesetzliche Auftrag ist klar: Die Vorgaben des Art. 27 der UN-BRK, die Förderung von Übergängen nach § 219 SGB IX, ... - das "Wie" jedoch, wie wir aus dem bisherigen System und auch aus seinen Finanzierungsstrukturen dort hin kommen - das ist längst nicht so klar. Jeder einzelne Übergang stellt bisher alle Systembeteiligten vor immer wieder neue Herausforderungen. Und so sehr wir auch individuelle Lösungen für jede(n) einzelne(n) Beschäftigte(n) finden müssen, so wäre es doch hilfreich, wenn wir für eine Veränderung der Gesamtstruktur und für mehr Flexibilität zwischen den Strukturen erprobte und bewährte Lösungsvorschläge hätten. Natürlich sind da die Erfahrungen von PraktikerInnen von großem Wert!...

  • Ja, richtig und wichtig.

    ABER: Sollten wir uns in D nicht auch mal darauf konzentrieren, dass Menschen mit Behinderung, vor allem nach ihrer Schulzeit, überhaupt gleich in die WfbMs kommen/gehen? Viele Programme und Gesetze lauten: "Du darfs wieder raus...". Geht es nicht zunächst um "Du musst da nicht hin, denn es gibt wirklich (!) andere Wege und Möglichkeiten für dich?"

    An dieser Stelle darf ich einen Input aus österreichischer Perspektive einbringen: Genau dieser Praktik wurde mit 1. 1. 2024 auf rechtlicher Ebene ein Riegel vorgeschoben. Durch eine Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (§ 8 Abs 5 AlVG) ist es nun nicht mehr möglich, dass Menschen vor ihrem 25. Geburtstag gegen ihren Willen einer Prüfung ihrer „Arbeitsfähigkeit“ unterzogen werden. Damit bleibt man im System – verkürzt gesprochen – jedenfalls bis 25 „arbeitsfähig“, was bedeutet, dass man sämtliche Förderungs- und Weiterbildungsmaßnahmen des Bundes sowie die dort angesiedelten Beschäftigungsmöglichkeiten in Anspruch nehmen kann. Die WfbM sind in Österreich von den jeweiligen Bundesländern zu regeln und die Zuständigkeit dieser ergibt sich in dem Moment, in dem durch eine (primär) medizinische Untersuchung eine „Arbeitsunfähigkeit“ festgestellt wurde. Vor der Gesetzesänderung kam es – wie Sie dargestellt haben – regelmäßig zu dem vorgezeichneten Weg: Schulzeit – „automatische Feststellung der Arbeitsunfähigkeit“ – Zuständigkeit der Länder und somit häufig Beschäftigung in WfbM.


    Die Idee, dass vor allem junge Menschen im Anschluss an die Schulzeit noch einmal das volle „Repertoire“ an bundesweiten und bundesfinanzierten Förderungen und Möglichkeiten in Anspruch nehmen können und kein automatischer Ausschluss davon erfolgt, ist ein großer Schritt in die richtige Richtung, das steht außer Frage. Freilich wird damit nicht das von Frau Süßmilch angesprochene Problem angegangen (Was ist mit jenen Menschen, die vor der Regelung ihren 25. Geburtstag feierten bzw schon lange in den WfbM sind?). Außerdem gibt es noch keine aussagekräftigen Einblicke, welche Auswirkungen diese Gesetzesänderung tatsächlich mit sich bringt und ob dieses Vorhaben in der Praxis auch zu den gewünschten Effekten führen wird. Die Stoßrichtung ist sicherlich richtig, es wird – wie so oft – von der konkreten Umsetzung und den vorhandenen Ressourcen sowie den politischen und ökonomischen Faktoren innerhalb des Bundes abhängen, ob diese Novelle die von Ihnen angesprochenen wirklichen Wege und Möglichkeiten schafft. Hier fehlt es schlichtweg noch an einer entsprechenden Datenlage, da die Neuregelung wie eingangs erwähnt, erst seit Beginn des Jahres in Kraft steht.

  • Und auch ein kurzer Input aus schweizerischer Sicht: Ich teile die Einschätzung voll und ganz. Auch in der Schweiz war – und ist – es so, dass viele Jugendliche, die eine Sonderschule abschliessen, ihre berufliche Ausbildung in einem Betrieb des zweiten Arbeitsmarkts absolvieren und dann nach Abschluss vielfach (wenn auch nicht zwingend) im gleichen oder einem ähnlichen Betrieb weiterarbeiten. Dabei entstehen Bildungs- und Arbeitsbiografien, die primär in separativen Settings verlaufen und mit einer «Pfadabhängigkeit» über das ganze Leben hinweg verbunden sein können. Dies ist umso mehr dann der Fall, wenn Arbeit und Wohnen in der gleichen Institution stattfinden. Die Hürden für Veränderungen und biografische Neuanfänge (wie sie heute zum «normalen» Leben gehören) werden dadurch erhöht. Leider gibt es (auch) hierzu keine Daten, die belastbare Aussagen erlauben.


    Positiv ist auf jeden Fall, dass man sich der Problematik mehr und mehr bewusst wird. Mit der Weiterentwicklung der Invalidenversicherung, die auch für behinderungsbedingte Zusatzkosten im Zusammenhang mit der erstmaligen Ausbildung aufkommt, per Anfang 2023 wurde die Begleitung von Jugendlichen mit Gesundheitsproblemen verbessert und der Fokus ausdrücklich auf eine Ausbildung in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarkts gelegt. Eine Evaluation der getroffenen Massnahmen ist derzeit im Gang. Es gibt auch verschiedene Projekte, die das Ziel haben, die Begleitung und die Wahlmöglichkeiten von Jugendlichen bei der Berufswahl zu verbessern resp. zu erhöhen.


  • Die Kritik an den ausgelagerten Arbeitsplätzen ist ernst zu nehmen. Dennoch wäre es sicherlich der falsche Schritt, von diesem Modell Abstand zu nehmen, da sie viel Potenzial durch die Möglichkeit des gegenseitigen Kennenlernens bieten. Deshalb empfiehlt unsere Studie auch, die Zahl der ausgelagerten Arbeitsplätze zu erhöhen. Dabei sollten jedoch Maßnahmen ergriffen werden, um die Übergänge in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu steigern. Wie diese Maßnahmen aussehen können muss diskutiert werden. Soll es eine zeitliche Höchstdauer geben? Können ebventuell tariflich vereinbarte Übergangsregeln etabliert werden? Soll eine in Abständen verpflichtende Prüfung verankert werden, ob das ausgelagerte Beschäftigungsverhältnis inzwischen die Voraussetzungen eines regulären Arbeitsverhältnisses erfüllt? Was wären die Konsequenzen daraus?


  • Ich weiß nicht, ob man wirklich von einem "gegenseitigen Kennenlernen" sprechen kann. Zumindest oft nicht. Da werden ganze "Brigaden" ausgelagert und pflegen dann zB in einem großen Möbelhaus die Grünanlagen. Sie bringen ihre eigenen "Betreuer", wie immer so schön gesagt wird (als ob Menschen mit Behinderung immer "betreut" werden müssen - ein ziemlich paternalistischer Blick) mit, also quasi die Anleitung ist auch noch ausgelagert. Sie haben oft wenig Kontakt zu den "normalen" Angestellten, sind nicht wirklich in den Betrieb eingebunden. Sie sind eben "ausgelagert", so wie eine "Außenklasse" im Baden-Württembergischen Schulsystem. Diese Konstruktionen bringen bringen aus meiner Sicht und nach meinen Erfahrungen wenig. Und wenn man die Betriebe fragt oder auch etwas energischer fragt, ob denn daraus reguläre Arbeitsplätze entstehen könnten, beenden sie lieber die ganze Konstruktion, die für sie sooooooo praktisch und auch finanziell sehr günstig war. Und die Menschen mit Behinderung "fehlen" nicht wirklich, weil sie nie wirklich dazu gehört haben.

  • Das pauschale "verteufeln" von Außenarbeitsplätzen halte ich nicht für angemessen. Allerdings ist es sicherlich sinnvoll weitere Regularien einzuführen, die einen Übergang in ein Arbeitsverhältnis des allgemeinen Arbeitsmarktes sei es im ersten Schritt über ein "Budget für Arbeit" oder direkt in ein "normales" sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis, anstreben. Eine zeitliche Höchstdauer kann hier aus meiner Sicht allerdings nicht das Mittel der Wahl sein, da diese vermutlich eher abschreckend für die sogenannten Menschen mit Behinderung dahingehend wirkt überhaupt von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Zudem ist fraglich was nach Ablauf nach dieser Höchstdauer passiert? Müssen die Menschen dann auf jeden Fall aus der WfbM raus oder bleibt die Option der Rückkehr in die WfbM ohne Außenarbeitsplatz, Wann könnte dann nach Ablauf der Höchstdauer erneut ein Versuch gestartet werden? Dies ist die Perspektive der Menschen mit Behinderung. Aus Sicht der WfbM müsste es attraktiver werden ihrem Auftrag Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten und Übergänge zu gestalten. Wäre es bspw. möglich Prämien zu erhalten, wenn Menschen in ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis übergehen. Ich denke es ist eventuell auch zu "bequem" und zu "einfach", dass Menschen dauerhaft in einer WfbM verbleiben können.

  • Es geht nicht darum, Außenarbeitsplätze zu "verteufeln". Aber sie halten i.d.Regel nicht das, was sie versprechen oder suggerieren.

    Denn sie konkurrieren mit einem System der massiven Fehlanreize! Der wesentliche: Die EU-Rente nach 20 Jahren WfbM.

    Aus der BMAS-Werkstatt-Studie:

    "

    . Die befragten WfbM geben hier an, dass die Beschäftigten die Sorge hätten, dass diejenigen, die wechseln, ihre in der WfbM erworbenen Rentenansprüche (Rentenbeiträge in Höhe von 80% des Durchschnittsentgelts der gesetzlichen Rentenversicherung, 20 Jahre Wartezeit bis zur EMR) verlieren bzw. sie nicht mehr in dieser Höhe weiter erwerben und sich finanziell somit schlechter stellen würden.
    Auch die Werkstattleitungen schätzen dies als wichtigen und zu berücksichtigenden Faktor ein. Mehr als die Hälfte der Werkstattleitungen (57%; n=142) halten dies für einen „eher wichtigen“ bis „den wichtigsten“ Grund, der für einen Verbleib in der WfbM spricht."


    Vielleicht müssen wir endlich mal ehrlich sagen: Solange diese Regelung so Bestand hat, brauchen wir über Übergänge und mehr Übergänge aus der WfbM auf den 1. Arbeitsmarkt eigentlich nicht wirklich weiter zu reden.