Das Urteil des Bundessozialgerichtes vom 29.06.1995 (11 RAR 57/94, BSGE 76, 178-184) bekräftigt die Position, dass es bei "Arbeit und Beschäftigung" nicht darauf ankommt, ob Arbeits-, Sach- und Personalaufwand und Arbeitsergebnis in einem wirtschaftlichen Verhältnis zueinander stehen, ob der behinderte Mensch die Kosten seines Platzes in der Werkstatt/Einrichtung oder einen bestimmten Teil dieser Kosten erwirtschaftet oder der behinderte Mensch ein Mindesteinkommen erzielt. Danach ist ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erwarten, wenn der behinderte Mensch an der Herstellung der von diesen Werkstätten vertriebenen Waren und Dienstleistungen durch nützliche Arbeit beteiligt werden kann. Der § 111 SGB IX hat mit dem BTHG den Begriff "Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben" auf Beschäftigung in einer WfbM "und besser" gegenüber dem alten SGB XII verengt. Meines Erachtens meint der Art. 27 UN BRK aber alle Tätigkeiten, die in Deutschland als Mindestmaß an Arbeitsleistung bezeichnet werden.
Wenn man dem folgt, dann kommt eine Vielzahl von Menschen ins Blickfeld, die von einer Arbeit und Beschäftigung profitieren. Das hat u.a. mit den Qualitäten von Arbeit zu tun, die gerade wieder in einer Überblicks-Arbeit als wichtiger Faktor psychischer Gesundheit bestätigt wurde (https://doi.org/10.3389/fpsyg.2023.1017358). Faktoren wie Sinnhaftigkeit, Struktur, Kontakt und Zugehörigkeit sind für alle Menschen sehr wichtig und mit Arbeit verbunden.
In Deutschland sind diese Tätigkeiten mit Beschäftigung in Tagesförderstätten, oder in NRW Tagesförder-Bereichen in WfbM, verbunden - oder mit der sog. Zuverdienst-Beschäftigung. Endlich hat 2023 die BAGüS dieses Thema in einer „Orientierungshilfe Zuverdienst“ als Thema der Eingliederungshilfe anerkannt - allerdings ohne weitere Folgen. Allerdings haben parallel dazu die Länder Hamburg und Bremen neue Leistungsbeschreibungen für "Tagesstrukturierende Beschäftigung mit Arbeitsweltbezug" geschaffen und Anbieter anerkannt. Weiterhin fördern ansonsten nur die Kostenträger, die es bisher schon taten. Und weiterhin ist folglich dies Feld ein bunter Flickenteppich. Das BMAS wollte 2023 noch mehr Daten sammeln, um diesen Bereich zu erkunden. Auch davon hat man nun Abstand genommen, will nur vorliegende Daten neu auswerten.
Fazit: obwohl bekannt ist, dass eigentlich ein Anspruch auf Arbeit und Arbeits-Förderung nach UN BRK auch für Menschen mit geringer Leistungsfähigkeit besteht, weigern sich Regierung und Leistungsträger, dies anzuerkennen. Weder werden Hilfen zur Arbeit in diesem Feld rechtlich bundesweit normiert, noch ausreichend angeboten. Der Nutzen lässt sich gut belegen - individuell und volkswirtschaftlich. Die GIB e.V. hat z.B. in Bremen belegt, dass die Zuverdienst-Förderung dort nicht nur den Betroffenen zu mehr Selbstbestimmung verhilft, sondern unterm Strich auch Eingliederungshilfe-Mittel einspart.
Deshalb möchte ich dieses Thema für eine eingehendere Diskussion vorschlagen.