Erfahrungen und Wünsche aus der Praxis

    • Offizieller Beitrag

    Die Stufenweise Wiedereingliederung ist eine Leistung der medizinischen Rehabilitation. Sie soll arbeitsunfähige Beschäftigte individuell - das heißt, je nach Krankheit oder Behinderung und bisheriger Arbeitsunfähigkeitsdauer - unter ärztlicher Aufsicht schonend, aber kontinuierlich an die Belastungen der bisherigen Tätigkeit heranführen, bis eine vollständige berufliche Rehabilitation erfolgt ist. Die/der Beschäftigte soll bei zunächst reduzierter Arbeitszeit und/oder Arbeitsbelastung in den Arbeitsprozess wiedereingegliedert werden.

    • Was tun Arbeitgebende, um Beschäftigten bei längerer Arbeitsunfähigkeit die Rückkehr an den Arbeitsplatz zu erleichtern?
    • Was tun betriebliche Interessenvertretungen, wie z. B. die Schwerbehindertenvertretung, um Beschäftigte bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz zu unterstützen?
    • Was wünschen sich betroffene Beschäftigte von ihrer Arbeitgeberin oder ihrem Arbeitgeber und/oder ihrer Interessenvertretung, um erfolgreich an den Arbeitsplatz zurückkehren zu können?

    (Dies sind Impulsfragen des Teams.)

  • Wissenschaftliche Erkenntnisse legen nahe, dass stufenweise Wiedereingliederungen die Rückkehr nach längerer Arbeitsunfähigkeit befördern – Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen sollten dem Vorschlag einer stufenweisen Wiedereingliederung (STW) daher erst einmal grundsätzlich positiv gegenüberstehen oder die STW sogar proaktiv (z.B. als ein Instrument im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements, BEM) anbieten. Damit die STW bestmöglich greifen kann, sollte sie einem individuellen Wiedereingliederungsplan folgen, in dem die Möglichkeiten des Instruments (die über die reine Anhebung der täglichen Arbeitszeit hinausgehen und v.a. auch Anpassungen bzgl. Arbeitsort, Arbeitsmenge, Aufgaben und Tätigkeitsspektren umfassen) unter Berücksichtigung betrieblicher Rahmenbedingungen bedarfsorientiert ausgeschöpft werden. In eigenen Studien wird jedoch immer wieder deutlich, dass sowohl „Betroffenen“ als auch betrieblichen Akteur:innen häufig nur das Standardschema „2-4-6(-8) Stunden“ (mit einer Anhebung im 1-2 Wochentakt) geläufig ist, und eine STW genau deshalb in einigen Fällen (für eine oder beide Seiten) nicht in Betracht kommt. Hier braucht es aus meiner Sicht, gezielter Informationen und geeigneter Praxishilfen. Ferner sollte über eine Überarbeitung der Formulare der GKV und DRV (Wiedereingliederungsplan) nachgedacht werden, damit auch hier passgenaue Lösungen Platz finden und angeregt werden.

    Ob eine Ablehnung von Wiedereingliederungsplänen durch bzw. eine Er-/Überarbeitung durch die KK bzw. den zuständigen Träger rechtskonform ist, wie von Wolfgang zur Frage gestellt, kann ich leider nicht beantworten.

  • Wir in der EUTB Neumarkt i.d.OPf. haben regelmäßig Ratsuchende die länger erkrankt waren und stufenweise wieder in den Beruf einsteigen (wollen). In der Beratung haben wir damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Wir zeigen den Ratsuchenden dann die vielfältigen Möglichkeiten der stufenweisen Wiedereingliederung auf, die weit über das 2-4-6-(8) Modell hinaus gehen. Leider ist hier das Wissen bei den Beschäftigten und bei den Unternehmen noch extrem gering. Von den Möglichkeiten haben sie noch nie gehört, auch das Unternehmen hat derartiges nicht angesprochen. Oft gehen sie dann sehr motiviert aus der Beratung, was der Gesundung sehr hilft.

    So kommen zu uns oft Menschen mit psychischen Erkrankungen und/oder Neurodivergenz. Wir haben die Erfahrung gemacht, das diese Personen i.d.R. sehr gut wissen, was sie für eine gesunde Arbeit benötigen, diese Maßnahmen gut benennen können und (bei etwas Willen im Betrieb) sie auch leicht und zum Vorteil des Unternehmens umgesetzt werden können. Erfolgreiche Wiedereingliederung schafften wir z.B. mit folgenden Maßnahmen (im Einzelfall):

    anderes Büro / Einzelbüro

    anderer Chef

    mobiles Telefon (um im Stehen telefonieren zu können)

    flexible Arbeitszeiten / Gleitzeit

    etwas veränderte Arbeitsaufgaben

    Wir haben so mehrere Ratsuchende erfolgreich bei der Wiedereingliederung begleitet.

  • Tolle Beispiele, die verdeutlichen, dass die Grenzen zwischen STW und (dauerhaften) Arbeits(platz)anpassungen fließend sind bzw. sich beides sehr gut kombinieren lässt :) Wichtig aber auch der Hinweis in Klammern, dass (neben Kompetenzen und Möglichkeiten, also dem "Können") auch der Willen ("Wollen") auf Seiten des Betriebs da sein muss. Auch hier könnten Informationen, Praxishilfen und -beispiele sowie unterstützende Begleitung (nach)helfen, wobei sich bei mir (als rechtliche Laiin) da immer auch Fragen bezüglich betrieblicher Fürsorge-/Mitwirkungspflichten (und deren (rechtlicher/gesetzlicher) Stärkung) ergeben... insbesondere mit Blick auf Beschäftigte, die "nur" eine chronische Erkrankung haben (aber keinen Schwerbehindertenstatus).

  • Bezüglich der Arbeitgeberpflichten zur Arbeits(platz)anpassung für chronisch erkrankte Beschäftigte:


    Chronische erkrankte Menschen können behindert i.S.d. § 2 SGBIX sein, wenn sie eine langfristige (länger als sechs Monate andauernde) Teilhabeeinschränkung haben. Selbst wenn eine solche auch nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens nicht zu einer Anerkennung einer Schwerbehinderung führen sollte, ist die Beantragung eines Grades der Behinderung (GdB) sinnvoll und anzuraten. Zum einen besteht ab einem GdB von 30 die Möglichkeit der Beantragung einer Gleichstellung (§ 151 Abs. 2 SGB IX), zum anderen hätte die betroffene Person z.B. auch bei einem GdB von 20 mit dem Feststellungsbescheid einen Nachweis über die Behinderung.


    Auch bei einem GdB unter 50 und keiner Gleichstellung hat der Arbeitgeber die Pflicht zu Arbeits(platz)anpassungen (angemessenen Vorkehrungen), auch wenn sich diese nicht wie bei schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Beschäftigten aus § 164 Abs. 4 SGB IX, sondern aus der Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB ergibt. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht bereits im Jahr 2013 den sehr anschaulichen Fall eines HIV-infizierten, jedoch noch nicht an AIDS erkrankten Laborassistenten entschieden (BAG v. 19.12.2013 - 8 AZR 190/12, https://www.bundesarbeitsgeric…ntscheidung/6-azr-190-12/).

  • Wir haben in unserem Unternehmen sehr gute Erfahrungen mit individuellen Plänen zur stufenweisen Wiedereingliederung gemacht. Gerade bei Mitarbeitenden mit einer langen Erkrankungsphase hat es sich bewährt, nicht schon am Anfang mit einer fünf-Tage-Woche einzugliedern sondern vielleicht mit 3 Tagen zu beginnen und zwischen die Tage jeweils einen Regenerationstag zu schalten. Wenn terminlich irgend möglich schalten wir vor Beginn der SWE ein BEM-Gespräch und ein zweites spätestens kurz vor Beendigung der SWE, um zu evaluieren, ob alles passt. Bei Bedarf treffen wir uns auch während der SWE, entweder initiiert durch die Führungskraft oder den betreffenden Mitarbeitenden, um mögliche notwendige Anpassungen an die Anforderungen zu machen.

  • Super Praxistipp und hilfreich bei individuellem Bedarf: Das muss dann aber auch der Vertragsarzt in den Stufenplan reinschreiben. Sonst kommt ggf vorschnell der Rehaträger mit Abbruch, wenn über „sieben Fehltage“ bei Stufenplan nach „Schema F“. Gut, dass es solche verständige Beraterinnen gibt wie Britta, die ggf. den Ärzten, die das nicht erwägen (da ein Hinweis auf derartige „Regenerationstage“ im Musterformular 20 fehlt) – ggf. zuvor „auf die Sprünge“ helfen!

  • Ich möchte aus meiner betrieblichen Erfahrung darauf hinweisen, dass die Stufenweise Wiedereingliederung, nach Hamburger Modell, vom Grundsatz her die Wiedereingliederung auf dem vorherigen Arbeitsplatz und zu den gleichen Arbeitsbedingungen ist. Der Unterschied ist, dass man mit einer reduzierten Arbeitszeit langsam wieder an die Arbeit herangeführt werden soll. Alle anderen Beispiele, die ich auch in unterschiedlicher Form mit dem Arbeitgeber umgesetzt habe, sind gute Beispiele aber auch immer Nebenabsprachen die von der Bereitschaft des Arbeitgebers abhängig sind.

    Also keinen gesetzlichen Anspruch bei einer Wiedereingliederung auf einen anderen Arbeitsplatz, andere Tätigkeit oder andere Arbeitszeit.

    Ich warne also davor den Ratsuchenden Menschen im Betrieb von Beginn an einen Strauß der Möglichkeiten in der Wiedereingliederung vorzustellen, da dass aus meiner Erfahrung auch Begehrlichkeiten weckt die ich dann nur mit der Zustimmung des Arbeitgebers erfüllt werden können. Das ist nicht immer selbstverständlich.

    Ich trenne die stufenweise Wiedereingliederung wenn es geht vom BEM, da die wenigsten Fälle im BEM mit einer Stufenweise Wiedereingliederung einhergehen. Die Verbindung der Wiedereingliederung mit dem BEM hat in den noch zu regelnden Verfahren des BEM dazu geführt, dass die FDP ihre Zustimmung zu einer klareren Regelung im Gesetz, unter anderem davon abhängig gemacht hat, dass das BEM in der Stufenweise Wiedereingliederung untergeht. Auch wenn jetzt alle sagen das es die Koalition nicht mehr gibt, will ich nur sagen, dass es wieder eine andere geben wird die sich auch mit dem BEM auseinandersetzen wird.

  • Wolfgang: Aktuell bieten beide, GKV und DRV, Formulare nur die Möglichkeit, vier Start- und Enddaten für eine best. tägliche Arbeitszeit einzutragen (z.B. vom 1.11.-8.11., 2h, vom 11.-15.11. 4h usw.) sowie eine KURZE Notiz dazu zu schreiben, welche Art der Tätigkeit möglich bzw. welche Einschränkungen zu beachten sind. Die Betonung liegt auf kurz - denn die dafür vorgesehenen Felder sind sehr, sehr begrenzt... Wie soll da ein wirklich individuelles Vorgehen, jenseits Schema F, Platz finden bzw. angeregt werden? Schon das Formular sollte aus meiner Sicht deutlich machen, welche Möglichkeiten bestehen.

    @A. Adams Zitat: "Ich warne also davor den Ratsuchenden Menschen im Betrieb von Beginn an einen Strauß der Möglichkeiten in der Wiedereingliederung vorzustellen, da dass aus meiner Erfahrung auch Begehrlichkeiten weckt die ich dann nur mit der Zustimmung des Arbeitgebers erfüllt werden können." --> Hier sehe ich ebenfalls "Überarbeitungsbedarf", diesmal am Prozedere: So sollte doch der Wiedereingliederungsplan idealerweise Ergebnis eines gemeinsamen Such-/Abstimmungsprozesses zw. "Betroffener" Person, Arbeitgeber und behandelnder Person sein. Und Startpunkt sollte zwar kein Strauß aller Möglichkeiten sein, so aber doch eine Offenheit dafür, die Möglichkeiten und Wege zu eruieren, die in der individuellen Fallkonstellation passend und effektiv sein können - und mit Fallkonstellation meine ich die Konstellation aus "Betroffener" Person und Arbeitsplatz/betrieblichen Kontext/betriebl. Rahmenbedingungen.

  • Wie soll da ein wirklich individuelles Vorgehen, jenseits Schema F, Platz finden bzw. angeregt werden? Schon das Formular sollte aus meiner Sicht deutlich machen, welche Möglichkeiten bestehen.

    Völlig richtig: Die formblattmäßige Umsetzung der Nr. 1 der Anlage zur AU-Richtlinie („individuell“) gelingt mit diesen „Mustern“ nur rudimentär, da viel zu schematisch nach Nr. 2, wonach die „standardisierte“ Betrachtung vermieden werden muss.

  • Ich möchte aus meiner betrieblichen Erfahrung darauf hinweisen, dass die Stufenweise Wiedereingliederung, nach Hamburger Modell, vom Grundsatz her die Wiedereingliederung auf dem vorherigen Arbeitsplatz und zu den gleichen Arbeitsbedingungen ist. Der Unterschied ist, dass man mit einer reduzierten Arbeitszeit langsam wieder an die Arbeit herangeführt werden soll. Alle anderen Beispiele, die ich auch in unterschiedlicher Form mit dem Arbeitgeber umgesetzt habe, sind gute Beispiele aber auch immer Nebenabsprachen die von der Bereitschaft des Arbeitgebers abhängig sind.

    Also keinen gesetzlichen Anspruch bei einer Wiedereingliederung auf einen anderen Arbeitsplatz, andere Tätigkeit oder andere Arbeitszeit.

    Ich warne also davor den Ratsuchenden Menschen im Betrieb von Beginn an einen Strauß der Möglichkeiten in der Wiedereingliederung vorzustellen, da dass aus meiner Erfahrung auch Begehrlichkeiten weckt die ich dann nur mit der Zustimmung des Arbeitgebers erfüllt werden können. Das ist nicht immer selbstverständlich.

    Ich trenne die stufenweise Wiedereingliederung wenn es geht vom BEM, da die wenigsten Fälle im BEM mit einer Stufenweise Wiedereingliederung einhergehen. Die Verbindung der Wiedereingliederung mit dem BEM hat in den noch zu regelnden Verfahren des BEM dazu geführt, dass die FDP ihre Zustimmung zu einer klareren Regelung im Gesetz, unter anderem davon abhängig gemacht hat, dass das BEM in der Stufenweise Wiedereingliederung untergeht. Auch wenn jetzt alle sagen das es die Koalition nicht mehr gibt, will ich nur sagen, dass es wieder eine andere geben wird die sich auch mit dem BEM auseinandersetzen wird.

    Lieber Alfons Adam, ich verstehe Ihre Argumente. Allerdings ist die Idee der Stufenweisen Wiedereingliederung als Möglichkeit, schrittweise an die ehemalige Belastbarkeit heranzukommen, nicht nur auf die Arbeitszeit reduziert. Wesen und damit Abgrenzung zu anderen Interventionskonzepten wie etwa der Arbeitsplatzanpassung im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder auch einer Umsetzung sind anhand von - aus meiner Sicht - zwei Dingen zu beschreiben:

    1. Die STW ist immer auf den bisherigen Arbeitsplatz ausgerichtet; das Ziel ist immer die Integration auf den diesen.

    2. Die Veränderungen (ob zeitlich, inhaltlich o.ä.) sind immer zeitlich befristet und folgen der Idee der sukzessiven Belastungssteigerung.

    Natürlich ist die Sache nicht so einfach. Es kann passieren, dass im Rahmen der STW deutlich wird, dass die betroffene Person bestimmte Anforderungen des Arbeitsplatzes permanent nicht mehr erfüllen kann. Dann sind wir in dem Grenzbereich, den Sie betrachten. Ich halte es aber für geboten, dass man dann darüber nachdenkt, ob die Erfahrungen aus der STW dazu führen, dass der bestehende Arbeitsplatz permanent angepasst oder auf dieser Basis ein neuer Arbeitsplatz eingenommen wird, der eher den aktuellen Fähigkeiten und Kompetenzen der Person entspricht.

    Noch in letzter Hinweis: Ich verstehe Ihre Abgrenzung von BEM und STW nicht. Die STW ist sehr gut geeignet (das ist wissenschaftlich nachgewiesen), die Wahrscheinlichkeit der beruflichen Wiedereingliederung nach längerer Arbeitsunfähigkeit zu erhöhen. Ein solches Instrument im BEM nicht mitzudenken, halte ich für schwierig. Wie bereits ausgeführt, kann das Ergebnis auch heißen, dass der Arbeitsplatz anschließend doch verändert wird. Denkt man aber, mit der STW erst einmal einen Versuch zu wagen, sollte man das im BEM machen.

  • In vielen Fällen wird der Wiedereingliederungsplan nur auf die Änderung der Arbeitszeit beschränkt - also 2, 4 und 6 Stunden. Das passt häufig nicht zu den realen Problemen und zum Suchprozess. Die von Anke Kidan beschriebenen Beispiele zeigen mögliche Lösungen. Auch die von Britta genannte "3-Tage-Woche" kann passen, vor allem bei längeren Anfahrtswegen zum Betrieb. Dafür wird ein betriebsorganisatorischer Rahmen benötigt und es wäre gut, wenn die betriebliche BEM-Vereinbarung dafür hinreichend offen ist. Natürlich ist es ärgerlich, wenn die Formulare für praktische Lösungen wenig Raum lassen. Aber das Formular ist nicht die Grenze eines Antrags. In jedem Formular ist Platz für den Satz: "Der detallierte Plan ist angehängt" und dann wird das ganz "altklassisch" angeklammert. Wichtiger ist das innerbetriebliche Verständigungsverfahren.

  • ein neuer Arbeitsplatz eingenommen wird, der eher den aktuellen Fähigkeiten und Kompetenzen der Person entspricht.

    … und genau bei einer solchen Konstellation kann und sollte ggf. die Stufenweise Wiedereingliederung auch an einem geeigneten anderen Arbeitsplatz versucht werden, so zu Recht bereits Dr. Gagel im Fachbeitrag: B16-2006 (Seite 5) auf reha-recht wie folgt:


    „Auch SWE durch eine andersartige Tätigkeit kommt in Betracht. Zwar sprechen § 74 SGB V und § 28 SGB IX nur von Teilen der bisherigen Tätigkeit. Es gibt aber keine Sperre, Wiedereingliederung auch anders zu versuchen.“


    Selbst in einem anderen Betriebe des Arbeitgebers oder einem anderen Unternehmen ist die StW nicht generell von vornherein ausgeschlossen lt. dem BMAS 2019, soweit dort geeigneter(er) Arbeitsplatz.

  • Vorab zum besseren Verständnis:

    Ich bin als „örtliche“ Schwerbehindertenvertretung im Schulamtsbereich Neuruppin tätig. Das Schulamt, nicht die Schule ist die Dienststelle für die Lehrerinnen und Lehrer. Wir haben über 250 schwerbehinderte und gleichgestellte LK in über 55 Schulen verteilt über 4 großflächige Landkreise.


    Als Schwerbehindertenvertretungen sind wir mit dem Arbeitgeber / Dienstherr in Anwendung unserer Dienstvereinbarung BEM übereingekommen, dass die SBV aus Gründen der Prävention an jedem BEM beteiligt werden kann, wenn der erkrankte Beschäftigte es wünscht.

    Daher werden wir informiert, wenn die 6 Wochen Frist für das BEM erreicht ist.

    Ich wende mich dann in einem Infobrief an die erkrankten Lehrkräfte (Brief nach Hause,denn Dienstmails werden in der Krankheit nicht gelesen ) und biete meine Hilfe an. Meist melden die Lehrer u.a. pädagogische Fachkräfte sich dankend zurück.

    Im Rahmen des Erstkontaktes berate ich dann zu den Möglichkeiten eines BEM und der stufenweisen Wiedereingliederung (als ein Element des BEM). Für viele Kollegen sind das gänzlich neue Informationen. Wer befasst sich schon in der Hektik des Arbeitsalltags mit dieser Theamtik, solange er nicht selbst lange erkrankt ist? Und auch dann sind oft andere Sorgen viel vordringlicher.


    Im Rahmen der Vorbereitung auf das BEM nehmen wir (ich habe tolle Stellvertreterinnen, die ich heranziehen kann) uns Zeit mit den Rehabilitanten, um das Formular des WE- Planes zu besprechen. Die Hinweise des Arztes zu Einschränkungen in der Verwendung sind enorm wichtig, denn neben der Unterrichtsverpflichtung, die tatsächlich beziffert stufenweise gesteigert werden kann, bedarf es Regelungen, in welchem Umfang weitere Aufgaben (Pausenaufsichten, Klassen- und Lehrerkonferenzen, Elterngespräche etc.) erfüllt werden können.

    Eine konkrete Aussage des Arztes dazu wird meistens in die BEM-Festlegungen übernommen.


    In der Beratung besprechen wir auch einen konkreten Vorschlag für die Steigerungsstufen, der sich an den Bedürfnissen der erkrankten Lehrkraft und an den Gegebenheiten des Unterrichts orientiert. (Bsp. 1.Stufe : Übernahme des Deutschunterrichtes in zwei 9.Kl bedeutet 2x4 Unterrichtsstunden. Das muss dann auf dem WE- Plan stehen: 1. Phase: 8 U-Stunden/ Wo zuzüglich Vor-und Nachbereitungzeiten, Elterngesprächen, aber zunächst Freistellung von „ Dienstberatungen“. Deren Protokoll kann nachgelesen werden.)

    Ohne dieses genaue Bedenken der schulischen Situation läuft es nicht. Dann ergeben sich „ Reststunden“ oder Stundenteile und der Einsatz als Vertretungslehrer ist vorprogrammiert. Dies erweist sich als enorme gesundheitliche Belastung, denn das fordert enorme Leistungskraft.

    Die Ärzte können die betriebliche Situation oft nicht einschätzen. Nicht so präzise vorbereitete WE-Pläne führen regelmäßig zu Achselzucken der Schulleiter, weil sie nicht wissen, wie sie 30 / 40 umsetzen können. Häufig würde sich dann eine Stundenplanänderung für mehrere / alle LK ergeben, bei der nächsten Stufe wieder. So viel Unruhe kann sich die Schule gar nicht leisten.


    Als Teilnehmer am BEM für alle Kollegen, die das wünschen, bleibt die SBV in der Prozessbegleitung und hat jederzeit die Möglichkeit, sich an den Schulleiter oder die Schulaufsicht zu wenden und nötige Nachsteuerungen zu kommunizieren. Dann fahren wir auch an die Schulen.

  • Das (tolle!) Beispiel (Danke!) unterstreicht für mich noch einmal, wie wichtig es eigentlich wäre, schon in die Erstellung des Wiedereingliederungsplans regelhaft alle relevanten Seiten (Betroffene, med.-therapeutische und betriebliche Akteur:innen) einzubinden.

    Ich möchte aber noch ein weiteres Thema einbringen. Bislang kamen die STW der KK und der DRV zur Sprache (in denen Krankengeld- bzw. Übergangsgeld bezahlt werden). In meinen Studien begegnet mir aber immer wieder noch eine weitere Form... die "(Rest-)Urlaubs(-finanzierte)-STW", bei der die zuvor häufig sehr lang krankgeschriebenen Betroffenen mit ihren Arbeitgeber:innen einen Wiedereingliederungsplan vereinbaren, in dem (Rest-)Urlaubsansprüche für (mitunter über einen sehr langen Zeitraum andauernde, mit KK/DRV-STW nicht abbildbare?) Arbeitszeitreduktionen eingesetzt werden - bei vollem Entgelt. Die Betroffenen "opfern" hier also ihren Urlaub (was nach langer Ausfallzeit von ihnen aber erst einmal gar nicht als großes Opfer empfunden wird), verhindern aber weitere Lohneinbußen (durch Kranken-/Übergangsgeldbezug, dauerhafte Arbeitszeitreduktionen; - was häufig drängender ist). Die Arbeitgeber:innen zahlen voll, müssen aber keine weiteren "Ausfallzeiten" durch angestauten Urlaub hinnehmen. Ich würde mich sehr über entsprechende Erfahrungsberichte, Meinungen und rechtliche Einordnungen freuen!

    • Offizieller Beitrag

    Wir freuen uns über die vielen Erfahrungsberichte, Sichtweisen und Einschätzungen, die bereits zur StW eingegangen sind. Gerne können Sie auch weiterhin die Diskussion hierzu fortführen.

    Für das von Frau Schwarz angesprochene Thema ist eigens ein neuer Diskussionspfad eingerichtet. Sie regt eine Diskussion zum Modell der StW unter Einsatz des Resturlaubs an. Die arbeitsunfähig Beschäftigten setzen in diesem Modell ihren Resturlaub zur Reduzierung der Arbeitszeit ein. Hierzu wurde ein neuer Diskussionspfad erstellt: "Stufenweise Wiedereingliederung" unter Nutzung des Resturlaubs

  • Die STW ist sehr gut geeignet (das ist wissenschaftlich nachgewiesen), die Wahrscheinlichkeit der beruflichen Wiedereingliederung nach längerer Arbeitsunfähigkeit zu erhöhen.

    So auch die sehr lange Erfahrung der SBK zum Siemens-Modell seit Anfang der 70-er Jahre vor über 50 Jahren, wonach bei einem Wiedereinstieg ohne die StW lediglich „geringe Erfolgsquote“ laut Krankenkassen-Manager Daniel Jakobi von der SBK im Deutschlandfunk 2020.

  • Ich möchte darauf hinweisen, dass die Betriebliche Sozialberatung gerade beim Return To Work eine aus meiner Sicht sehr hilfreiche Unterstützung ist, um zu individuelle Möglichkeiten zu beraten aber diese auch im Betrieb überzeugend darzustellen und zu begleiten. Eine gute Kommunikation und eine faire Beziehungsebene sind oftmals mehr die Schlüssel für eine kooperative konstruktive Arbeitssituation aus der Erkrankungszeit als möglicherweise noch Formalien. Die stufenweise Wiedereingliederung ist aus meiner Sicht ein sehr hilfreiches geeignetes Mittel sowohl für Betroffene als auch das Unternehmen.

  • Wir haben in unserem Unternehmen sehr gute Erfahrungen mit individuellen Plänen zur stufenweisen Wiedereingliederung gemacht.

    Zur tageweisen StW schreibt die DRV in ihren internen GRA-Anweisungen zu § 44 SGB IX: Die DRV geht dabei offenbar davon aus, dass die DRV darüber zu befinden habe, ob und in welchem Umfang diese StW tageweise durchführbar ist – entgegen Gagel 2006 und entgegen BSG 2024:


    4.2.1 Vollzeitbeschäftigungen

    „Ausnahmsweise kann die stufenweise Wieder­ein­glie­de­rung aus medizinischen oder betriebsbedingten Gründen (zum Beispiel bei Schicht- oder Wechseldienst) auch tageweise bei voller Arbeitszeit durchgeführt werden, wenn dies im Stufenplan so vorgesehen wird (AGDR 1/2008, TOP 15).“

  • Damit gab es bei uns bisher keine Probleme. Es ist häufig gerade zu Beginn der WE notwendig, einen oder zwei Tage " freizuhalten " für medizische Maßnahmen zur Genesung. (Physio-, Psychotherapie, Rehasport etc.)

    Im ländlichen Raum mit langen Fahrwegen geht es oft gar nicht anders.

    Für den Einsatz der Lehrkräfte geht das auch gut zu organisieren.