Mich würde interessieren, ob es nach dem niederschmetternden Urteil des BSG zu Fahrtkosten noch eine alternative Sichtweise (oder überhaupt kritische Kommentare) gibt. Und: ich habe verstanden, dass die StW zwar nicht als med. Reha gesehen wird und deshalb die Kassen keine Fahrtkosten bezahlen müssen. Die Rentenversicherung bei StW im Anschluss an med. Reha in der Klinik aber schon. Ist das richtig?
Hoffnung für Fahrtkosten?
-
-
Ja - die beiden Urteile des BSG vom 16. Mai 2024 sind wohl ein Motivationskiller „erster Güte“. Dies besonders für Geringverdiener auf dem Lande (des Öfteren Frauen in Teilzeit), die auf PKW angewiesen sind und sich nicht mit dem hoch subventionierten „49-Euro-Ticket“ mit drei Milliarden Euro, oder z. B. Berlin-Abo wie dem „Berliner 29-Euro-Ticket“ für alle behelfen können.
SGB IX-Experte:
Laut Experten Wurm in Schell, SGB IX, § 44 Rz. 35, besteht gegen die DRV grundsätzlich Rechtsanspruch (nicht bloßes Ermessen – entgegen Verlautbarungen DRV Bund z.B. in rvRecht > § 44 SGB IX Abschn. 7,
wonach Fahrtkosten vorgeblich
„nur im Rahmen einer Ermessensentscheidung nach § 31 SGB VI erstattet werden“ könnten). Aus meiner Sicht reine Desinformation laut Rspr. und Wissenschaft. Ein obergerichtliches Urteil, dass kein Anspruch gegen DRV bestünde – existiert nicht seit SGB IX 2001.
Wurm, Rz. 35: „Es ist damit nicht ersichtlich, aus welchen Gründen § 28 SGB VI i.V.m. § 73 SGB IX auf die stufenweise Wiedereingliederung keine Anwendung finden sollte“.
Offenbar orientiert sich DRV im Ergebnis an den scharf kritisierten und in jeder Hinsicht haltlosen Fehlentscheidungen des LSG Thüringen, 01.08.2013 - L 6 KR 299/13 NZB, sowie SG Kassel, 20.05.2014 - S 9 R 19/13, wonach „kein Anspruch“ bestünde. Dieses LSG Thüringen hat sich zwar mit Krankenkassenrecht befasst nach SGB V, dabei aber völlig verkannt, dass Rentenversicherungsrecht einschlägig gemäß SGB VI, weil Gesamtmaßnahme (da StW im „unmittelbaren“ Anschluss an „stationäre“ Rehamaßnahme!). Kritische Anmerkung zu Fehlurteil dieses SG Kassel von Nellissen im Fachbeitrag A7-2015, dass sich DRV nicht aus ihrer Verantwortung „stehlen“ dürfe. Und diese beiden Gerichtsentscheidungen werden völlig zu Recht als grobe „Justizirrtümer“ angesehen und verbreitet kritisiert bzw. einhellig abgelehnt in Rechtsprechung, Wissenschaft und Lehre, soweit ersichtlich. Bei dieser Sach- und Rechtslage hätten beide Gerichte die Berufung zweifellos zulassen müssen; auch das ist jew. insoweit krasses „Justizversagen“.
Der Fehleinschätzung 2008 von „Experten“ der DRV mit komplett „polemischer“ Begründung haben z.B. SG Neuruppin, 26.01.2017, S 22 R 127/14, LSG Sachsen, 14.10.2022, L 1 KR 320/20 (rkr), zuletzt u.a. BSG, 16.05.2024, B 1 KR 7/23 R, Rn. 51, ganz energisch, überzeugend sowie unmissverständlich widersprochen, wonach Rechtsanspruch laut der einschlägigen Normenkette (der DRV-Träger weiterhin nicht folgen und diese uneinsichtig, vorsätzlich bzw. ganz bewusst ignorieren):
bzw § 64 Abs. 1 Nr. 5 SGB IX
Ebenso BAR | REHA-INFO 4/2024, Seite 12 oben, dass Fahrkosten im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung zu übernehmen sind, „wenn sie im Zusammenhang mit Leistung med. Reha anfallen“ (Dr. Thomas Stähler, Marcus Schian). Beide sind renommierte Experten des Rehabilitationsrechts.
Fazit: Die gegenteilige rein interne DRV-Verwaltungsvorschrift ist für Gerichte (verfassungsrechtlich) selbstverständlich nicht bindend – weil rechtlich keinerlei verbindliche Außenwirkung, diese also die einschlägige - gesetzliche - Regelung des § 28 Abs. 1 SGB VI nicht zu begrenzen und nicht auszuhebeln vermag, soweit Gesamtmaßnahme nach ständ. BSG-Rspr. seit 2008. Zum vorgeblichen Ermessen laut DRV-Auslegung gemäß „eigenen Kriterien“ vgl. kritisch Albersmann, 24.11. 2022: Dieser ausgewiesenen Reha-Expertin ist jedenfalls im Ergebnis voll zuzustimmen, wonach kein Ermessen, sondern vielmehr Anspruch gegen DRV. Gibt‘s dazu Fachbeiträge / neuere Aufsätze?
Dennoch hat diese DRV bis heute niemals anerkannt, dass gesetzlicher Rechtsanspruch besteht trotz klarer Rechtslage seit 2001 – sondern sie behauptet weiterhin das genaue Gegenteil trotz gegenteiliger Rspr. aller Instanzen in ihrem sog. DRV-Expertenforum der Reha-Träger: DRV hält an ihrem Denkfehler fest; erinnert fatal an eine Doku der AOK BY zu 3x BSG 2008/2009, wonach DRV damals versuchte, sich der Verantwortung systematisch zu entziehen „in einer unglaublichen Vielzahl“ von Fällen bei SWE.
Diese nachfolgende kategorische „Expertenantwort“ der DRV bspw. vom 25.10.2016 aufgrund interner Beschluss- und Weisungslage der DRV erscheint nur vorgeschoben – und Doris hat sich dort offenbar einfach „abwimmeln“ lassen per amtlicher „Desinformation“ …
Fahrtkostenzuschuß während Wiedereingliederung | Ihre VorsorgeIm Sozialrecht gibt es einen Hinweis auf Fahrtkostenzuschüsse während der stufenweise Wiedereingliederung. In § 44 Abs. 1 Nr. 5 ...www.ihre-vorsorge.deVerjährung?
Es gilt auch nicht die kurze DRV-„Antragsfrist“, sondern nur die 4-jährige Verjährungsfrist laut § 45 SGB I zuzüglich idR Hemmung der Verjährung, weil Stufenplan als Antrag gilt nach ständiger Rspr.: Demnach regelhaft auch keine Verjährung seit dem SGB IX 2001. Bedenken? Wie wird das von den Expert:innen gesehen? Vgl. dazu Sozial-Fibel zur „Verjährung bei Sozialleistungen“, Seite 465.
-
Die Rentenversicherung bei StW im Anschluss an med. Reha in der Klinik aber schon. Ist das richtig?
Aufsatz zum BSG vom 16.05. 2024 – B 1 KR 7/23 R – von Prof. Dr. Carsten Wendtland in SGb 11/2024 der auch mehrere Schwachstellen aufzeigt:
Fazit: „Falls sie die stufenweise Wiedereingliederung in zeitlicher Überschneidung oder zumindest im engen Zusammenhang mit Rehabilitationsleistungen durchführen, dürfen sie auf eine Übernahme der Fahrtkosten hoffen, nicht aber bei einer davon losgelösten stufenweisen Wiedereingliederung ...“
Leider geht Wendtland nicht auf die praxisrelevante Frage ein, ob nun restriktives DRV-Ermessen nach § 31 SGB VI oder vielmehr vorrangig Anspruch laut § 28 SGB VI, obwohl das von ausschlaggebender Bedeutung sein kann laut DRV-Verwaltungspraxis, die offenbar auf Formblattantrag noch während AU besteht, obwohl Stufenplan bekanntlich als Antrag auf Fahrkosten gilt. Wer hat sich diesen Bürokratismus nur ausgedacht und warum? Ob dieses alles im Benehmen mit BMAS erfolgte nach § 31 Abs. 2 Satz 3 SGB VI ist nicht bekannt.
Ist also mit der ganz herrschenden Meinung davon auszugehen, dass Rechtsanspruch nach § 28 SGB VI besteht, dann ist das DRV-Formular G0835, Stand 06.12.2021, datenschutzrechtlich äußerst fragwürdig: Denn es werden damit teils persönl. Daten abgefragt, gespeichert bzw. verarbeitet – obwohl „rechtlich“ offensichtlich nicht vonnöten lt. § 28 SGB VI wie folgt:
„Ohne Erstattung der Kosten ist die Durchführung der stufenweisen Wiedereingliederung gefährdet, weil …“
Wie kommt die Behörde dazu, bei Rechtsansprüchen die,finanzielle Situation Versicherter auszuforschen, obwohl sozialrechtlich völlig irrelevant für Anspruch gemäß ständ. gefestigter rkr. Rechtsprechung – wonach es keine solche Voraussetzung gibt?
Eine datenschutzrechtliche Freigabe hätte daher niemals erfolgen dürfen, zumal im DRV-Formular Hinweise auf Rechtsgrundlage im SGB VI fehlen.