Wie können Schulen und Arbeitgeber sowie Leistungsträger und Dienstleister einen inklusiven Berufseinstieg unterstützen?

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    • Welchen Beitrag leisten Schulen, Sozialversicherungs-/ Teilhabe-Träger, Integrationsämter, Arbeitgeber, ausbildende Stellen, betriebliche Interessenvertretungen, damit junge Menschen mit Beeinträchtigungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Fuß fassen können?
    • Mit welchen Maßnahmen unterstützen sie Beratungsprozesse und berufliche Orientierungsphasen?
    • Im Zuge eines Übergangs von der Schule in den Beruf wechselt häufig der zuständige Träger für Teilhabeleistungen. Wie kann diese Änderung nahtlos gestaltet werden, um Verzögerungen bei der Inanspruchnahme zu vermeiden?

    (Dies ist ein Fragenimpuls des Teams)

  • Vorab: Tolles Thema. Und notwendig. Danke dafür !


    Vorerst einmal wäre es wichtig, dass Verständnis von Neurodivergenz bei allen Beteiligten auf den aktuellsten, realen Stand zu bringen. Sprechen wir von Autismus, haben wir viel zu oft dass Vollbild einer Erkrankung mit schwersten Auswirkungen vor dem inneren Auge. Dies ist dem ICD-10 geschuldet (und seinen Vorversionen), welche noch in Kanner-Autismus, Atypischer Autismus, Asperger unterschieden. Wir gehen aber heute von einem Spektrum aus, zu dem übrigens auch eine hohe Überschneidung zu ADHS vorliegt (bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger). Früher ein gegenseitiges Ausschlusskriterium, heute zwei Seiten einer Medaille. Denken wir gleichwohl über ADHS als Einzeldiagnose haben wir das Bild von Schulkindern vor dem Auge, die nicht still sitzen können. Es ist aber so viel mehr. Motorische Probleme, ein hohes Gerechtigkeitsbewusstsein, ein intensives Beziehungsverhalten, ein hohes Vorkommnis von LGTBQ+ - Anteilen etc. Die autistischen Anteile können sich wiederum unter anderem in einem beständigen inneren Monolog äußern, in einer pragmatischen, problemlösungsorientierten unbedingten Loyalität gegenüber ihren nahestehenden Menschen (meistens nur eine Person).

    Das Spektrum ist sehr divers, zentrale Symptome sind aber bei allen gleich. Spätdiagnostizierte Menschen sind oftmals mit durchschnittlicher-überdurchschnittlicher Intelligenz ausgestattet, was mit Nichten dazu führt, dass sie es im Leben leichter haben. Weil sie normal intelligent sind, wird ihnen gegenüber ihren Handlungen eine Intention unterstellt, nach dem Motto: "Er/Sie ist doch schlau, warum bekommt er/sie es nicht hin? Er/Sie muss sein Verhalten dementsprechend mit Absicht ausüben." Also wäre es gut, den Betroffenen einfach mal zu glauben, was sie äußern. Menschen mit Neurodivergenz können sowieso in den seltensten Fällen lügen. Das, mit jedem Respekt, ist eher das Ding der anderen "Seite". Wenn man aber bei einem Arzt als erstes hört: "Sie können Augenkontakt halten, also sind Sie kein Autist.", invalidiert (verneint) das nicht nur das eigene Erleben (was traumatische Qualität annehmen kann), sondern verhindert durch die nicht erteilte Diagnose auch den Zugang zu Unterstützungsmaßnahmen wobei alles (!) was in der Impulsfrage steht sowieso entfällt, weil auch Sachbearbeiter der Betroffenen Person natürlich weniger glauben als einem Arztbericht.

    Woher kommt das? Das kommt davon, dass beide Seiten die Wahrnehmung der anderen Seite nicht nachvollziehen können. Das ist erstmal weder schlecht noch gut, hat aber Folgen. Neurotypische Menschen kommunizieren grundlegend mit einer Fülle an verbalen Signalen die unterhalb der Wahrnehmungsschwelle einer neurodiversen Person ablaufen. Neurodiverse Menschen hören das nicht. Punkt. Schulz von Thun kann man hier vergessen. Neurodiverse Menschen handeln als Folge von reden, neurotypische Menschen reden größtenteils als Vertretung von Handeln und um ihre Beziehung zueinander zu klären. Neurodiverse Menschen denken eher zirkulär, Neurotypische Menschen kausaler. Es nicht möglich für den jeweils anderen sich das vorzustellen. Deswegen wäre es wichtig, die eigene Vorstellungskraft beiseite zu schieben und um Gottes Willen erstmal zu akzeptieren, dass es für die andere "Seite" so ist.

    Neurodivergente Mädchen fallen in der Schule weniger auf, weil sie zurückgezogener sind und eher "typisch" weibliche Eigenschaften repräsentieren. Jungs sind eher laut und unangenehm und bekommen dann wenn sie die Schule verlassen vielleicht die Borderline-Fehldiagnose (und noch so manch andere wundervolle Annahme, die in den folgenden Jahren definiert, wie man über sich selbst denkt). Wir haben Annahmen über andere Menschen. Jede Annahme ist aber ein Vorurteil. Diese Vorurteile müssen weg. Das verlangt Arbeit, aber nur so kann man die Betroffenen unterstützen (und natürlich muss auch diesen bewusst sein, dass das Großteil der Menschen anders funktioniert als sie).

    Ich habe in einem Verfahren mit einer erwachsenen autistischen Person die Situation, dass der Leistungserbringer seit Jahren darauf besteht, dass nur die Umschulung zum IT-Fachmann den Klienten beruflich erfüllen wird. Aber drei mal dürfen Sie raten; auch dort arbeiten Menschen mit denen man sich verstehen muss. Und noch ein viertes mal dürfen Sie raten; eine der häufigsten Berufsgruppen für neurodivergente Menschen ist: Sozialarbeiter. Huch. Das passt ja gar nicht zu dem was man in seinem Medizin-Malbuch auf der Uni gelesen hat. Also. Erst wenn man sich der Fülle des Spektrums bewusst ist, der Gemeinsamkeiten und der Unterschiede und die Betroffenen als Experten in eigener Sache akzeptiert, kann man solche Menschen auch gut im Arbeitsmarkt integrieren. Um es mit dem Chef von Auticon zu sagen: Ein Autist kann in jedem Beruf arbeiten, wenn das berufliche Umfeld auf ihn eingestellt / angepasst ist.

    vG

    Rudolf Bede (Fachperson und selbst Betroffener)

  • Es braucht fachlich und sozial kompetente, offene und zugewandte Menschen in den beteiligten Behörden, die oftmals allein durch ihre Position einen entscheidenden Einfluss auf das Wirken und Entscheiden von Eltern und betroffenen Jugendlichen ausüben.

    Es ist mindestens sehr irritierend, wenn die Einschätzung der möglichen Fachlichkeit von Jugendlichen mit Neurodivergenz sich an veralteten und falschen Stereotypen, (Vor-)Urteilen und Zuschreibungen von Fähigkeiten bzw. dem Abschreiben von potenziellen Kompetenzen orientiert und auf dieser Grundlage Berufswahlempfehlungen getroffen werden.


    Es braucht die Bereitschaft zur Suche nach der oftmals höchst individuellen Lösung, wenn Einschätzungen und Empfehlungen den betroffenen (jungen) Menschen gerecht werden sollen. Die Empfehlung für ein Berufsbildungswerk, welches mit dem Wohnen in einem Internat gekoppelt ist, passt nicht für alle betroffenen Jugendlichen und dies auch dann nicht, wenn die Ausbildenden mit Neurodivergenz vertraut sind.


    Ebenso braucht es eine Beratungsstruktur oder eine Art Lotsen für Eltern, um sich in diesem Feld und den unterschiedlichen Zuständigkeiten der Ämter/Behörden in Abhängigkeit von der Art der Ausbildung (duale Ausbildung, schulische Ausbildung) zurecht zu finden. Ein solchen Beratungsangebot könnte auch online unterbreitet werden.

  • "Menschen mit Beeinträchtigungen" sind Menschen, die an den üblichen gemeinhin als "normal" bezeichneten Anforderungen und Erwartungen scheitern. Ihre Kompetenzen, Wünsche und Erwartungen werden oft nicht wahrgenommen oder diskreditiert. Das gilt auch für neurodiverse oder autistische Menschen.

    Es gibt keinen einfachen Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt, aber es gibt den Versuch, "autistischen Menschen" den Zugang zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erleichtern, indem in einem "Leitfaden Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Autismus" aus den Erfahrungen der Praxis heraus versucht wird, all das, was hilfreich sein könnte, aufzulisten und darzustellen. Dazu gehört in erster Linie, "autistische Menschen" nicht infrage zu stellen, sondern zu versuchen, sie zu verstehen, weil sie anders wahrnehmen, anders denken und anders kommunizieren. Dazu gehört auch ein umfangreiches Kompendium von Möglichkeiten der Unterstützung zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie die Auflistung von Institutionen, Beratungsstellen und Leistungen. Der Leitfaden wurde gemeinsam von autismus Deutschland e.V. und der BAG UB 2023 erstellt und ist unter folgendem Link

    https://www.bag-ub.de/news/3/838544/firmennachrichten/leitfaden-teilhabe-am-arbeitsleben-für-menschen-mit-autismus.html
    abzurufen.

  • Auch für Menschen mit Autismus gibt es die Möglichkeit über die außerbetrieblichen Ausbildungen (Vollberufe oder Fachpraktiker-Berufe) einen ersten Schritt ins Berufsleben zu machen. Hier wird ja immer angestrebt, dass die Vermittlung in eine normale Regelausbildung gelingt. Es werden immer mehr Fachpraktiker-Berufe entwickelt. Allerdings ist der Bearbeitungsweg hier sehr lange (Antragstellung bei der Kammer, Ausarbeitung, Ausschüsse) bis zur Genehmigung. Insbesondere die Genehmigung über das Regierungspräsidium einzuholen dauert sehr lange und verzögert das Ganze.

    Ich finde aber diese Berufe enorm wichtig, um allen Menschen die Möglichkeit zu geben in einem anerkannten Ausbildungsberuf zu arbeiten.

  • Die Berufswahl ist für junge Menschen mit Beeinträchtigung ein wichtiger Schritt hin zum Erwachsenwerden und selbstständigen Handeln. Sie brauchen dabei vor allem staatliche Fördermaßnahmen, die sie selbst, ihre Familie und die Ausbildungsstätten in gleichen Teilen unterstützen. Im Sozial,- insbesondere im Rehabilitations- und Teilhaberecht, sind dazu verschiedene Instrumente und Leistungen vorgesehen. Darunter fallen unteranderem Berufsorientierung, Berufseinstiegsbegleitung und berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (§§ 48 ff SGB III), welche beispielsweise die Absolvierung eines betrieblichen Praktikums fördern können.


    Eine weitere wichtige Teilhabeleistung ist das Budget für Ausbildung, § 61a SGB IX. Dieses ist eine finanzielle Unterstützung für Menschen mit Behinderung oder von Behinderung bedrohten Menschen. Ziel ist dabei die Teilhabe am Arbeitsleben zu fördern und die Chancen auf einen erfolgreichen Abschluss der Ausbildung zu erhöhen.


    Eine andere Teilhabeleistung, ist das persönliche Budget, § 29 SGB IX. Dies soll Menschen mit Behinderung und von Behinderung bedrohten Menschen vor allem mehr Selbstbestimmung und Flexibilität bei der Inanspruchnahme von Unterstützungsleistungen ermöglichen. Mit diesem Instrument können verschiedene Leistungen – wie zum Beispiel auch Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder an Bildung – finanziert werden. Darunter fallen zum Beispiel spezielle Bildungsprogramme (die auf individuelle Bedürfnisse zu geschnitten sind), Coaching und Beratung.


    Problematisch ist auch die Inkompatibilität zwischen sonderpädagogischen Strukturen nach sonderpädagogischem Förderungsbedarf und dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Denn während im allgemeinen Schulsystem verschiedene Förderschwerpunkte wie: Lernen, emotionale und soziale Entwicklung, geistige Entwicklung, körperliche und motorische Entwicklung, Sehen, Hören und Sprache, gesehen werden, werden im Beschäftigungssystem (beziehungsweise im Kategoriensystem der Bundesagentur für Arbeit) nur Menschen anerkannter (Schwer-)Behinderung oder Gleichgestellte erfasst. Mit dem Wechsel vom Schulsystem in das rechtliche Rahmenwerk zur Regelung der Teilhabe am Arbeitsleben ändern sich also die Definitionen der Zielgruppen, was den Zugang in die Berufswelt für ehemalige Förderschüler:innen erheblich erschwert. Für einen inklusiven Übergang müsste demnach vor allem an der Kompatibilität dieser Systeme gearbeitet werden.


    Darüber hinaus sind eine individuelle Unterstützung durch geschultes Personal, sowie ein barrierefreier Zugang zu Informationen notwendig. Leistungsträger könnten sich beispielsweise direkt an Schulen wenden und vor Ort eine individuelle, bedarfsorientierte Beratung anbieten. Weiterhin ist es notwendig, dass gegenüber den betroffenen jungen Menschen und ihrer Familien offen und klar kommuniziert wird, welche Hilfsangebote es gibt und welche Anträge dafür bei welchem Leistungsträger gestellt werden müssen. So kann eine effiziente und zielgerichtete Unterstützung erfolgen. Mithin wäre eine Kooperation von Leistungsträgern und Schulen hinsichtlich der Sichtbarmachung aller Unterstützungsangebote wünschenswert.


    Zudem ist die Sensibilisierung und Aufklärung in der Gesellschaft von großer Bedeutung. Dies sollte bereits in den Schulen, aber auch auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt erfolgen.



  • Um einen gelungenen Trägerwechsel durchzuführen könnte es aus unserer Sicht hilfreich sein, dass sich „alter“ und „neuer“ Träger gemeinsam mit dem Betroffenen (und ggf. Unterstützungspersonen) zu einem Gespräch zusammenfinden, um bisher bewährte Hilfen auszuwerten und ggf. neue Hilfen zu etablieren. Somit kann ausgeschlossen werden, dass „über den Kopf des Betroffenen hinweg“ entschieden wird und derjenige sich gehört fühlt.

    Das A und O für einen inklusiven Berufseinstieg ist eine offene Gesellschaft (nicht nur Schulen, Ämter, Arbeitgeber) die aufgeklärt und bereit ist, die Individualität eines jeden Menschen zu sehen und zu fördern.

  • Schulen, indem für alle Schüler Themen wie Leben nach der Schule, Berufswunsch, besondere Interessen, besondere Fähigkeiten, Arbeitstätigkeiten, Arbeitsorte feste Unterrichtsbestandteile von der 7. oder 8. Klasse an sind und für jeden einzelnen Schüler regelmäßig betriebliche Praktika mit der dazu notwendigen Unterstützung bis zum Schulende erprobt werden. Oft gibt es eine klare Perspektive oder zumindest einen Ansatz für eine Arbeit oder sogar einen möglichen Arbeitsort nach der Schulzeit.

    Leistungsträger, indem tatsächlich der individuelle Unterstützungsbedarf des einzelnen Menschen für eine betriebliche Tätigkeit in ausreichendem Maße ermittelt wird, über alle zur Verfügung stehen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben informiert wird, auf alle möglichen Dienstleister der Region und auch die Möglichkeit der Umsetzung im Persönlichen Budget hingewiesen wird. Mit einem individuell personenzentrierten "Unterstützungsrucksack" ausgerüstet zu sein, ist die notwendige Voraussetzung für eine individuelle betriebliche Qualifizierung, von der man zu Anfang nicht weiß, auf welchem Level sie enden kann. Die Möglichkeit alle vorhandenen Teilhabeleistungen (§§ 49 ff SGB IX) so lange wie notwendig nahtlos auch nacheinander personenzentriert nutzen zu können, ist die Herangehensweise, um für Menschen mit Behinderungen wie in § 1 SGB IX zugesichert tatsächlich "ihre Selbstbestimmung und ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern".

    Dienstleister, indem sie in ihrer Region gut mit Schulen, Arbeitgebern und den Leistungsträgern vernetzt sind, qualifiziertes Fachpersonal haben, über wachsende Erfahrungen und Arbeitgeberkontakte verfügen und die mit jedem Menschen und mit jedem Arbeitgeber neue individuelle und für beide Seiten (Mensch mit Beeinträchtigung und Arbeitgeber) passgenaue Lösungen finden.

    Arbeitgeber sind dann, wenn Schulen, Leistungsträger und Dienstleister so konstruktiv zusammenarbeiten, dass sich notwendigen Maßnahmen und ausreichende Unterstützung aneinanderreihen nach der ersten erfolgreichen Vermittlung für weitere Menschen mit Beeinträchtigungen aufgeschlossen und entwickeln eigene Ideen, wie sie weitere Menschen in ihre Betriebsabläufe einbeziehen können.

    Es sind die langjährigen erfolgreichen betrieblichen Vermittlungen von Menschen auf unterschiedlichstem Leistungsniveau, die den allgemeinen Arbeitsmarkt zu einem inklusiven Arbeitsmarkt werden lassen.

    Es gibt Regionen, in denen seit Jahren sehr erfolgreich zusammengearbeitet wird und es gibt Regionen, in denen immer noch sehr wenig oder gar nichts passiert. Eltern, Lehrer, Schulen, Leistungsträger, Dienstleister, Arbeitgeber, ... - alle sind erforderlich, aber jeder kann anfangen! Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es.

  • Schwierig ist aus meiner Sicht, dass genau diese Angebote (Reha-Ausbildungen, Unterstützte Beschäftigung, etc) über das Vergaberecht vergeben werden. Wir sind als Träger seit 15 Jahren tätig, haben ein sehr breit aufgestelltes Team und eben auch seit 15 Jahren Erfahrung. Es kann aber passieren, dass nach drei Jahren dann der Zuschlag an einen anderen Träger geht, hier spielt nicht nur die Qualität eine Rolle sondern leider auch der Preis.

  • Ausschreibungen sind, wenn nicht grundsätzlich, aber auf jeden Fall im Sozialwesen gänzlich kontraproduktiv, weil die Zielerreichung das entscheidende Qualitätsmerkmal ist.

    Die BAG UB fordert beständig die Ausschreibungen für die Unterstützte Beschäftigung nach § 55 SGB IX abzuschaffen. Der Preis der Leistung kann nicht an einer Norm festgemacht werden, weil es sich zum einen um sehr individuelle Menschen handelt, die in unterschiedlicher Form und in unterschiedlichem Umfang qualifiziert, unterstützt und begleitet werden müssen, und zum anderen auch die Rahmenbedingungen zur potentiellen Arbeitsplatzfindung und zur Erreichbarkeit eines Arbeitsplatzes regional durch sehr unterschiedliche Faktoren begünstigt oder erschwert sind.

    Die Ausschreibungen nach § 55 SGB IX werden mit hohem zeitlichen Aufwand auf Seiten der Leistungserbringer und auf Seiten der Regionalen Einkaufszentren (REZ) der Agentur für Arbeit betrieben. Das sind Kosten, die die Qualität der Unterstützen Beschäftigung nicht verbessern sondern verschlechtern und an anderer Stelle dringend gebraucht werden.

    Nachfragen im BMAS und bei der Bundesagentur für Arbeit konnten weder begründen, warum es diese Ausschreibungen gibt, noch wer für die Abschaffung dieser unsinnigen Ausschreibung zuständig ist.

    Der personenzentrierte Ansatz wird durch eine Ausschreibung negiert und bewirkt bei Leistungserbringern, dass man im eigenen Angebot unten den vermuteten Kosten bleibt, um in der Region einen erfahrenen und gut eingespielten Leistungserbringer mit kompetenten Mitarbeitern nicht zu verlieren.

  • Obwohl die Ziele für alle Menschen mit Beeinträchtigungen mit Inklusion und Teilhabe - und damit auch die Teilhabe am Arbeitsleben - rechtlich klar und deutlich verankert sind, werden sie nicht flächendeckenden umgesetzt, weil der Übergang von der Schule in den Beruf nur in wenigen Regionen systematisch angegangen wird. Nur da, wo sich Menschen und Leistungsträger verantwortlich fühlen, gelingen Ansätze.

    Als Beispiele mögen Vorträge und Dokumentationen aus Westfalen-Lippe und aus Baden-Württemberg dienen:

    BAG UB - Dokumentation Fachtagung BAG UB 2024

    Qualifizierung BVE - KoBV - Integrationsfachdienst

    Andere Ansätze gibt es im Rheinland, in Hamburg, in Franken. Damit gelingt immer noch viel zu wenigen Personen der Übergang aus der Schule in betriebliche Arbeitsprozesse. Leider gibt es keinen Qualitätswettbewerb der jeweiligen Bundesländer, in dem man voneinander lernt oder auch abschreibt. Schüler mit Beeinträchtigung, die Unterstützung und Qualifizierung zu ihrem individuellen Berufseinstieg brauchen, stehen auf keiner Agenda an vorderer Stelle und die Instrumente zur Teilhabe am Arbeitsleben, die es gibt, werden nur partiell benutzt oder durch Ausschreibungen eingeschränkt.

    Das Motto des Bundesbehindertenbeauftragten "Demokratie braucht Inklusion" ist wichtig und richtig. Den Worten müssen auch Taten folgen. Es ist ein Prüfstein für den Sozialstaat. Man sollte es ernst nehmen.

  • Letztlich sollten wir auch die Beratungsstrukturen und die Haltungen in (Förder-)Schulen in den Blick nehmen. Der Bildungsplan sollte ab der Sekundarstufe auch für Schüler mit kognitiven Einschränkungen immer Wert auf Kompetenzen legen, die Teilhabe an Arbeit erleichtern. Ein Rückschrauben des Unterrichtsehrgeizes ("das braucht er/sie ohnehin nicht, weil er/sie mit Sicherheit in die Werkstattbeschäftigung gehen wird") sollte endgültig der Vergangenheit angehören. Neben das Fördern sollte auch für diese Schüler*innen ein Fordern treten. Schüler*innen müssen (noch) mehr das Gefühl bekommen, dass man ihnen etwas zutraut.

  • Letztlich sollten wir auch die Beratungsstrukturen und die Haltungen in (Förder-)Schulen in den Blick nehmen. Der Bildungsplan sollte ab der Sekundarstufe auch für Schüler mit kognitiven Einschränkungen immer Wert auf Kompetenzen legen, die Teilhabe an Arbeit erleichtern. Ein Rückschrauben des Unterrichtsehrgeizes ("das braucht er/sie ohnehin nicht, weil er/sie mit Sicherheit in die Werkstattbeschäftigung gehen wird") sollte endgültig der Vergangenheit angehören. Neben das Fördern sollte auch für diese Schüler*innen ein Fordern treten. Schüler*innen müssen (noch) mehr das Gefühl bekommen, dass man ihnen etwas zutraut.

    Das kann ich nur unterstreichen.

    Dies erfordert u.a. die Bereitschaft, neue Wege zu gehen, die an den individuellen Bedarfen und Bedürfnissen der Schüler*innen ausgerichtet sind. Dazu bedarf es seitens des Lehr-, Betreuungs- und Integrationspersonal u.a. Zeitressourcen und die Freiheit, Ungewohntes/Neues zu versuchen und dabei auch zu irren, zu korrigieren und wieder loszugehen - eine offene, zugewandte Fehlerkultur, durchaus mit Erklärungen und Analysen, aber ohne Rechtfertigungsdruck, (Vor-)Verurteilungen und Beschuldigungen.