Laut Medienbeitrag wird die „Assistierte Ausbildung“ in einigen Bundesländern bereits erfolgreich in Modellversuchen erprobt (kobinet Nachrichten, 26.02.2015). – Kennt jemand ein solches Projekt aus eigener Erfahrung (gerne auch aus Betroffenensicht), und kann über Vor- und ggf. Nachteile berichten?
-
-
Im Internet sind unter dem Suchwort Assistierte Ausbildung eine Reihe von erfolgreichen Projekten zu finden, allerdings habe ich kein einziges gefunden, das schon mit Menschen mit Behinderungen arbeitet. Ich habe mich dann ein bisschen rum gehört, scheinbar ist erst im Verfahren zum Fünften Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (5. SGB IV-ÄndG)- BT-Drs. 18/3699 - S- 26 zu Nummer 5 - eingefügt worden.
Allerdings: Der Wortlaut des § 130 SGB III und die Geschichte der Programmentwicklung "Assistierte Ausbildung" stellen nicht wirklich auf behinderte Menschen, sondern auf "förderungsbedürftige junge
Menschen und deren Ausbildungsbetriebe während einer betrieblichen Berufsausbildung ausbildungsbegleitende Phase" ab. (§ 130 Abs. 1 SGB III). In Abs. (2) wird dann der Begriff definiert:"Förderungsbedürftig sind lernbeeinträchtigte und sozial benachteiligte junge Menschen, die wegen in ihrer Person liegender Gründe ohne die Förderung eine betriebliche Berufsausbildung nicht
beginnen, fortsetzen oder erfolgreich beenden können."
Alles in allem: es ist noch keineswegs erkennnbar, dass diese Norm tatsächlich auch für Menschen mit Behinderungen zukünftig eine Rolle spielen wird. In der zitierten Drs. S. 26f wird auch von einer zusätzlichen Alternative gesprochen. Dass die realisiert wird, wird von Bundesagentur und den durchführendenen Trägern abhängen.
H-G-Ritz -
BBW-Assistierte betriebliche Ausbildung – ein Zukunftsmodell
Zur zukünftigen Gestaltung assistierter betrieblicher Ausbildungen für junge Menschen mit einer Behinderung sind berufliche Reha-Leistungen zukünftig noch stärker am individuellen Bedarf des Einzelnen, koordiniert durch ein qualifiziertes Reha-Management, auszurichten. Damit wird die Trennung zwischen ambulant, teilstationär und stationär immer mehr obsolet. Im Vordergrund stehen der junge Mensch und das, was er für seine Ausbildung und Qualifizierung benötigt. Berufsbildungswerke müssen ihre Leistungen auch in Betrieben realisieren können.
Zur Gestaltung dieser mobilen Reha-Angebote bedarf es einer Änderung des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a SGB III: die Maßnahme darf nicht „in“ einer Einrichtung sondern muss „durch“ eine Einrichtung nach § 35 SGB IX unerlässlich sein.
Neben der Verzahnten Ausbildung mit Berufsbildungswerken (VAmB), von der heute bereits 1300 Auszubildende aus Berufsbildungswerken (BBW) profitieren, realisierten BBW seit 1999 mit REGINE und MobiliS – Vorläufermodellen der seit 2012 ausgeschriebenen begleiteten betrieblichen Ausbildung (bbA) – spezielle Reha-Unterstützungsleistungen auch in Betrieben. Da es sich hierbei nach h.M. jedoch nicht um Maßnahmen „in“ einer besonderen Einrichtung nach § 117 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) SGB III i.V.m. § 35 SGB IX handele und § 35 Abs. 2 SGB IX lediglich „Teile der Ausbildung“ in Betriebe ermögliche, wurden REGINE und MobiliS aus dem Leistungsspektrum der BBW herausgenommen und in ausgeschriebene sonstige Reha-Maßnahmen nunmehr als bbA überführt. Seit 2010 steht jungen Menschen mit einem BBW-Unterstützungsbedarf diese Form der mobilen Rehabilitation in einer betrieblichen Ausbildung nicht mehr zur Verfügung.
Darüber hinaus bedarf die Bundesagentur für Arbeit wieder der Möglichkeit, Betriebe durch ein Ausbildungsmanagement zu unterstützen. Nur so kann Inklusion gelingen. Entsprechende Modelle scheitern aktuell an den mangelnden Anspruchsgrundlagen im SGB III und den fehlenden Möglichkeiten der BA, neue zielführende Modelle zu erproben.
Rainer Lentz
Bundesarbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke e.V., Berlin
www.bagbbw.de -
Um das Ursprungsthema noch einmal anzusprechen: Seit 2015 ist die Assistierte Ausbildung im SGB III verankert. Wie sind die Erfahrungen in der Praxis? Wird diese Unterstützung von Auszubildenden mit Behinderung genutzt?
Die Bundesregierung hat 2017 auf eine Kleine Anfrage geantwortet: Erfahrungen mit dem Förderinstrument der Assistierten Ausbildung. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE (Drucksache 18/12270 - öffnet PDF direkt).
Aus der Antwort:
- 2015/2016 seien 11 500 Förderungen begonnen worden, über Abbrüche lägen keine validen Zahlen vor, weil die Erfassung in den Arbeitsagenturen und Jobcentern uneinheitlich sei.
- Ende 2016 hätte ein Praktiker-Workshop zur Assistierten Ausbildung ergeben, dass das Instrument weiterhin als sinnvoll betrachtet wird, es aber weiterentwickelt und flexibler werden müsste. Verbesserungspotenziale wurden identifiziert: "Hierzu gehören insbesondere, die Assistierte Ausbildung noch bekannter zu machen und passgenau zu bewerben, die Akteure der Assistierten Ausbildung verstärkt zu vernetzen und die bei der Assistierten Ausbildung bereits bestehende hohe Flexibilität gezielt zu vermitteln. Besondere Herausforderungen stellen zeitliche und räumliche Vereinbarkeit von betrieblicher Ausbildung, Berufsschule und Unterstützungsangeboten der Assistierten Ausbildung, die Akzeptanz der Unterstützungsleistung bei Auszubildenden und Betrieben und die Planung der Bedarfe an Maßnahmeplätzen dar."
- Über die Zukunft der Assistierten Ausbildung über das Jahr 2018 solle die nächste Legislaturperiode entscheiden.
Die BAG Katholische Jugendsozialarbeit hat darüber hinaus Anfang 2017 eine Publikation zum Thema veröffentlicht, die Erfahrungsberichte enthält:
„Assistierte Ausbildung – ein neues Instrument auf dem Prüfstand. Einsichten aus der Praxis und Konsequenzen für die weitere Entwicklung" (PDF), Handreichung und Dokumentation einer Fachtagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e. V. im Rahmen des Kooperationsverbundes Jugendsozialarbeit am 17. März 2016 in KölnGibt es noch weitere Hinweise zu Erfahrungsberichten zur Assistierten Ausbildung?