Probleme mit der Stellvertretung in der SBV

  • Die Stellvertretung in der SBV wurde aus meiner Sicht nicht gut geregelt. Der/Die jeweilige Stellvertreter*in darf nur agieren und handeln, wenn die Vertrauensperson oder der/die Vertreter*in in der Reihe davor verhindert sind und das aus wichtigem (nicht dienstlichen!) Grund. Krankheit, Urlaub usw.


    Wir sind eine Dienststelle mit etwa 2500 Beschäftigten und 12 Standorten. An den Standorten gibt es SBV`en und auch noch eine Hauptschwerbehindertenvertreung (HSBV) für übergeordnete Aufgaben und Bereiche, die keine eigene SBV haben.


    Die Aufgaben sind bekanntermaßen vielfältig und zeitintensiv, so dass die jeweilige Vertrauensperson es gar nicht schaffen kann. Denn es ist ein Ehrenamt und wir alle haben noch einen originären Job, der auch erfüllt werden muss.


    So wollten wir gerne Aufgaben, die z. B. keine Mitbestimmungstatbestände beinhalten, auf die Vertreter verteilen.


    Dürfen wir aber wegen der strengen Vertreterregelung nicht. Die Dienststelle achtet sehr darauf und prüft (personalintensiv), ob die Übernahme der Aufgabe aus der Stellevertretung zulässig ist oder war.


    So macht das wichtige und in den Aufgaben ausgebaute Ehrenamt keinen Spaß.


    Diese Benachteiligung gegenüber den Personalräten versteh ich auch nicht. Da werden die Vertretungsregelungen sehr locker gesehen.


    Warum hat der Gesetzgeber ein solch wichtiges Amt so beschränkt und den Vertretern und Vertreterinnen nicht auch eine permanente Handlungsbefugnis gegeben?


    Als örtliche SBV und 1. Stellvertreter HSBV habe ich keinerlei Freistellung, bin häufig für die SBV im Einsatz und muss daneben 100 % originäre Tätigkeit ableisten (ohne Vertretung!).


    Könnten wir alle Vertreter*innen in die Arbeit als SBV mit einbeziehen, könnten wir die Arbeit und Aufgaben so verteilen, dass sie auf viele Schultern verteilt und händelbar ist.


    So ist es nicht zu schaffen und der Dienstherr macht mit seinen rechtlichen Überprüfungen und Mahnungen das Ehrenamt kaputt.


    Wir verbrauchen immer mehr Zeit für die Vertretungsregelung, anstatt für die vielfältigen Aufgaben und Einsatzgebiete des SGB IX.


    Sehr schade.


    Hier hat das Gesetz für mich einen entscheidenden Schwachpunkt und verhindert eine gute umfassende Aufgabenwahrnehmung als SBV.


    Hier hätte man die SBV stärken können und stärken müssen. Mehr Mitsprache und Mitwirkung ist richtig und gut, aber das benötigt Ressourcen, die der Einzelne nicht hat.


    So jedenfalls meine Erfahrung.


    Zu meinem Hintergrund. Ich befasse mich dienstlich mit Rehabilitation und Teilhabe und nehme die Aufgaben als SBV seit über 20 Jahren wahr. Wir haben eine gute hohe Quote an Menschen mit Behinderungen, die auch über Einstellungen noch deutlich gesteigert werden soll.


    Aktuell denke ich ans Aufhören...

  • Liebe/-r Genesis0704,


    Ihre geschilderte Situation liegt darin begründet, dass die SBV – im Gegensatz zum Betriebs-/Personalrat – kein Kollektivorgan, sondern eine personalisierte Interessenvertretung darstellt.


    Keinesfalls muss die Vertrauensperson aber als Einzelkämpfer/-in auftreten. Neben der Möglichkeit einer Stellvertretung kann die Vertrauensperson die gewählten Stellvertreter/-innen in größeren Betrieben/Dienststellen gemäß § 178 Abs. 1 Satz 4 bis 6 SGB IX zu bestimmten SBV-Aufgaben heranziehen. Hierzu gehören etwa die Betreuung bestimmter Dienststellenteile sowie die Teilnahme an bestimmten Ausschüssen (bspw. dem Arbeitsschutzausschuss gemäß § 11 ASiG). Insoweit ist die Stellvertretung von der Heranziehungsmöglichkeit zu unterscheiden. Beide Rechtsinstitute stehen nebeneinander und dienen zur Entlastung der Vertrauensperson. Durch das Bundesteilhabegesetz wurden die Heranziehungsmöglichkeiten mit Wirkung zum 30.12.2016 über das Heranziehen lediglich der ersten beiden Stellvertreter/-innen entsprechend der jeweiligen Betriebs-/Dienststellengröße erweitert.


    Mit besten Grüßen
    Matthias Liebsch

    • Offizieller Beitrag

    Die Heranziehung von Stellvertretungen ist auch in einer SBV-Schulung thematisiert worden. Eine Frage dreht sich um den Nachweis der Erforderlichkeit bzw. ob eine Genehmigung nötig ist: Dafür haben wir einen eigenen Themenpfad eröffnet: Heranziehung von Stellvertretern für bestimmte Aufgaben

  • Vielen Dank für die konkrete Beschreibung der Probleme mit der Stellvertretung. Mir sind aus verschiedenen Diskussionen vergleichbare Probleme in anderen Betrieben und Dienststellen bekannt. Auf der gesetzlichen Ebene gibt es keine Benachteiligung der SBV. In vergleichbarer Weise enthalten § 37 Abs. 2 BetrVG, § 46 Abs.2 BPersVG und § 179 Abs.4 S.1 SGB IX übereinstimmend die Regelung, dass Interessenvertreter, die nicht pauschal freigestellt sind, von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts befreit sind, wenn und soweit es zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. In der Kommentarliteratur heißt es dazu knapp und einfach, dass die erforderlichen Amtspflichten den Vertragspflichten vorgehen.


    Sie schreiben in Ihrem Beitrag, dass Sie häufig für die SBV im Einsatz sind und daneben „100 % originäre Tätigkeit ableisten (ohne Vertretung!)“.


    Wenn Sie SBV-Arbeit leisten (zB Teilnahme an Sitzungen, an BEM-Gesprächen, Beratungen und Sprechstunden), sind Sie damit gleichzeitig von ihren Vertragspflichten befreit. Dazu bedarf es keiner Genehmigung des Arbeitgebers; es reicht die einfache Information. Dann kann aber von Ihnen nicht mehr „100 %-originäre Tätigkeit“ verlangt werden.


    Ich zitiere dazu aus einem Beschluss des BAG vom 27.06.1990 – 7 ABR 43/89: „Die Freistellungspflicht des Arbeitgebers nach § 37 Abs.2 BetrVG erschöpft sich nicht darin, den Betriebsratsmitgliedern die zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben erforderliche freie Zeit zu gewähren. Auch bei der Zuteilung des Arbeitspensums muss der Arbeitgeber, auf die Inanspruchnahme des Betriebsratsmitglieds durch die Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit angemessen Rücksicht nehmen.“


    InKommentaren zum Personalvertretungsrecht und zum SGB IX wird ebenso auf diese Entscheidung verwiesen. Das ist zutreffend, denn in § 179 Abs.3 SGB IX wird ausdrücklich hervorgehoben, dass Sie als Vertrauensperson eine Rechtsstellung haben, die mit derjenigen von Betriebsrats- und Personalratsmitgliedern gleichwertig ist. Die in Ihrer Dienststelle praktizierte Ungleichbehandlung ist daher nicht in Ordnung.


    Wir raten Ihnen, dieses Problem in einer der nächsten Sitzungen des Personalrats anzusprechen und dort auf die für alle gleiche Rechtslage hinzuweisen. Es müssen dann praktische Lösungen gesucht werden, wie Ihre „originäre Arbeit“ anders aufgeteilt wird. Wenn dies teilweise nicht möglich ist, dann muss eine Ihrer Stellvertreter an der Sitzung des Personalrats teilnehmen oder andere Ihrer Aufgaben übernehmen.


    Noch besser ist es, wenn mit vereinten Kräften für Sie eine Teilfreistellung vereinbart wird. Die Gerichte halten dies für eine sachgerechte Lösung, tun sich aber bisher schwer in gerichtlichen Beschlussverfahren, so dass hier erst einmal die Unterstützungspflicht von Betriebs- und Personalrat nach § 176 SGB IX einzufordern ist.