Besonders bei Menschen die aus dem Arbeitsbereich der WfbM in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gewechselt sind besteht häufig keine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung. Dies weil sie entweder Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung haben (§ 43 Abs. 2 SGB VI) oder die Beschäftigung mit dem Budget für Arbeit (§ 61 SGB IX) als "sonstige versicherungsfreie Beschäftigung" (§ 28 Abs. 1 Nr. 2 SGB III) gewertet wird.
Infolgedessen besteht auch kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld.
Wie steht es um ihre Lohn-/Gehaltsansprüche wenn der Betrieb Kurzarbeit anmeldet und (teilweise) schließt?
Behinderte Beschäftigte ohne Anspruch auf Kurzarbeitergeld
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Sehr geehrter Herr Kranz,
grundsätzlich sprechen Sie hier ein weiteres wichtiges teilhaberechtliches Problem an. Hier zunächst die Informationen der BAG WfbM https://www.bagwfbm.de/article/4497 . Zumindest die Werkstattentgelte müssten m. E. weitergezahlt werden. Auch das Arbeitsförderungsentgelt nach § 59 SGB IX müsste dann wohl ausgezahlt werden. Soweit zunächst. Ich gehe der sehr wichtigen Frage gerne weiter nach.
Martin Theben
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Sehr geehrter Herr Dr. Theben,
vielen Dank für diese erste Antwort. Als Mitarbeiter im Integrationsfachdienst (Übergang WfbM / allgemeiner Arbeitsmarkt) stellen mir aktuell sowohl Arbeitgeber als auch Beschäftigte Fragen zu diesem Themenkomplex. Wir können und dürfen aber selbstverständlich keine Rechtsberatung anbieten. Daher wäre es schon sehr hilfreich, wenn man zumindest auf Antworten in diesem Forum hinweisen könnte.
Herzliche Grüße
Olav Kranz -
Sehr geehrter Herr Kranz,
natürlich werde ich überwiegend hier für alle Einsehbar und transparent die Fragen beantworten; im übrigen wäre die Kontaktaufnahme natürlich zunächst auch unverbindlich
Ein schönes WE wünscht Dr. Theben
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Die Lücke beim Kurzarbeitergeld zeigt, wie sachwidrig die Bereichsausnahme für Werkstatt- und Budgetbeschäftigte von der Arbeitslosenversicherung ist. Rechtssystematisch ist aber Kurzarbeitergeld hier nicht die vorrangige Frage. Soweit ich es überblicke, ist in allen Bundesländern die Schließung der Werkstätten hoheitlich durch Landesverordnungen oder -verfügungen angeordnet worden (Beispiel BW 18.3.2020 - Corona-VO WfbM). Die Werkstattbeschäftigten im Arbeitsbereich stehen in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis (§ 221 SGB IX). Ein solches Verhältnis beruht auf einem Dienstvertrag; daher können die Werkstattbeschäftigten Annahmeverzugsentgelt nach § 615 S. 1 BGB für die Zeit der Werkstattschließung von der Werkstatt verlangen. Die Werkstatt kann dann nach § 56 Abs. 5 IfSG dieses Entgelt als Entschädigung vom Land verlangen. Wenn das Land sich darauf berufen sollte, dass für arbeitnehmerähnliche Werkstattbeschäftigte keine Entschädigung zu zahlen sei, würde dies mit der UNBRK schwerlich vereinbar sein. Die Bundesländer sollten im zweistufigen Verfahren zur Kasse gebeten werden. Die Werkstattbeschäftigten verlangen das Entgelt nach § 615 S. 1 BGB und die Werkstätten verlangen die Entschädigung vom Land.
Möglicherweise gibt es Probleme, wenn im Werkstattvertrag nach § 13 WVO abweichende Regelungen enthalten sind. Dies halte ich aber für wenig wahrscheinlich, weil sich bis vor wenigen Wochen kaum jemand solche Rechtsprobleme vorgestellt hat. -
@W.Kohte
herzlichen Dank für Ihre Antwort. Es stellt sich aber die Frage, welches konkrete Entgelt hier gemäß § 615 BGB verlangt werden kann...das entsprechende Werkstatt Entgelt, oder der regulär erzielte Arbeitslohn, der ja bei einem Außenarbeitsplatz bzw. beim Budget für Arbeit zu zahlen wäre. Das stellt schon einen Unterschied dar, da das Kurzarbeitergeld ja bekanntlich am regulären Verdienst orientiert ist...https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_3/__106.html § 106 SGB III
Es zeigt hier wieder, wie auch an dieser Stelle Werkstattmitarbeiter im Gegensatz zu "regulären" Arbeitnehmer - im übrigen auch innerhalb einer Werkstatt (!) - benachteiligt werden. Ob es hinreichend verfassungsrechtliche Rechtfertigungen, etwa den geringeren wirtschaftlichen Wert der Arbeit, vorliegen, lasse ich hier jetzt mal dahingestellt....
Grüße
DR. Martin Theben
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Vielen Dank für die bisherigen Antworten, mir geht es bei der Frage vorrangig um sozialversicherungspflichtig Beschäftigte die aufgrund der Regelungen in § 28 SGB III nicht arbeitslosenversichert sind. Hier wird wohl in den meisten Fällen eine Erstattung nach § 56 IfSG nicht in Betracht kommen, zumindest verstehe ich das so:
"Nicht alle Verdienstausfälle fallen unter das Infektionsschutzgesetz.
Bei Schließungen von Betrieben und Einrichtungen sowie Veranstaltungsabsagen gilt:
Menschen, die nicht arbeiten konnten, weil ihre Arbeitsstätte zur Eindämmung des Coronavirus geschlossen wurde, haben keinen Anspruch auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz. Hierzu gehören zum Beispiel:- geschlossene Einrichtungen wie Schulen und Kindertageseinrichtungen
- abgesagte Veranstaltungen aller Art
- abgesagte Märkte
- geschlossene Betriebe wie Friseursalons, Fitnessstudios, Restaurants, Bars oder Clubs
Wenn eine Einrichtung geschlossen oder eine Veranstaltung abgesagt wurde, ist das weder eine Quarantäne noch ein Tätigkeitsverbot!"
(https://www.corona-infektionss…ene-und-taetigkeitsverbot) -
Völlig richtig erkannt! Im übrigen könnte sich schon die Frage stellen, inwieweit hier in der von Ihnen beschriebenen Fallgestaltung eine verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung vorliegen könnte. Aber zugegeben: Das aktuelle Problem ist dadurch nicht gelöst.
Ich bleibe da dran.
DR. Martin THeben