1. Bayern
Holger Kiesel, der Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, Winzererstraße 9, 80797 München Telefon: 089 1261-2799 - Telefax: 089 1261-2453
Internet: http://www.behindertenbeauftragter.bayern.de hat in seiner Pressemitteilung vom 24.04.2020 zu der Frage Stellung bezogen, ob die von der Bayerischen Staatsregierung ab 27.04.2020 angeordnete
Maskenpflicht für den öffentlichen Nahverkehr und für Geschäfte in Bayern ausnahmslos auch für Menschen mit Behinderungen gilt. Diese Pressemitteilung hat folgenden Wortlaut:
"Für viele Menschen mit Behinderung ist allerdings eine Maskenpflicht nicht einhaltbar. „Es gibt viele, die aufgrund ihrer Behinderung keine Maske tragen können. Sei es, weil sie nicht verstehen, warum sie eine Maske tragen müssen, oder weil sie körperlich bedingt nichts über Mund und Nase tragen können. Es ist mir deshalb sehr wichtig, dass diese Menschen von der Maskenpflicht ausgenom-men werden. Auch sie müssen weiterhin mit dem ÖPNV fahren und in Geschäf-ten einkaufen können. Wir haben deshalb beim bayerischen Gesundheitsministerium nachgefragt und ich freue mich, dass es hier eine Ausnahmeregelung gibt“, so Holger Kiesel, Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung.
Das bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hat sich zur Maskenpflicht folgendermaßen geäußert: „Eine ausdrückliche Regelung, die Menschen mit Behinderung von der Pflicht in den geöffneten Geschäften und bei der Nutzung von Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs und den hierzu gehörenden Einrichtungen -eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen befreit, gibt es nicht. Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung muss ausnahms-weise dann nicht erfolgen, wenn dies aus ärztlicher Sicht (bspw. aufgrund dadurch entstehender Atemnot) im Einzelfall unzumutbar ist.
Sind Menschen aufgrund einer Behinderung nicht in der Lage, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, müssen diese eine Sanktionierung nicht befürchten. Entsprechende Einschränkungen sind durch die betroffene Person oder den Betreuer/Begleiter glaubhaft zu machen. Hierfür kann [beispielsweise] ein Schwerbehindertenausweis oder ein dies bestätigendes ärztliches Attest hilfreich sein.“
„Ich rege deshalb an, diese Information zu verbreiten, damit Menschen mit Behinderung in Bayern weiterhin einkaufen und mit dem ÖPNV fahren können. Wem es möglich ist eine Maske zu tragen, bitte ich dennoch dringend darum, dies auch zu tun. Wir sind noch nicht über den Berg und viele Menschen mit Behinderung gehören zur Risikogruppe! Helfen Sie mit!“, so Holger Kiesel abschließend."
2. Baden-Württemberg
Baden-Württemberg hat verwaltungsrechtlich vorbildlich in der Corona-Verordnung ausdrücklich klargestellt:
"Diese Pflicht gilt nicht, wenn das Tragen einer „Alltagsmaske“ aus medizinischen oder sonstigen zwingenden Gründen nicht zumutbar ist (wie beispielsweise bei einer Asthma-Erkrankung) oder wenn das Tragen einer Maske bedingt durch eine Behinderung nicht möglich ist. Ferner gilt die Maskenpflicht nicht, wenn andere, mindestens gleichwertige bauliche Schutzmaßnahmen (z.B. frontal und seitlich angebrachte Plexiglasscheiben für Kassiererinnen und Kassier) bestehen."
https://www.baden-wuerttemberg…ng-der-corona-verordnung/
Der rechtskundige Publikum fragt sich, warum allein Baden-Württemberg eine so klare und eindeutige Regelung getroffen hat und andere Länder wie Bayern sich mit dem verwaltungsrechtlich bislang unbekannten Instrument der Pressemitteilung bemühen, Schwachstellen ihrer Anordnungen nachzubessern. Es lebe die Fachlichkeit!
Maskenpflicht für alle Menschen mit Behinderung?
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Mich haben in der von mir administrierten Facebook Gruppe "Schwerbehindertenvertretungen stärken!" mehrere Anfragen von schwerbehinderten Beschäftigten erreicht, die hörgeschädigt sind. Zu der Gruppe der Gehörlosen gehören 80.000. Hinzu kommen mehr als 100.000, die gehörgeschädigt sind. Die Aussagen von Betroffenen, die mich erreichten, haben den Tenor: "Mit einer Maske verstehe ich einfach gar nichts“. Zu diesem Problem hat die Volontärin Anne Vollmer am 23.4.2020 in der FAZ einen schönen Beitrag veröffentlicht.
https://www.faz.net/aktuell/ge…ich-16736920.html?GEPC=s5
Vollmer erläutert am Beispiel von Cindy Klink, die eine Hörschädigung hat, was die Maskenpflicht bedeutet. Cindy ist auf das „Mundbild“ der Gesprächspartner angewiesen. Kann sie deren Lippenbewegungen nicht erkennen, kann sie nicht kommunizieren. Die Anwendung der Gebärdensprache mit Schutzmaske bringe sehr wenig. Für eine Gebärde gebe es oft mehrere Bedeutungen,diese ließen sich oft nur anhand des Mundbildes unterscheiden.Das könne sehr schnell zu Missverständnissen führen. -
Bedauerlicherweise vernehme ich zu diesen Themen derzeit von anderen, etwa der Berliner Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen leider nichts zu diesem sehr wichtigen Thema. Wie zuletzt den Schul- und Jugendsektor, sollte der Senat von Berlin auch mal die Behindertenverbände zur Anhörung laden. Partiziption sieht jedenfalls anders aus!
Dr. Martin Theben