Beiträge von Wulf-Schnabel

    Mit dem Budget für Arbeit ist ein finanzielles Instrument für den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt geschaffen worden. Jeder Arbeit geht aber eine Aus- und Weiterbildung voraus. Das Recht auf Bildung (UN BRK, Artikel 24) schafft die Voraussetzungen für Arbeit und Existenzsicherung (Artikel 27). Auch in der betriebswirtschaftlichen Verwertungslogik kann eine Arbeitskraft nur eingesetzt werden, wenn sie die erfordrlichen Kompetenzen mitbringt. Aber ausgerechnet da fehlt das entscheidende Instrument: Es fehlt ein Budget für Qualifizierung. Und leider "fühlt" sich keiner für Qualifizierung zuständig. Konkret:
    Unser Institut versucht vergeblich, das BMAS dazu zu bewegen, eine Qualifizierung bundesweit auszubauen, die (aus Stiftungsmitteln finanziert!) hoch erfolgreich ist und internationale Beachtung erfährt. Menschen mit sogenannten geistigen Behinderungen werden umfassend zu Bildungsfachkräften qualifziert, sodass sie dauerhaft an Fachhochschulen und Universitäten die Lebenswelten von Menschen mit Behinderungen kompetent vermitteln. Sie wechseln dauerhaft aus der Werkstatt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt und sind in der Welt der Exzellenz - namentlich an Universitäten - tätig und verdienen durch ihre Leistungen (!) gutes Geld. Dennoch sieht das BMAS keine Rechtsgrundlage für den Aufbau von Qualifizierungen für Menschen aus einer Werkstatt, weil sie dauerhaft als nicht erwerbsfähig und damit als nicht-arbeitsmarktkonform gelten.


    Was nützen da all die Diskussion "Arbeit inklusiv gestalten", wenn es keine institutionellen Öffnungen und Verbreitung erfolgreicher Modelle gibt, sondern diese sogar durch den Rückgriff auf die alten Antworten behindert werden? Wo ist die Innovationskompetenz des BMAS?


    Beste Grüße
    Dr. Jan Wulf-Schnabel
    Institut für Inklusive Bildung
    E-Mail: wulf-schnabel@inklusive-bildung.org
    http://www.inklusive-bildung.org

    In den Werkstätten arbeiten vornehmlich Menschen mit sogenannten geistigen Behinderungen, die bei arbeitsmarkzentrierten Diskussionen leicht vergessen werden. Aber die UN BRK, Artikel 27, gilt für alle - unabhängig von der Art oder Schwere der Behinderungen. Wie kann es gelingen, viel mehr, strukturell-flexiblere, breitere und nahhaltige Arbeitsmöglichkeiten für Menschen mit geistigen Behinderungen zu schaffen? Wie können mehr Spielräume zwischen Werkstatt und Arbeitsmarkt entstehen? These: Dazwischen liegt viel mehr als "an" oder "aus" bzw. schwarz oder weiß, wenn konsequent kompetenzorientierte Personalentwicklung stattfindet und die originären Leistungen von Menschen mit Behinderungen in den Mittelpunkt gestellt werden - statt nur ihre Produktivitätseinschränkungen durch Kompensationszahlungen ausgleichen zu wollen. Für Teilhabe durch Arbeit braucht es mehr innovative Modellprojekte für Menschen mit geistigen Behinderungen, die nachhaltig in Inklusionsvorhaben überführt werden.
    Beste Grüße
    Dr. Jan Wulf-Schnabel
    Institut für Inklusive Bildung
    E-Mail: wulf-schnabel@inklusive-bildung.org
    http://www.inklusive-bildung.org

    TrialNet ist spannend und ein guter Ansatz. Aber nicht alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind "für die im Projekt vorgesehenen Ausbildungsberufe geeignet" (TrialNet). Was bieten wir diesen Jugendlichen, die meist Menschen mit sogenannten geistigen Behinderungen sind? Ich vermise Verbesserungen von Teilhabechancen für diese Menschen mit Behinderungen in der Arbeitswelt. Deshalb auch die Frage nach "abgestuften Ausbildungen nach dem DQR". In den WfbM und Eingangsverfahren gibt es ein buntes Durch- und Nebeneinander mit sicherlich viel Engagement und lokal spannenden Ansätzen. Aber viel weiter sind wir da grundsätzlich noch nicht.

    Eine zentrale Hürde zwischen Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und dem sog. ersten Arbeitsmarkt ist die strikte gesetzliche Trennung im SGB. Es gibt kaum Möglichkeiten, flexible Übergänge zu schaffen. Entweder hier oder dort. Insbesondere Menschen mit sogenannten geistigen Behinderungen/kognitiven Einschränkungen oder psychischen Behinderungen benötigen mehr Zeit und mehr Unterstützungen - oft ein Leben lang. Aber auch sie können sich dann Stück für Stück entwickeln. Wir benötigen (Teil-)Qualifikationen, die adäquat anerkannt sind und die Arbeitgebenden klar zeigen, was die Person kann, und wir benötigen pädagogische Assistenz.


    Zur Ehrlichkeit gehört, dass nur ein Teil des Personenkreises das Ziel erster Arbeitsmarkt erreichen kann und ihnen Risiken drohen. Für diese Menschen mit Behinderungen besteht immer das Risko der prekären Beschäftigung und der späteren Altersarmut. Darin darf keine Ausbildung münden - für niemanden.


    Aber auch die, die nicht voll und ganz oder durchgängig auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig sind, können durch abgestufte Ausbildungen Anerkennungen finden und durch adäquate Arbeitsplätze in Werkstätten, auf ausgelagerten Arbeitsplätzen oder in Integrationsbetrieben Teilhabe durch Arbeit realisieren.


    Werkstätten, Ausbildungsbetriebe, Berufsschulen sollten miteinander kooperieren. In der Eingliederungshilfe befindet sich das Knowhow für die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen.

    Das ist sehr richtig! In einer immer noch von Segregation geprägten Welt ist das Inklusionsverständnis aber nicht auf Knopfdruck zu haben. Selbst engagierte Ausbildungskräfte sind oft unsicher und unerfahren im Umgang mit Menschen mit Behinderungen. Sie müssen Inklusionskompetenz erwerben können. Nur wo und wie? Ein Weg bietet das Modellprojekt Inklusive Bildung. Menschen mit Behinderungen lehren selbst über Themen rund um Behinderungen: http://www.inklusive-bildung.org

    Können (neue) Ausbildungsberufe mithilfe des Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) so gestaltet, abgestuft und anerkannt (!) werden, dass Menschen mit Behinderungen - in ihrem individuellem Tempo und in stufenweisen Qualifizierungsschritten - anerkannte Ausbildungsabschlüsse erhalten?