Beiträge von Gabriele Kuhn-Zuber

    Das Problem betrifft nicht nur pflegebedürftige Kinder, sondern Menschen mit Behinderungen und Pflegebedarf jeden Alters, die in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe wohnen. Die Leistungen der Pflegeversicherung unterscheiden sich je nach Wohnform - lebt ein behinderter Mensch in der eigenen Häuslichkeit, erhält er sämtliche Leistungen der häuslichen Pflege und zusätzlich Leistungen der Behandlungspflege durch die Krankenversicherung im Rahmen des § 37 SGB V ohne Einschränkungen. Lebt ein Mensch mit Behinderung in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe, erhält er maximal 266 EUR für Pflegeleistungen durch die Pflegekasse; werden Leistungen der Behandlungspflege notwendig, weigern sich die Krankenkassen häufig; hier gibt es mittlerweile eine umfangreiche Rechtsprechung. Ist die Pflege in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe nicht mehr leistbar, werden die Betroffenen in eine vollstationäre Pflegeeinrichtung überwiesen, in der die Behandlungspflege von den (begrenzten) Pflegeleistungen mit finanziert werden müssen, was in der Regel zu einer hohen finanziellen Selbstbeteiligung der Bewohnerinnen und Bewohner führt. Richtig wäre es, Leistungen für Menschen mit Behinderungen und Pflegebedarf unabhängig von dem Ort, wo sie wohnen, zu gewähren - davon scheinen wir aber weit entfernt zu sein.
    Die Pflegewohngruppen haben meines Erachtens die Aufgabe, die Unflexibilität des Leistungssystems ein wenig abzumildern. Sie werden als "eigene Häuslichkeit" betrachtet, können Personal anstellen, das den entsprechenden Bedarfen der Bewohnerinnen und Bewohner entgegenkommt (ggf. mit finanziert über den Wohngruppenzuschlag des § 38a SGB XI) und ermöglichen, sämtliche Leistungen der häuslichen Pflege, der Eingliederungshilfe und der Krankenversicherung zu konzentrieren. Sie sind - zumindest vorerst - eine Möglichkeit, wie systemübergreifend gearbeitet werden kann und gewähren eine gewisse Freiheit vor einer Institutionalisierung. Insofern hängt es von der Organisation der Wohngruppe ab, wie die einzelnen Bedarfe durch verschiedene Angebote gedeckt werden können und von ihrer Einbindung in das soziale Umfeld.

    Ich glaube, dass das Thema "Teilhabe pflegebedürftiger Menschen" sehr vielschichtig ist. Die Diskussion hat gezeigt, dass nach wie vor ein sehr hoher Beratungbedarf besteht, der nicht nur rehabilitationsrelevante Fragen betrifft, sondern auch grundlegende Basisinformationen. Offensichtlich hat die Vielzahl an gesetzgeberischen Initiativen zur Verbesserung der Beratungssituation pflegebedürftiger Menschen und ihrer Angehörigen nicht wesentlich geholfen, diese Beratungsdefizite abzubauen. Hier sind alle Akteure in der Verantwortung, für Aufklärung und Information der Betroffenen zu sorgen - Pflegestützpunkte sind gut, können aber nur da ihre Arbeit leisten, wo sie existieren und wo sie leicht zugänglich sind. Zudem liegen ihre Kompetenzen vor allem im Bereich der Beratung älterer pflegebedürftiger Menschen, weniger im Bereich Teilhabe und Eingliederung, der für Menschen mit Behinderung eine wesentliche Rolle spielt. Darüber hinaus war auch deutlich, dass Pflege und Teilhabe nicht immer trennscharf voneinander abzugrenzen sind - eine gute Pflege ist häufig die Voraussetzung für eine gleichberechtigte Teilhabe. Die Abgrenzung ist leistungsrechtlich aber immer noch von hoher Relevanz und wird auch durch die Neubestimmung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs nicht gelöst; vielmehr besteht die Befürchtung, dass es zu größeren Überschneidungen und Fragen kommt, die bisher nicht geklärt sind und vorerst auch nicht geklärt werden.
    In der Diskussion gab es immer wieder Überschneidungen zwischen einzelnen Antworten, hier wäre eine Zusammenführung sicher sinnvoll. Herzlichen Dank an das Moderationsteam!

    Neben den Hilfsmitteln gibt es vielleicht auch die Möglichkeit, eine längerfristige Assistenz mit Hilfe einer "besonderen Pflegekraft" nach § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII abzusichern. Diese Assistenz kann Sie individuell unterstützen. Sie wird im Rahmen der Hilfe zur Pflege beim Sozialhilfeträger beantragt und über ihn finanziert; der Betrag ist nicht pauschaliert, sondern wird allein über die "Angemessenheit" konkretisiert. Voraussetzung ist allerdings - wie immer bei Sozialhilfeleistungen - dass Einkommen und Vermögen nicht ausreichen. Allerdings ist - anders als bei der Hilfe zum Lebensunterhalt - das Einkommen nicht vollständig einzusetzen. Derzeit liegt die Einkommensgrenze für eine pflegebedürftige Person bei 798 EUR plus Kosten der Unterkunft plus Familienzuschläge (derzeit 279 EUR pro unterhaltsberechtigte Person). Nur das Einkommen, das über diesem Betrag liegt, muss eingesetzt werden. Mit einer besonderen Pflegekraft ist man auf jeden Fall flexibler; hier ist auch eine Anstellung im Arbeitgebermodell möglich oder das Geld kann - anders als bei der Pflegeversicherung - im Rahmen eines persönlichen Budgets eingesetzt werden.

    Zu Ihrer 2. Frage: Die Leistungen von derzeit monatlich 104 EUR (Grundbetrag) und 208 EUR (erhöhter Betrag) stehen dem Betroffenen innerhalb eines Kalenderjahres zur Verfügung (1.248 EUR bzw. 2.496 EUR insgesamt). Wird die Leistung in einem Kalenderjahr nicht ausgeschöpft kann der nicht verbrauchte Betrag in das folgende Kalenderhalbjahr übertragen werden (bis 30.6., § 45b Abs. 2 Satz 2 SGB XI). Eine Begrenzung in der Höhe gibt es nicht; wenn das Geld aber dann im Kalenderhalbjahr nicht ausgeschöpft wird, verfällt es. Hintergrund ist, dass die Leistungen ja der Entlastung des pflegenden Angehörigen dienen, insofern soll diese Entlastung auch nicht zu lange "aufgespart" werden.

    Die zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen, die Sie ansprechen, können erst seit dem 1.1.2015 auch für zusätzliche hauswirtschaftliche Angebote der Pflegedienste genutzt werden - das war bis dahin nicht möglich. Die 208 EUR, die es mittlerweile gibt, dürfen nur für weitere Grundpflegeleistungen (Körperpflege, Ernährung, Mobilität) nicht verwendet werden. Hauswirtschaftliche Versorgung ist zunächst in § 14 SGB XI definiert: Dazu gehören Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen. Ob jetzt "Außenbereiche" hinzugehören, die ja häufig in der jeweiligen Hausordnung definiert sind, ist nicht ganz klar und meines Erachtens eine Definitionsfrage. Allerdings werden gerade niedrigschwellige Entlastungsangebote in § 45c Abs. 3a SGB XI als Angebote dargestellt, die der Deckung des Bedarfs der Anspruchsberechtigten an Unterstützung im Haushalt dienen, insbesondere bei der hauswirtschaftlichen Versorgung, aber auch bei der Bewältigung von allgemeinen und pflegebedingten Anforderungen des Alltags oder bei der eigenverantwortlichen Organisation individuell benötigter Hilfeleistungen dienen oder die dazu beitragen, Angehörige... in ihrer Eigenschaft als Pflegende bei der Bewältigung des Pflegealltags zu entlasten. Also insofern könnte vielleicht das Erledigen der Hausordnung unter eine solche Entlastungsleistung fallen - man sollte das einfach mal ausprobieren.
    Welche niedrigschwelligen Entlastungsangebote vor Ort existieren, lässt sich pauschal nicht sagen. Eine entsprechende Übersicht müsste die Pflegekasse im Rahmen der Leistungs- und Preisvergleichsliste übersenden können. Vielleicht gibt es in Ihrer Stadt auch auf kommunaler Ebene Seniorenbüros oder Seniorenberatungsstellen, die darüber informieren können.
    Darüber hinaus können auch die Pflegedienste im Rahmen der Pflegesachleistungen (§ 36 SGB XI) Leistungen zur häuslichen Betreuung erbringen. Diese häusliche Betreuung muss also nicht zwingend aus dem geringen Budget für die Betreuungs- und Entlastungsleistungen finanziert werden. Voraussetzung ist, dass Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung sichergestellt sind. Dann können z.B. Leistungen zur Unterstützung von Aktivitäten im häuslichen Umfeld, die dem Zweck der Kommunikation oder der Aufrechterhaltung sozialer Kontakte dienen oder Unterstützung bei der Gestaltung des häuslichen Alltags, insbesondere auch zur Durchführung bedürfnisgerechter Beschäftigung (z.B. Spaziergänge, Vorlesen, Betreuung während der Pflegende einkauft, zum Arzt geht u.Ä.) vom Pflegedienst in Anspruch genommen werden.
    Zudem können nicht verbrauchte Pflegesachleistungsbeträge bis zu 40% für Betreuungs- und Entlastungsangebote genutzt werden. Bei Pflegestufe III stehen als Pflegesachleistung derzeit 1.612 EUR zur Verfügung. Von diesem Betrag können so etwa 645 EUR auch für niedrigschwellige Angebote oder Leistungen der Tages- und Nachtpflege oder zusätzliche Leistungen der Pflegedienste einschließlich häuslicher Betreuung genutzt werden, wenn die Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung sonst sichergestellt sind.
    Nicht zuletzt können auch Tagespflegeeinrichtungen zur Entlastung der Angehörigen beitragen. Auch hierfür stehen monatlich 1.612 EUR von der Pflegekasse zur Verfügung, die nicht auf die sonstigen Leistungen angerechnet werden. Hier fallen dann allerdings noch Kosten für die Verpflegung und Investitionskosten extra an. Die Beförderungskosten - falls die Tagespflegeeinrichtung eine Hol- und Bringedienst anbietet - können im Rahmen der Tagespflegeleistungen über die Pflegekasse abgerechnet werden.

    Pflegekassen sind die ersten Ansprechpartner, wenn es um pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen geht. Das betrifft sowohl die allgemeine Beratung nach § 7 SGB XI (die es allerdings nach den derzeitigen Planungen des 2. Pflegestärkungsgesetzes so nicht mehr geben wird) als auch die individuelle Pflegeberatung nach § 7a SGB XI, auf die Pflegebedürftige und Antragstellerinnen und Antragsteller einen Anspruch haben. Zudem haben die Pflegekassen dem Antragsteller nach Eingang seines Antrags eine Leistungs- und Preisvergleichsliste aller Pflegeleistungsanbieter einschließlich der anerkannten niedrigschwelligen Betreuungs- und Entlastungsangebote im Einzugsbereich zuzusenden. So erhält man einen ersten Überblick über das, was im Umfeld an unterstützenden Dienstleistern vorhanden ist und kann sich mit diesen in Verbindung setzen. Auch der Sozialhilfeträger berät im Rahmen der Hilfe zur Pflege über Leistungen. Hier können insbesondere dann, wenn die Leistungen der Pflegekassen den Bedarf nicht decken, ergänzende Leistungen der Hilfe zur Pflege bezogen werden, sofern das Einkommen und Vermögen nicht ausreichen.
    Die Pflegeberatung nach § 7a SGB XI ist als individuelles Fallmanagement angelegt, mit umfassender Beratung auch über Leistungen anderer Sozialleistungsträger (Sozialhilfeträger, Krankenkassen, kommunale Einrichtungen, Rehabilitationsträger u.Ä.), allerdings ist dieser umfassende Beratungsanspruch in der Praxis häufig illusorisch. Angehörige werden bei dieser Pflegeberatung nur beteiligt, wenn es der oder die Versicherte wünscht (auch hier ist eine Änderung im PSG II vorgesehen). Beantragt ein Betroffener erstmalig Leistungen aus der Pflegeversicherung, muss die Pflegekasse (oder das private Pflegepflichtversicherungsunternehmen) ihm unter Benennung einer Kontaktperson einen Beratungstermin anbieten, der spätestens zwei Wochen nach Eingang des Antrags durchzuführen ist. Schafft die Pflegekasse das nicht, hat sie einen Beratungsgutschein auszustellen, in dem Beratungsstellen aufgeführt sind, in denen die Beratung durchgeführt werden kann. Pflegestützpunkte sind eine gute Einrichtung, allerdings gibt es diese nicht in allen Bundesländern (Sachsen-Anhalt und Sachsen haben sich ausdrücklich dagegen entschieden, auch wenn es in Sachsen mittlerweile einen regional organisierten Stützpunkt in Rochlitz gibt), in anderen Bundesländern gibt es nur zwei oder drei, die dann möglicherweise zu weit weg sind. Einen guten Überblick über die Pflegestützpunkte findet man unter http://www.gesundheits-und-pfl…te/pflegestutzpunkte.html. In einigen Bundesländern haben auch Wohlfahrtsorganisationen und gemeinnützige Träger Beratungsstellen eingerichtet.

    Meines Erachtens sind hier verschiedene komplexe Fragen angesprochen, die sich nicht einfach mit ja oder nein beantworten lassen.
    Dass die Eingliederungshilfe aus dem Fürsorgerecht herausgelöst gehört, ist wohl inzwischen unter vielen Akteuren unstreitig. Die Leistungen sollen Menschen mit Behinderung eine gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen, auch im Vergleich zu Menschen ohne Behinderungen. Geht man davon aus, dass pflegebedürftige Menschen auch Menschen mit Behinderungen sind (umgekehrt ist das ja nicht automatisch so), kann man durchaus darüber diskutieren, ob pflegebedürftige Menschen auch Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten sollen. Das ist sicher eine Frage der Definition der Aufgabe der Eingliederungshilfe.
    Die Pflegeversicherung deckt aber eine spezielle Bedarfslage - den Pflegebedarf - ab. Diese Bedarfslage ist aber nicht durch bestimmte, klar definierte medizinische Aspekte gekennzeichnet, sondern enthält verschiedene persönliche, soziale u.a. Faktoren. Anders als in der Krankenversicherung, wo z.B. eine Blinddarmentzündung oder ein Beinbruch bestimmte medizinische Behandlungen erfordern, die finanziell definierbar sind, ist das im Fall der Pflegebedürftigkeit nicht immer so einfach, weil die Pflegestufen, an die die Leistungen der Pflegeversicherung anknüpfen, ein Konstrukt des Gesetzgebers sind, mit denen er Kosten berechenbar machen wollte. Selbst innerhalb der gleichen Pflegestufe können die Bedarfe, die finanziert werden sollen, stark voneinander abweichen, je nachdem welche Ressourcen der Pflegebedürftige noch aktivieren kann, in welchem sozialen Umfeld er eingebettet ist, wie Wohnung und Sozialraum organisiert sind usw. Bereits aus diesen Gründen lässt sich eine Vollversicherung schwer vorstellen; man könnte dann auf das Konzept der Pflegestufen ganz verzichten, sondern müsste bestimmte Selbstständigkeitsdefizite mit bestimmten (Sach)Leistungen hinterlegen. Hinzu kommt, dass konsequenterweise dann das Pflegegeld entfallen und ein reines Sachleistungsprinzip eingeführt werden müsste; das kommt den Leistungsanbietern sicher entgegen, würde aber die ehrenamtliche Pflege weitgehend überflüssig machen und die Flexibilität und Selbstbestimmung der pflegebedürftigen Menschen bei der Festlegung ihres Pflegesettings einschränken.
    Im stationären Bereich ist eine Pflegevollversicherung eher vorstellbar, weil die Kosten für die pflegebedingten Aufwendungen durch die Pflegesätze festgelegt sind (Hotelkosten und Investitionskosten, die in der stationären Pflege auch anfallen, würden durch eine Pflegevollversicherung nicht abgedeckt) und insofern gleich sind. Durch das Vorhaben des Gesetzgebers im PSG II, eine einheitliche Eigenbeteiligung in der vollstationären Pflege festzulegen, wird das noch deutlicher - diese Eigenbeteiligung ist dann durch eine bestimmte Summe festgelegt. Diese Voraussetzungen gibt es in der häuslichen Pflege nicht. Hier würden möglicherweise sogar Fehlanreize gesetzt werden, da Leistungen, die bisher ehrenamtlich erbracht werden, dann zu Lasten der Pflege(voll)versicherung gehen würden.
    Eingliederungshilfe und Pflegeversicherung/Hilfe zur Pflege decken unterschiedliche Bedarfslagen ab und können deshalb aus meiner Sicht auch unterschiedlich beurteilt werden. Während der Eingliederungshilfe kein Versicherungssystem "vorgeschaltet" ist und ihre Aufgabe einer gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen dient - hier ist durch die Einbindung in das Fürsorgesystem eine Benachteiligung dieser Menschen zweifellos vorhanden. Denn ein Mensch mit Behinderung, der Leistungen der Eingliederungshilfe erhält, hat sein Einkommen nie "ganz für sich", weil er immer zu den Kosten der Leistungen, die ihm eine gleichberechtigte Teilhabe ermöglichen, herangezogen wird. Für die Bedarfslage "Pflegebedürftigkeit" gibt es eine Versicherung, die zunächst bedürftigkeitsunabhängig in Anspruch genommen werden kann, entsprechend den Bedarfen und Bedürfnissen der Betroffenen, die ganz unterschiedlich sein können und nicht bei jeder Pflegestufe (oder demnächst jedem Pflegegrad) identisch und damit konkret bezifferbar sind. Die Hilfe zur Pflege hat nur Auffangfunktion, dass diese Leistung nur Menschen, die nach dem SGB XII bedürftig sind, erhalten, ist insofern zu rechtfertigen.

    Gerade weil die Inanspruchnahme stationärer Rehabilitationseinrichtungen für die betroffene Personengruppe aus den oben genannten Gründen so schwierig ist, müssten die Angebote ambulanter und mobiler, auch zugehender, Rehabilitation ausgebaut werden, um eine Alternative zu schaffen. Obwohl eine solche zugehende Rehabilitation, dort wo sie angeboten wird, gute Erfolge sowohl bei der Verminderung bzw. der Vermeidung von Verschlechterungen bei Pflegebedürftigkeit als auch bei der Akzeptanz pflegebedürftiger Menschen verzeichnet, wird sie von den Krankenkassen kaum finanziert. Das führt wiederum zu fehlenden Angebotsstrukturen. Um Rehabilitation in der Pflege wirksam voranzubringen, müssen andere, neue Rehabilitationsmöglichkeiten für die betroffenen Gruppen geschaffen werden - hier ist das System noch zu unflexibel.

    § 32 SGB XI erfasst nur Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, die bei Vorliegen der Voraussetzungen - insbesondere Eilbedürftigkeit und Erfüllung der Benachrichtigungspflicht - die Pflegekasse zur vorläufigen Erbringung dieser Leistungen verpflichtet. Pflegeleistungen sind davon nicht betroffen. Die Vorschrift kommt in der Praxis kaum oder gar nicht zur Anwendung, denn zum einen muss nicht nur nachgewiesen werden, dass eine medizinische Rehabilitationsleistung erforderlich ist, um eine unmittelbar drohende Pflegebedürftigkeit zu vermeiden oder eine bereits bestehende Pflegebedürftigkeit zu überwinden oder zu mindern oder die Verschlimmerung zu verhüten, sondern auch, dass die Reha-Leistung unaufschiebbar ist und ein Abwarten auf das Tätigwerden des zuständigen Rehabilitationsträgers den Erfolg der notwendigen Rehabilitationsleistung unmittelbar gefährdet (Eilbedürftigkeit). Zum anderen muss die Pflegekasse über diese Eilbedürftigkeit den zuständigen Rehabilitationsträger informieren, der dann wiederum vier Wochen Zeit hat, die Leistungen zu erbringen. Erst nach Ablauf der vier Wochen darf die Pflegekasse die Leistungen vorläufig erbringen und erhält dann die Kosten vom eigentlich zuständigen Träger erstattet. Die Frist kann für wirklich unaufschiebbare Maßnahmen zu lang sein und für den Betroffenen ist es bei entsprechender Eilbedürftigkeit unter Umständen besser, sich eine Reha-Leistung unter den Voraussetzungen des § 15 SGB IX selbst zu beschaffen und sich die Kosten vom zuständigen Reha-Träger erstatten zu lassen. Zudem enthält das SGB XI selbst keine Regelungen zu den Leistungsvoraussetzungen oder zum Leistungsumfang von Rehabilitationsleistungen, die Pflegekasse ist kein Rehabilitationsträger. Bei der vorläufigen Erbringung müsste sie die Vorschriften des eigentlich zuständigen Rehabilitationsträgers anwenden. Das alles führt faktisch dazu, dass § 32 SGB XI keine Rolle spielt. Ob das mit der Rehabilitationsempfehlung, die es seit dem Pflegeneuausrichtungsgesetz (§ 18a SGB XI) gibt, besser wird, bleibt abzuwarten, ist aber wenig wahrscheinlich.