Alles anzeigenLiebe Frau Bruère, möglicherweise habe ich mich unklar ausgedrückt. Auch ich halte die Budgets für Arbeit und Ausbildung für geeignete Vorkehrungen im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention, um Menschen mit Behinderung Teilhabe an Arbeit zu ermöglichen.
Was ich problematisch finde, sind die Zugangskriterien für diese Teilhabeleistungen. Diese sollten sich am individuellen Bedarf orientieren, bedingt durch die Behinderung.
Indem das eng mit dem Sondersystem WfbM verknüpfte Kriterium des Grads der "Erwerbsfähigkeit" benutzt wird, wird an alten, ableistischen Barrieren festgehalten, die weiterhin Menschen mit Behinderung an einer vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an unserer Gesellschaft hindern.
Es verwundert mich daher nicht, dass das Budget für Ausbildung immer noch nicht in größerem Umfang genutzt wird.
Nach Abschluss der Diskussionsphase am 31.10.2023 erreichte das Team die Antwort von Kerstin Bruère, die wir nicht vorenthalten möchten:
Liebe Frau Brockerhoff,
ich finde es sehr gut, dass wir darin einig sind, dass die Leistungen „Budget für Arbeit“ und „Budget für Ausbildung“ geeignete Vorkehrungen im Sinne der UN-BRK darstellen.
Sie bemängeln die Zugangsvoraussetzungen für diese Teilhabeleistungen. Dazu lassen Sie mich bitte folgendes antworten:
Der Gesetzgeber hat gemäß UN-BRK dafür Sorge zu tragen, dass Menschen mit Behinderungen selbstbestimmt am Leben in der Gesellschaft teilhaben und mit Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen. Für Menschen mit Behinderungen, die noch am allgemeinen Arbeitsmarkt teilhaben können, also nicht als voll erwerbsgemindert gelten, gibt es eine Vielzahl von Teilhabeleistungen, die Ihnen den Zugang zur Arbeitswelt erleichtern/ ermöglichen (med. Reha, berufl. Reha, Eingliederungszuschüsse, Probearbeit, Jobcoaching etc pp.). Für Menschen mit Behinderungen, die bereits in einem Arbeitsbereich einer WfbM arbeiten, hatte der Gesetzgeber bis 2018 außer der Möglichkeit eines regulären Übergangs auf den allgemeinen Arbeitsmarkt keinerlei Möglichkeiten vorgesehen. Der gesetzliche Auftrag der WfbM, Menschen mit Behinderungen aus WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu bringen, gelang (und gelingt) in Deutschland leider viel zu selten. Um diesen Menschen jedoch ebenso wie denen, die nicht einer WfbM arbeiten, Chancen für eine selbstbestimmtere Teilhabe am Arbeitsleben zu eröffnen, hat man 2018 das Budget für Arbeit gesetzlich im SGB IX verankert.
Der Zugang für dieses Budget für Arbeit ist deshalb den Menschen mit Behinderungen vorbehalten, die sonst keine dieser Möglichkeiten hatten. Ich finde das korrekt so. Einzige Zugangsvoraussetzung ist, dass der Zugang zum Arbeitsbereich einer WfbM besteht und bereits eine berufliche Bildung durchlaufen war. Weitere Zugangsvoraussetzungen gibt es im Budget für Arbeit nicht. Und weil die Menschen mit Behinderungen, die eine Sonder-/Förderschulkarriere hinter sich haben und „planmäßig“ sofort aus der Schule in die WfbM gewechselt sind, hinsichtlich ihrer Bildung ebenso benachteiligt waren, hat man konsequent für diesen Personenkreis das Budget für Ausbildung geschaffen. Damit ist es gelungen, dass allen Menschen mit Behinderungen, auch denen in einer WfbM, der Zugang zu Ausbildung jenseits einer WfbM ermöglicht wird.
Expertinnen und Experten sind sich inzwischen darin einig, dass die qualitativen Anforderungen an das Budget für Ausbildung für sehr viele Werkstattbeschäftigte viel zu hoch sind und deshalb soll es zukünftig auch möglich sein, dass Teilqualifizierungen und einzelne Qualifizierungsbausteine auch als Leistung im Budget für Ausbildung anerkannt werden. Dazu bedarf es jedoch einer Gesetzesänderung seitens des Bundes. Die Länder haben den Bund bereits dazu aufgefordert.
Mit freundlichen Grüßen
Kerstin Bruère