Beiträge von K. Nebe

    Ich stimme den Bedenken von "Gast" zu, dass die Überlegungen zu einem anonymisierten Bewerbungsverfahren im Hinblick auf das Merkmal Behinderung wenig hilfreich sind.

    Auf dem Weg gegen anhaltende Diskriminierungen sollte keine Idee vorschnell verworfen werden. Die Antidiskriminierungsstelle gibt an, dass von den sie erreichenden Anfragen wegen erlebter Diskriminierung ein Viertel an eine Behinderung anknüpfen. Allein das Diskriminierungsverbot und die mit Beweiserleichterung verbundene Sanktionsmöglichkeit vermögen offensichtlich noch nicht effektiv zu schützen. Sowohl Ursachen als auch Gegenmittel sind vielfältig. Sie werden politisch diskutiert und wissenschaftlich untersucht.

    Die anonymisierte Bewerbung ist eine Möglichkeit, Diskriminierungen zu vermeiden. Der Internetauftritt der Antidiskriminierungsstelle berichtet detailliert über Befürworter der anonymisierten Bewerbung und Erfahrungen aus Modellprojekten. Näheres unter http://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/ThemenUndFo…ungen_node.html

    Laut Antidiskriminierungsstelle heißt anonymisierte Bewerbung Verzicht auf folgende Angaben:
    - Namen, Adresse, Geburtsdatum, Familienstand und Herkunft.
    Das Merkmal Beeinträchtigung/Behinderung ist gerade nicht benannt. Und dies ist meiner Ansicht nach auch völlig plausibel. Es zeigt, dass die persönlichen Merkmale, derer wegen Menschen Benachteiligungen erfahren, höchst unterschiedlich sind und nicht pauschal gleichgesetzt werden können.

    Über die Offenbarung einer (Schwer)Behinderung ist unter dem Stichwort "Fragerecht" viel und intensiv diskutiert worden. Immer noch sehr aufschlussreich ist der Beitrag von Porsche, B 8/2011. Hieraus müssen die notwendigen Konsequenzen gezogen werden. Eine pauschale Frage nach vorliegender (Schwer)Behinderung ist diskriminierend und damit verboten. Spiegelbildlich gibt es keine Pflicht, pauschal in der Bewerbung auf eine (Schwer)Behinderung hinzuweisen. Insoweit ist es auch ganz verständlich, dass das Merkmal "Behinderung" in der obigen Aufzählung fehlt.

    Führt allerdings eine individuelle Beeinträchtigung dazu, dass die mit der Tätigkeit verbundenen wesentlichen beruflichen Anforderungen nicht erfüllt werden können, so kann die Behinderung zum Gegenstand der Auswahlentscheidung werden und der Arbeitgeber nach den konkreten Einschränkungen fragen (§ 8 AGG). Dabei muss er gleichzeitig seine Pflicht zu angemessenen Vorkehrungen als Beitrag zur behinderungsgerechten Beschäftigung berücksichtigen (Art. 5 RL 2000/78/EG). Das Bundesarbeitsgericht hat jüngst entschieden, dass die in einem Bewerbungsgespräch nähere Befassung mit einer angegebenen Behinderung nicht diskriminiere, wenn der Arbeitgeber Informationen sucht, um mögliche konkrete und von ihm zu leistende angemessene Vorkehrungen zu bedenken (BAG, 26.6.2014, Az.: 8 AZR 547/13, juris Rn. 53).

    Die Annahme, das weitreichende Verschweigen von Beeinträchtigungen sei der sichere Weg für eine diskriminierungsfreie Bewerbungssituation, trifft schon für all die Menschen nicht zu, deren Beeinträchtigung sichtbar ist. "Gast" hat zutreffend auf einen weiteren Aspekt verwiesen, wenn Zeugnisse o.a. Unterlagen Rückschlüsse zulassen. Umso mehr müssen andere Wege gesucht werden, z.B. indem die Schwerbehindertenvertretung hinzugezogen wird, indem es verpflichtende Regelungen in Integrationsvereinbarungen gibt (vgl. die Beispiele zur Frage nach "Betriebliche Integrationsvereinbarungen...") und indem die Personen, die Personalverantwortung tragen, Diversity-Kompetenz erlangen.

    Die Frage nach den Veränderungen für die Einrichtungen infolge einer stärker personenzentrierten als einrichtungsbezogene Rehabilitation betrifft nicht allein die BBW, sondern letztlich alle etablierten Rehabilitationseinrichtungen. Der von SGB IX und noch mehr von der UN-BRK ausgelöste Wandel hinsichtlich der Ziele und Wege der Rehabilitation wird Änderungen nach sich ziehen. Die Sorge um Verluste hinsichtlich der Strukturqualität wird von vielen Menschen geäußert und muss schon deshalb ernst genommen werden.

    Auf die Frage, inwieweit sich das Leistungsvolumen der Einrichtungen, hier speziell der BBW, durch den Wandel zu einer personenzentrierten Rehabilitation und inklusiven Arbeitswelt verringern wird, kann ich konkret nicht antworten. Aus der derzeitigen politischen und rechtlichen Debatte deuten sich aber auch keine flächendeckenden Nachteile, erst recht keine Schäden für das System der beruflichen Rehabilitation an. Vielmehr sind die Verbände der Einrichtungen, und hier sehr deutlich wahrnehmbar die Bundesarbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke (BAG BBW), schon seit mehreren Jahren sehr aktiv, sich auf die veränderten Anforderungen einzustellen. Die BAG BBW hat in der derzeitigen Diskussion um das Bundesteilhabegesetz einen aktuellen Aufgabenkatalog formuliert, wie die BBW in einer vernetzten Sozialraumstruktur zur beruflichen Teilhabesicherung von jungen Menschen beitragen wollen. Das Programm mit dem Titel "Der junge Mensch im Mittelpunkt" ist zu finden unter

    http://www.bagbbw.de/w/files/upload…mittelpunkt.pdf

    Es lässt sich leicht ablesen, dass die BBW hierfür personell und sachlich gut aufgestellt sein müssen, um die zunehmenden Management- und Beratungsaufgaben in jedem Einzelfall leisten zu können. Der Beitrag von Rainer Lentz zur Frage "Berufsbildungswerke" zeigt, was die BBW z.B. im Rahmen der verzahnten Ausbildung konkret leisten müssen. Werden sie hierzu von den Leistungsträgern, insbesondere der BA, hinreichend finanziell abgesichert, sollten am Ende des Veränderungsprozesses die gewünschten Verbesserungen stehen.

    Der breiten Zustimmung, die Leistungen eines Budgets für Arbeit gesetzlich umzusetzen, schließe ich mich an. Im Beitrag von Frau Waldenburger ist neben dem Übergang aus der Werkstatt die weitere wichtige Schnittstelle von der Schule auf den allgemeinen Ausbildungsmarkt angesprochen worden. Die Weichen für die berufliche Teilhabe junger behinderter Menschen werden bereits in der Schule gestellt. Wie die Erfahrungen aus den verschiedenen Modellprojekten der Länder zeigen, kann mit einer frühzeitigen Vernetzung von Schulen, Schülern, Eltern und Ausbildungsbetrieben bzw. BBW der Weg in den allgemeinen Ausbildungsmarkt gelingen. Den hohen Zugangszahlen aus den Förderschulen direkt in den Eingangsbereich der WfbM kann mit dem Budget für Arbeit gerade an der Schnittstelle Schule-Beruf erfolgreich entgegengewirkt werden. Statt vieler dazu aus NRW:
    http://www.lvr.de/de/nav_main/so…er_arbeit_1.jsp

    Die gesetzliche Umsetzung des Budgets für Arbeit muss die Besonderheiten für diese Schnittstelle im Blick haben, d.h. die bislang im SGB IX bei den Kooperationspflichten noch nicht genannten Schulen und Kammern (HWK, IHK) einbeziehen.

    Das Recht auf behinderungsgerechte Prüfungsbedingungen in Ausbildung und Studium lässt sich aus höherrangigen Rechtsquellen ableiten, wie z.B. aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 Grundgesetz oder nun auch aus Art. 27 UN-BRK. Es ist darüber hinaus in zahlreichen Bestimmungen konkret verankert.So regelt § 65 Berufsbildungsgesetzes, dass die Prüfungsordnungen für die Ausbildungsberufe die besonderen Verhältnisse der behinderten Menschen berücksichtigen sollen. Beispielhaft werden die Prüfungsdauer, die Zulassung von Hilfsmitteln und die Inanspruchnahme von Hilfsleistungen Dritter, wie z.B. Gebärdensprachdolmetscher, genannt.

    Da Hochschulrecht Landesrecht ist, muss für die behinderungsgerechte Ausgestaltung der Prüfungsordnungen in die jeweiligen Landeshochschulgesetze geschaut werden. Eine Übersicht zu allen Landesregelungen gibt das Studentenwerk unterhttp://http://www.studentenwerke.de/de/content/lan…iche-im-studium.

    Die Universitäten setzen die Vorgaben dann regelmäßig in ihren einzelnen Prüfungsordnungen um. Die konkrete Inanspruchnahme stellt erfahrungsgemäß alle Beteiligten vor praktische Herausforderungen. Das Know-How an den Universitäten ist in den letzten Jahren gewachsen. In den Handwerkskammern und den Industrie- und Handelskammern als zuständige Stellen für die Prüfungsordnungen in den Ausbildungsberufen soll die Sensibilität ebenso gestärkt werden (vgl. „Initiative Inklusion“ des BMAS, dazu Nationaler Aktionsplan S. 36 f.).

    Wichtig für die rasche und faire Entscheidung vor Ort sind Handlungsempfehlungen, die z.B. die Peer Groups, die Beratungsstellen oder die Behindertenbeauftragten, am besten im Konsens, zusammenstellen. Vgl. beispielhaft für die Universität Bremen
    http://www.uni-bremen.de/studieren-mit-…sausgleich.html

    Wichtig ist, den Nachteilsausgleich frühzeitig beim zuständigen Prüfer/Prüfungsamt zu beantragen. Aus eigener Erfahrung kenne ich Regelungen über langfristige Nachteilsausgleiche, die z.B. für sämtliche schriftliche Prüfungen im Studienverlauf einmalig beantragt und dann ohne weitere Beantragung jeweils praktisch gewährt werden. Am besten ist, sich gleich zu Beginn des Studiums bei den Beratungsstellen für behinderte oder chronisch kranke Studierende zu erkundigen. Ein Nachteilsausgleich muss grundsätzlich vor der Prüfung beantragt werden. Tritt im Verlauf der Prüfung Prüfungsunfähigkeit auf, muss dies vom Prüfling angezeigt werden (am besten mit Eintrag ins Prüfungsprotokoll); vor der Wiederholungsprüfung sollte dann ein Nachteilsausgleich beantragt werden, wenn sich die Teilhabestörung als grundsätzlich herausgestellt hat. Aus meiner Praxis sind mir keine Fälle bekannt, in denen Prüfer einer offensichtlichen Beeinträchtigung entgegen diskriminierend prüfen. Nimmt ein Prüfer erkennbar eine Leistung ab, ohne angemessen auf die offensichtliche Behinderung zu reagieren, dürfte sicher auch im Nachhinein das Prüfungsergebnis anfechtbar sein. Allerdings kann ich nur empfehlen, im Vorfeld den Dialog mit den Prüfer_innen über die im Einzelfall notwendigen Vorkehrungen zu suchen und hierzu die universitären Beratungsstellen als Vermittler einzuschalten.

    Wird der beantragte Nachteilsausgleich nicht bzw. nicht wie beantragt gewährt, dann sollte wiederum mit der Beratungsstelle Kontakt gesucht werden, um sich gegen diese Entscheidung zu wehren und möglichst doch eine Lösung zu erreichen. Der Rechtsweg über Widerspruchsausschuss und Gericht ist erfahrungsgemäß für die Studierenden besonders belastend.

    Wer für seinen Studiengang oder seine spezielle Ausbildung ein Recht auf Nachteilsausgleich bei den Prüfungsbedingungen nicht findet, muss mit den allgemeinen Rechtsquellen argumentieren: Das Recht auf Bildung und auf Ausbildung ist ein Menschenrecht, und zwar unabhängig von gesundheitlichen oder körperlichen Beeinträchtigungen. Dies bedeutet auch faire Prüfungsbedingungen für behinderte Menschen. Die Pflicht, angemessene Vorkehrungen zu treffen, ist ein wesentlicher Bestandteil des Rechts auf gleichberechtigte Teilhabe. Nachteilsausgleiche sind eine Möglichkeit angemessener Vorkehrungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Im Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung (http://www.bmas.de) heißt es dazu, die Belange der behinderten oder chronisch kranken Studierenden müssen in den Prüfungsordnungen berücksichtigt werden.

    Ist das Hilfsmittel infolge eines Arbeits- oder Wegeunfalls beschädigt worden, dann greift die Leistungspflicht der Gesetzlichen Unfallversicherung ein und die Beschädigung/der Verlust des Hilfsmittels ist wie ein Gesundheitsschaden von der Unfallversicherung zu ersetzen (vgl. § 8 Abs. 3 SGB VII iVm. § 27 Abs. 3 SGB VII). Dieser versicherungsrechtliche Ersatz schließt es daher auch grundsätzlich aus, für die Beschädigung Schadenersatz vom Arbeitgeber oder von einem Kollegen zu verlangen (vgl. §§ 104, 105 SGB VII).

    Beraten müssen neben den Leistungsträgern (§ 14 SGB I) natürlich auch die Leistungserbringer. Allerdings ist das Angebot an Hilfsmitteln, deren Einsatzmöglichkeiten und auch an Anbietern von Hilfsmitteln derart vielfältig, dass es nicht selten auf Expertenwissen ankommt. Je nach Lebensbereich kommen daher für die Beratung zusätzlich in Betracht:
    - für die Hilfsmittelnutzung am Arbeitsplatz z.B. der Betriebsarzt, die Fachkraft für Arbeitssicherheit oder der Sicherheitsbeauftragte oder Externe, die vom Arbeitgeber mit Maßnahmen des Arbeitsschutzes beauftragt sind (Gefährdungsbeurteilung, Unterweisung usw.).
    - für die Hilfsmittelnutzung in anderen Lebenszusammenhängen, Schule, Kindergarten, Hochschule, sollte vor Ort nach Beratungsangeboten gesucht werden.
    Experten in eigener Sache sind über die Selbsthilfegruppen und lokalen Selbsthilfekontaktstellen herauszufinden.

    Im Übrigen finden sich Datenbanken, die über Hilfsmittel und deren sinnhaften Gebrauch informieren, wie z.B. das Hilfsmittelportal von Rehadat unter http://www.rehadat-hilfsmittel.de/de/ oder auf europäischer Ebene das Informationssystem EASTIN unter http://www.eastin.info.

    Verzögern Krankenkasse, Rentenversicherung oder Bundesagentur die Gewährung von Hilfsmitteln, kann die Einschaltung des Integrationsamtes für Betroffene besonders hilfreich sein. Die Integrationsämter können bei unklaren Verhältnissen auch unabhängig von ihrer eigentlichen Zuständigkeit Teilhabeleistungen erbringen. Grundlage ist § 102 Abs. 6 Satz 3 SGB IX, der besagt, dass das Integrationsamt Leistungen vorläufig erbringen kann, wenn die unverzügliche Leistung zur Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben erforderlich ist. Erbringt das Integrationsamt eine solche unverzügliche Vorleistung, kann es sich die Aufwendungen vom eigentlich zuständigen Träger erstatten lassen. Durch Gerichtsentscheidungen ist dieser Weg beispielsweise bestätigt worden für

    - Zuschüsse für die behinderungsgerechte Ausstattung eines (Heim-)Arbeitsplatzes (vgl. VG Karlsruhe 30.10.2002 – 5 K 279/00),

    - die Übernahme der Kosten eines Gebärdensprachdolmetschers bei der Berufsschulausbildung (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, 27.10.2011, 7 A
    10405/11 und dazu Ulrich, Diskussionsbeitrag Forum A, 2012, Beitrag 9).

    Beschäftigte sollten sich im Betrieb Beratung und Unterstützung bei der Schwerbehindertenvertretung suchen. Die Schwerbehindertenvertretung kann im Rahmen ihrer Aufgaben gem. § 95 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB IX direkt Anträge bei den zuständigen Stellen, auch beim Integrationsamt stellen.

    Ja, im Sozialrecht ist dies sogar ausdrücklich geregelt und zwar in § 44 Abs. 1 Nr. 5 SGB IX in Verbindung mit § 53 SGB IX. Der für die StW verantwortliche Leistungsträger (Krankenkasse, Rentenversicherung, Unfallversicherung oder Arbeitsagentur) leistet neben der Absicherung zum Lebensunterhalt auch Reisekosten als sogenannte „ergänzende Leistungen“. Damit sind die mit der StW erforderlichen Fahrkosten, also diejenigen für den „Arbeitsweg“ gemeint.
    Der Arbeitgeber ist hingegen gesetzlich nicht verpflichtet, sich an den Fahrtkosten zu beteiligen. Allerdings kann ein Fahrtkostenzuschuss vereinbart werden. Dies kann allgemein in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung geregelt sein, was aber praktisch noch selten ist. Außerdem kann in jedem Einzelfall in der Wiedereingliederungsvereinbarung eine Fahrtkostenerstattung geregelt werden. Arbeitgeber, die die Vorzüge der StW kennen und sie nutzen wollen, werden ihre Beschäftigten durch Fahrtkostenzuschüsse motivieren.
    SBV und Betriebsrat können die Arbeitgeber für das praktisch wichtige Thema sensibilisieren, denn bei gegenüber den Nettobezügen deutlich geringerem Kranken-, Übergangs- oder Verletztengeld fällt ein hoher Fahrtkostenaufwand doch erheblicher ins Gewicht.
    Leistet der Arbeitgeber Zuschüsse, ist es weiterhin wichtig, dass diese auch als Zuschüsse (gemäß § 23 c SGB IV) und nicht als Entgelt behandelt werden, denn ansonsten besteht das Risiko der Anrechnung auf das Krankengeld/Übergangs- oder Verletztengeld, wovon weder Beschäftigter noch Arbeitgeber etwas haben.

    In der Frage werden zwei Dinge angesprochen – zum einen die Folgen einer unterbliebenen Beteiligung der SBV zur Durchführung einer StW und zum anderen die Einflussmöglichkeiten der SBV auf die Arbeitsplatzgestaltung nach Ende der StW.

    Zum ersten Punkt kann auf die beiden Antworten von Wolfhard Kohte (hier und hier) zur Mitbestimmung und Beteiligung bei StW verwiesen werden: die SBV hat ein Beteiligungsrecht gem. § 95 Abs. 2 SGB IX. Hat der Arbeitgeber dies vor Beginn einer StW missachtet, könnte die SBV verlangen und dies im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auch durchsetzen, dass die Durchführung der StW bis zur nachgeholten Beteiligung auszusetzen ist. Eine damit verbundene Unterbrechung wäre in den Fällen, in denen die StW nach dem ärztlich empfohlenen Stufenplan abläuft, wenig sinnvoll. Gleichwohl sollte die SBV ihr Beteiligungsrecht auch noch während einer StW aktiv nutzen.

    Michael Nicolaus hat in seinem Beitrag auf den praktisch wichtigen Gesichtspunkt hingewiesen, dass die ärztlichen Vorgaben während der StW eingehalten werden müssen, soll das Eingliederungsziel nicht gefährdet werden. Hier sind die SBV wichtige Partner der Beschäftigten in StW, beim Arbeitgeber auf die strikte Einhaltung der zeitlichen Vorgaben oder derjenigen zu den Arbeitsinhalten zu achten. Außerdem können die SBV dazu beitragen, Kollegen und Vorgesetze für die StW zu sensibilisieren. Nicht immer leuchtet allen Beteiligten unmittelbar ein, dass der zurückgekehrte Kollege nur Teilleistungen erbringt. Soweit erforderlich, können die SBV beim für die StW zuständigen Reha-Träge zusätzliche Leistungen nach § 26 Abs. 3 Nr. 3 SGB IX (mit Zustimmung des Versicherten Beratung von Vorgesetzten und Kollegen) anregen.

    Für die SBV ist eine gute Kooperation mit dem BR in vielerlei Hinsicht wichtig. Zum einen kann der BR Informationsdefizite der SBV ausgleichen, indem er mit der SBV kooperiert. Der BR kann im Rahmen seines Mitbestimmungsrechts gem. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG die Zustimmung zur StW verweigern, wenn die SBV nicht gem. § 95 Abs. 2 SGB IX beteiligt worden ist. Auch kann der BR im Rahmen seiner Überwachungsaufgabe während einer StW die Einhaltung der ärztlichen Empfehlungen verlangen, § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG.

    Zum zweiten Teil der Frage ist folgendes zu sagen:
    Hat der Beschäftigte mit dem Ende der StW seine Arbeitsfähigkeit wieder erlangt, leben die Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis wieder auf; der Beschäftigte muss seine Arbeitsleistung wieder im vertraglichen Umfang zur Verfügung stellen und der Arbeitgeber muss kraft seines Weisungsrechtes konkrete Arbeit zuweisen. Hierbei sind nun alle Bestimmungen des Arbeitsschutzes und des Behinderungsschutzes zu beachten. Ist der Beschäftigte chronisch krank, behindert oder schwerbehindert, greift die Pflicht zur behinderungsgerechten (leidensgerechten) Beschäftigung, § 81 Abs. 4 SGB IX bzw. § 241 Abs. 2 BGB (vgl. dazu BAG, 19.12.2013, 6 AZR 190/12). Hier gelten die rechtlichen Grundsätze wie in meiner Antwort zum Anspruch auf StW beschrieben. Im Idealfall wurde die StW genutzt, die entsprechende Anpassung der Arbeitsbedingungen im BEM mit dem Beschäftigten, dem BR/PR und ggf. der SBV zu vereinbaren. Ist dies versäumt worden, dann sollte der Beschäftigte die Unterstützung von BR/PR und SBV einholen, um mit dem Arbeitgeber die Anpassung der Beschäftigungsbedingungen zu verhandeln. Auch hier hat der Betriebsrat ein Überwachungsrecht, § 80 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 BetrVG und die SBV ein Beteiligungsrecht. Wieder müsste sorgfältig abgewogen werden, ob die SBV die Durchsetzung ihres Beteiligungsrechtes gerichtlich erzwingt.

    Der einzelne Beschäftigte kann vom Arbeitgeber auch individualvertraglich die Anpassung verlangen (vgl. Beitrag Rosendahl, Diskussionsforum B3-2013). Weigert sich der Arbeitgeber, kann der Beschäftigte auf behinderungsgerechte Beschäftigung klagen. Bevor er gleichzeitig von seinem Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB Gebrauch macht, sollte er sich rechtlich beraten lassen, um nicht unnötig den Verlust seines Lohnanspruches zu riskieren.

    Ja, ein solcher Anspruch ergibt sich für schwerbehinderte Beschäftigte aus § 81 Abs. 4 SGB IX und für einfach oder nicht behinderte Beschäftigte aus § 241 Abs. 2 BGB oder § 618 Abs. 1 BGB. Der Anspruch besteht nicht, wenn die Stufenweise Wiedereingliederung dem Arbeitgeber im Einzelfall unzumutbar ist und der Arbeitgeber dies begründet darlegen kann.

    Der Hintergrund für diese Antwort ist eine etwas komplexere Regelungssituation:
    Die §§ 74 SGB V und 28 SGB IX über die Stufenweise Wiedereingliederung (StW) finden sich im Sozialrecht und verpflichten die Sozialleistungsträger. Durchgeführt wird die StW im Betrieb/in der Dienststelle, setzt also die Mitwirkung des Arbeitgebers voraus. Je größer dessen Interesse, umso weniger wird sich die Frage nach der Mitwirkungspflicht stellen. Dennoch gibt es Fälle, in denen Arbeitgeber eine StW verweigern.

    Das Bundesarbeitsgericht hat 2006 einen Anspruch auf Mitwirkung an einer StW bejaht, wenn der Beschäftigte schwerbehindert ist (Aktenzeichen: 9 AZR 229/05) und diesen Anspruch auf § 81 Abs. 4 SGB IX, die Pflicht zur behinderungsgerechten Beschäftigung gestützt. Die Literatur ist sich weitgehend einig, dass auch einfach behinderte Beschäftigte (also mit GdB unter 50 bzw. ohne Gleichstellung) diesen Anspruch haben. Die Begründung ergibt sich aus der europarechtskonformen Auslegung des deutschen Arbeitsrechts, denn die Pflichten nach europäischem Recht über die angemessenen Vorkehrungen zugunsten behinderter Menschen (Art. 5 RL 2000/78/EG) unterscheiden nicht nach einem Behinderungsgrad oder einer Schwere der Behinderung. Das Bundesarbeitsgericht hat in der wichtigen Entscheidung vom 19.12.2013 (6 AZR 190/12) ausführlich dargelegt, dass die allgemeine Schutzpflicht gem. § 241 Abs. 2 BGB Arbeitgeber verpflichtet, angemessene Vorkehrungen zum Schutz beeinträchtigter Beschäftigter zu treffen. Ist die verlangte StW dem Arbeitgeber im Einzelfall nicht unzumutbar, muss er sie ermöglichen.

    Bleibt nur noch die Begründung für die Fälle, in denen ein Behinderungsgrad (noch) nicht festgestellt ist. Eine ausdrückliche Entscheidung über einen generellen Anspruch auf StW ist durch die Rechtsprechung noch nicht getroffen. In der Literatur wird auch dieser schon seit längerem mit zutreffenden Argumenten befürwortet (vgl. nur Gagel, DF Forum B, Beitrag 2/2010) und entweder auf den besagten § 241 Abs. 2 BGB oder auf die Pflicht zur gesundheitsgerechten Beschäftigung gem. § 618 Abs. 1 BGB gestützt. Diese Sicht wird inzwischen gestärkt durch den Europäischen Gerichtshof (11.4.2013, C-335/11), der eine Erkrankung einer Behinderung dann gleichstellt, wenn sich die Krankheitsfolgen vergleichbar denen einer Behinderung auswirken und längerfristig anhalten. Einzelne deutsche Arbeitsgerichte haben den Anspruch auf eine StW ausdrücklich bejaht, wenn eine StW im Rahmen eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements für geeignet befunden und empfohlen worden ist.