Beiträge von Teilnehmer

    Welche Akteure führen die Bedarfsermittlung durch? Wer ist daran beteiligt?


    (Dies ist eine Impulsfrage des Teams.)


    Dr. Harry Fuchs hat oben klargestellt, wer verantwortlich ist.
    Mehrere Teilnehmende haben dankenswerterweise aus der Praxis berichtet.

    Der andere Thread "Wege der Bedarfserkennung" ergänzt in mehrfacher Hinsicht.
    Insbesondere wird anscheinend unterschieden zwischen Bedarfserkennung und Bedarfsermittlung, letzteres durch den Leistungsträger. Das ist formalistischer Sprachgebrauch: es muß doch darum gehen, daß die Betroffenen in der Lage sind, ihren eigenen Bedarf zu erkennen und die entsprechende Leistung durchzusetzen. Sie müssen also Zugang zu entsprechender Beratung und zu effizienter rechtlicher Unterstützung haben – beides im Sinn von"Assistenz": die Betroffenen sind die Regisseure.


    Daß Bedarfserkennung und Bedarfsermittlung nicht erfolgen, weder selbst- noch fremdbestimmt, zeigen zeigen die meisten den mittlerweile mehr als 11.000 Kommentare zur gerade laufenden Petition "Stoppt die Blockade der Krankenkassen":
    openpetition.de/petition/online/stoppt-die-blockade-der-krankenkassen-bei-der-versorgung-schwerst-behinderter-kinder-erwachsene-3


    Wer ist denn derzeit kompetent, wer hat Bedarfserkennung und -ermittlung "gelernt"?
    Mir fallen ein, fast überall lediglich für einen Teilbereich:


    1.)


    • Sozialpädagog:innen
    • Orthopädietechniker:innen
    • die Berater:innen der EUTB
    • ein Teil der Betroffenen selbst
    • die früheren "Fürsorgerinnen"
    • die früheren Gemeindeschwestern

    2.)


    • ein Teil der Ergotherapeut:innen
    • ein Teil der Logopäd:innen
    • ein Teil der Physiotherapeut:innen
    • vermutlich Fachärzt:innen für rehabilitative Medizin?
    • ein kleiner Teil der niedergelassenen Ärzt:innen
    • was Basisfertigkeiten angeht: Pflegefachkräfte

    3.) in bezug auf Institutionen:


    • Frühförderstätten für junge Kinder
    • Förderschulen
    • Rehakliniken, insoweit die Gesetzliche Unfallversicherung verantwortlich ist
    • manche Einrichtungen für Menschen mit Behinderung
    • sehr wenige Selbsthilfeorganisationen
    • Alten- und Pflegeheime, m.E. in der Regel defizitär und altersdiskriminierend


    Wo gibt es eine (teilweise) Übereinstimmung von Kompetenz und Verantwortlichkeit?

    Im Bereich der Jugendhilfe, der Gesetzlichen Unfallversicherung und – neu: der Pflege-Begutachtung; durch die neue Regelung, daß der/die MD(K)-Gutachter:in im Zuge der Begutachtung Hilfsmittel empfehlen kann, die (mit Einverständnis des/der Versicherten) als beantragt gelten.


    (Ganz vereinzelt werden Pflegefachkräfte als Sachbearbeiter:innen bei Gesetzlichen Krankenkassen eingesetzt. Dann sind sie zugleich verantwortlich und teil-kompetent.)
    Die allermeisten Sachbearbeiter:innen der Gesetzlichen Krankenkassen sind zwar verantwortlich, aber nicht kompetent, und, was m.E. schwerer wiegt: sie haben einen Arbeitsauftrag, daß sie auch bedarfsgerechte, d.h. vom Gesetz verlangte Leistungen ganz oder teilweise verweigern sollen.


    Im aktuellen Zweiten Teilhabeverfahrensbericht ist zu lesen, daß einige Gesetzliche Krankenversicherungen Anträge auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu über 90 % erst im Widerspruchsverfahren bewilligen.
    Die "Gesundheitsreform", die mit der Einführung des Sozialgesetzbuches V 1989 verbunden war, hatte u.a. das ausdrückliche Ziel, die Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung für Hilfsmittel deutlich zurückzufahren. Dies ist nach wie vor der Arbeitsauftrag der Sachbearbeiter:innen.


    Menschen, die keinen Zugang zu kompetenten Fachkräften oder Institutionen haben, bekommen keine Unterstützung bei der Bedarfsermittlung.

    Not tut daher Information zu Bedarfsermittlung, in erster Linie für die Betroffenen selbst. Was ich in den verschiedenen Beiträgen hier lese, klingt sehr danach, daß es gebräuchliche Praxis ist, daß sich die Betroffenen verschiedenen Begutachtungsverfahren unterwerfen müssen. Wie können sie "Herr des Verfahrens" sein und bleiben, ohne daß andere mit ihrer Fachlichkeit oder Macht auftrumpfen?


    In zweiter Linie für die Ärzteschaft, die ja eine umfangreiche Fortbildungsverpflichtung hat. Das Angebot von Inflammatio.de zeigt, wie mit wenig Aufwand online-Lehrgänge angeboten werden könnten. Wer macht's in bezug auf Leistungen zur Rehabilitation?
    (Und wer fordert Zugang zu (Fach-)Ärzt:innen auch für Immobile und nicht-Sprechende?)



    Not tut weiter ein Kurswechsel bei jenen Leistungsträgern, die bisher und gegenwärtig Leistungen regelmäßig und gesetzwidrig verweigern. Wo bleibt die Versicherungs-Aufsicht?

    Not tut effiziente Rechtsdurchsetzung!
    Ich erfahre weit mehr von Rechtshilfe für Hartz-IV-Empfänger:innen oder für Flüchtlinge. Ist das eine Verzerrung meiner Wahrnehmung? Sind VdK, die Rechtshilfe-Stellen des DGB, die Rechtsberatung des Blinden-und Sehbehindertenvereins, die Jurist:innen des Forum Reha-Recht längst gut vernetzt? Gibt es regelmäßige Rundbriefe wie die von Harald Thomé (der seinen Schwerpunkt im SGB II und angrenzenden Rechtsgebieten sieht)? Wie steht es mit jenen juristischen Kolleg:innen, die einen paternalistischen Blick auf Menschen mit Behinderung zu haben scheinen, nimmt man sie kollegial ins Gespräch?



    Welche Möglichkeiten haben Betroffene zu juristischer Qualifizierung?