Wenn ich Sie recht verstehe, stellen Sie Fragen zu:
- Zur Weiterführung der Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung in Corona Zeiten
- Vorstellungsgespräche
- Beteiligung von gehörlosen Menschen an Videokonferenzen
Zu 1. Zur Weiterführung der Beteiligungsrechte der SBV in Corona Zeiten
§ 178 Abs. 2 SGB IX verpflichtet die Arbeitgeber, Sie als Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe betreffen, unverzüglich und umfassend zu informieren und anzuhören. Diese wichtige Regelung wird durch Corona nicht ausgesetzt, sie gilt uneingeschränkt weiter. Die Form der Information ist im Gesetz nicht vorgeschrieben. Sie kann also im persönlichen Gespräch, telefonisch, per mail oder sonst irgendwie schriftlich erfolgen. Mein Arbeitgeber hat mich letzte Woche als Schwerbehindertenvertretung z.B. wegen einer anstehenden Personalangelegenheit angerufen. Ich habe im Telefonat meine Stellungnahme abgegeben und einen bestimmte Art der Durchführung vorgeschlagen.
Ich hätte mich natürlich auch per mail mich rückäußern können. Aber das Beispiel zeigt, so ganz viel ändert Corona nicht. In jedem einzelnen Fall muss der Arbeitgeber seine aus § 178 Abs. 2 SGB IX begründete Informations- und Anhörungspflicht gegenüber der Schwerbehindertenvertretung genüge tun. Im Falle, dass dies von Seiten des Arbeitgebers nicht geschieht
Die Beteiligungsrechte an den Sitzungen des Betriebs- oder Personalrates sind seit 23.3. März vielerorts durch die „Ministererklärung“ von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gestützt worden. Getragen wird diese Ministererklärung offensichtlich von seiner festen Überzeugung, dass Arbeitgeber auch in der aktuellen Krisenzeit und bei den veränderten Geschäftsprozessen in vielen Unternehmen die Betriebsräte nicht von Mitbestimmungs- und Anhörungsrechten ausschließen dürfen. So sagt Minister Heil: „Eine solche Ausnahmesituation kann […] keine Ausrede sein, um die Betriebsräte zu übergehen und ihre Rechte faktisch außer Kraft zu setzen. Ich appelliere daher an die Arbeitgeber und die Betriebsrätinnen und Betriebsräte: Das Finden von schnellen und pragmatischen Lösungen hat derzeit die höchste Priorität, bitte beherzigen Sie dies bei all Ihrem Handeln.“
Am 9. April erging nun eine Presserklärung der Bundesregierung mit dem Titel: Bundesregierung will betriebliche Mitbestimmung mit Audio- und Videokonferenzen sicherstellen. Dort heißt es: Die Beschränkungen infolge der Corona-Pandemie stellen die grundsätzliche Handlungs- und Beschlussfähigkeit von Personal- und Betriebsräten vor praktische Schwierigkeiten und rechtliche Unsicherheiten. Mit einem Maßnahmen Mix will die Bundesregierung die Mitbestimmung der Beschäftigten auch in der jetzigen Situation sicherstellen.
Konkret sieht die Bundesregierung Änderungen des Betriebsverfassungsgesetzes und des Bundespersonalvertretungsgesetzes vor. Sie setzt somit die Ministererklärung von Hubertus Heil rechtlich um.
Personalvertretungen erhalten die Möglichkeit, Beschlüsse vorerst auch per Video- und Telefonkonferenz zu fassen. Diese Regelung gilt für Betriebsräte bis zum 31. Dezember 2020, für Personalräte bis zum 31. März 2021. Ziel der Maßnahme ist es, die mit hohen Infektionsrisiken verbundenen Präsenzsitzungen möglichst zu vermeiden und gleichzeitig die Handlungs- und Beschlussfähigkeit der Personalvertretungen sicher zu stellen. Damit bereits über diese Kommunikationsform gefasste Beschlüsse rechtswirksam bleiben, sollen die Regelungen rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft treten.
Damit werden viele Beteiligungs- und Mitbestimmungsverfahren für die Geltungsbereiche des Betriebsverfassungsgesetzes und des Bundespersonalvertretungsgesetzes auch per Video- oder Telefonkonferenz möglich und gesetzlich ausdrücklich zulässig. Damit wird eine Richtung für gesundheitlich ungefährliche Kommunikation bei Beteiligungs- und Mitbestimmungsverfahren für Betriebs- und Personalräte ausdrücklich gesetzlich zugelassen. Die Geltungsbereiche der Landespersonalvertretungsgesetze sind damit noch nicht ausdrücklich in diesem Sinne geregelt. Man wird sehen, ob und wann die Länder sich zur Anpassung ihrer Gesetze an die neue Lage durchringen.
Eine Regelung für Schwerbehindertenvertretungen ist damit auch noch nicht im SGB IX eingeführt. Das wäre wünschenswert, im strengen Sinne sogar rechtlich notwendig. Übergangsweise wäre aber nach meiner Auffassung – quasi im Vorgriff auf Regelungen die absehbar kommen müssen – schon mal auch in der Schwerbehindertenvertretung die umfassende Nutzung von Video- und Telefonkonferenzen.
Also: Ihre Beteiligung nach § 178 Abs. 2 SGB IX ist auch in der aktuellen Situation zwingend. Sollte Sie nicht erfolgen gilt Satz 2 dieser Vorschrift. Danach ist auf Antrag der Schwerbehindertenvertretung eine Entscheidung des Arbeitgebers für 7 Tage auszusetzen. In dieser Frist ist Ihre Anhörung nachzuholen. Falls der Arbeitgeber sich weigert die Entscheidung auszusetzen, so kann die Schwerbehindertenvertretung vor dem Arbeitsgericht(§ 2a Abs. 1 Nr. 3a ArbGG) im Beschlussverfahren und ggf. mit einer einstweiligen Verfügung die Aussetzung erzwingen. Auch für den öffentlichen Dienst ist hier das Arbeitsgericht zuständig. Die einstweilige Verfügung kann auch mit einem Ordnungsgeld versehen sein. (§ 85 Abs. 1 ArbGG iVm § 890 Abs. 1 ZPO)
2. Vorstellungsgespräche
Vorstellungsgespräche dürften im Moment durchaus seltener als üblich sein. Sie können natürlich auch virtuell durchgeführt werden. Dabei würde ich Telefonkonferenzen als wenig geeignet ansehen, weil der Bewerber ja nur sehr schlechte Chancen hat, die Überblich über die Runde mit Fremden zu halten. Als Videokonferenz kann ich mir das allerdings schon vorstellen. Die Fragen sind vor allem auch technischer Art. Z.B. welche Vorauswahl trifft der Betrieb, wenn der Bewerber seine eigene Videokonferenzteilnahme selbst organisieren muss.
Es gelten also bei Bewerbungen und Vorstellungsgesprächen alle Ihre Rechte auf Beteiligung nach § 164 Abs. 1 SGB IX.
3.Beteiligung von gehörlosen Menschen an Videokonferenzen
Gehörlose Bewerber können nach meiner Auffassung und meiner eigenen Erfahrung durchaus an Videokonferenzen teilnehmen – zusammen mit ihrem Gebärdensprachdolmetscher. Die Videokonferenzschaltung ist etwas komplizierter, aber es geht. In meiner Firma wird das für eine gehörlose Kollegin bei Teambesprechungen regelmäßig angewendet. Falls Sie dazu nähere Fragen haben, tragen Sie diese ruhig noch mal an mich heran. Ich denke mit Zustimmung des gehörlosen Bewerbers sind Bewerbungsgespräche auch per Videokonferenz möglich.
Dr. Hans-Günther Ritz