Beiträge von Prof.Andreas.Seidel

    Rund um die Diskussion von Teilhabe, Personenzentrierung und Rehabilitation sollte eine wichtiger Aspekt - die digitale Transformation - nicht übersehen werden.
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    Formen von Digitalisierung können Wahlmöglichkeiten von Leistungen eröffnen und Informationen zu Leistungen und Ansprüchen leichter zugänglich machen. Eine individuelle Leistungsplanung über elektornische Instrumente kann den Austausch und die Verbindlichkeit von Absprachen stärken. Soweit: digtale Transformation als Chance zur Teilhabe.
    Mitzudenken sind aber natürlich immer auch Aspekte, wie: Fehlen der technischen Ausstattung, Datenschutz, mangelndes Anwenderwissen und keine Unterstützung bei technischen Schwierigkeiten. All dies hier nur beispielhaft genannt, kann Teilhabe ebenso verhindern.
    Dieses Thema auf verschiedenen Ebnen und in verschiedenen Gremien zu diskutieren und gegebenfalls mit Experten aus der IT Branche in standardisierte Entwicklungen zu gehen, halte ich allerdings für lohnenswert.

    Diese Anregungen von Frau Liebl nehme ich gerne auf.
    Neben den zu beachtenden Aspekten (zu technischer Ausstattung, Datenschutz etc.) sehe auch ich hier ein großes Potential für alle Beteiligten, das bislang nicht ausreichend genutzt wird.
    Zum Teil fehlt die Hardware und die technische Ausstattung, das bezieht sich nicht nur auf die AntragstellerInnen, sondern auch auf die Kostenträger, die den MitarbeiterInnen in vielen Fällen keine entsprechenden Werkzeuge zur Verfügung stellen (z.B. Computer mit Kamera und Mikrophon). Nach meinem Eindruck ist auch diese Situation bundesweit sehr "heterogen", aber -ähnlich wie im Bildungswesen- sind die öffentlichen Stellen in Deutschland hier technisch oft nicht zeitgemäß ausgestattet. Dies soll keine Generalkritik sein, denn es gibt Regionen und Organisationen, wo dies schon gut klappt. Eine Entscheidung über die Anträge nach Aktenlage, wie sie deshalb derzeit vielerorts wegen der COVID19 Pandemie stattfindet, kann den Ansprüchen der Personenzentrierung nicht gerecht werden.
    Die Anregung von Frau Liebl hierzu einen Austausch anzuregen kann ich nur unterstützen. Vielleicht wäre auch eine Veranstaltung zum Thema "Service Design für die Bedarfsermittlung - digitale Möglichkeiten nutzen", organisiert als ein online - Fachtag, eine Möglichkeit Fachkräfte aus der Praxis und Betroffene zusammenzubringen.
    Vielleicht gibt es an dieser Stelle noch weitere Ideen. Vielleicht gibt es ja schon solche Aktivitäten, die (mir) noch nicht bekannt sind.

    Die weitere Ermittlung des Teilhabebedarfs und die sich daraus ergebenden weiteren Aufgaben sind für die Rehabilitationsträger sehr verwaltungsaufwendig. Nach meiner Erfahrung geben sich einige Rehabilitationsträger große Mühe, die gesetzlichen Vorschriften umzusetzen. Andere wiederum haben zurzeit noch nicht die personellen Kapazitäten, den Teilhabebedarf jedes Einzelnen so wie gewünscht in der Praxis zu ermitteln und daraus den Teilhabeplan und die Leistungsangebote etc. zu entwickeln. Es ist aber meiner Erfahrung nach nur eine Frage der Zeit.

    Danke für diesen wichtigen Hinweis aus der Praxis. Wir erwarten in Kürze die ersten Evaluationen aus dem Bereich der Bedarfsermittlung.
    Zum anderen ist mein Eindruck, dass die sozialgesetzlichen Vorgaben einfacher umgesetzt werden könnten, als dies bislang in manchen Sozialräumen der Fall ist. Es gibt Bedarfsermittlungsverfahren, die auch von den Fachkräften in der Teilhabeplanung als Barriere empfunden werden. Dies soll keine pauschale Kritik an bestimmten Verfahren sein; diese Einschätzungen habe ich von Teilhabeplaner*Innen persönlich gehört.
    Hier können uns zwei Dinge helfen:
    1. Forschung und
    2. (das kann und sollte mit 1. verknüpft sein) die stärkere Miteinbeziehung der Praktiker*innen in der Teilhabeplanung bei der Weitereintwicklung der Bedarfsermittlungsverfahren.

    Hat der ICF Fragenkatalog mittlerweile Unterstützung beim Studium oder Arbeiten an der Hochschule / beim Studium drinnen? Oder ist die Konstruktion der Lebenswelt von Menschen auf die Behindertenwerkstatt und den unterstützten Arbeitsplatz beschränkt?

    Wir haben 2018 in den Modulhandbüchern (hier werden die wesentliche Inhalte der Lehrinhalte transparent dargestellt) deutscher Hochschulen und Universitäten nachgeschaut. Dabei wurde deutlich, dass die ICF oder das bio-psycho-soziale Modell bislang wohl noch nicht in ausreichendem Maße in der Lehre repräsentiert ist.
    Zwei Beispiele: In den Modulhandbüchern der Heilpädagogik findet sich dieser Inhalt häufig (über 90%), in der Sozialen Arbeit in weniger als 30% der Handbücher. Wir haben keine Analyse bei Studiengängen für Verwaltungsfachkräfte vorgenommen. Wahrscheinlich finden sich hierzu aber keine Inhalte zum bio-psycho-sozialen Modell.
    Es verändert sich etwas, aber selbstverständlich sind solche Inhalte bis heute nicht den akademischen Ausbildungsgängen.

    Vielen Dank für die Beiträge in diesem Bereich. Beim Lesen gingen mir noch folgende Inhalte durch den Kopf:


    1. Bei der Variante der Bedarfsermittlung durch Mitarbeitende der Leistungserbringer habe ich zwei Gespräche mit Mitarbeiter*innen (von Leistungsanbietern) vor Augen. Dabei wiesen diese mich darauf hin, dass ein solches Vorgehen für die Mitarbeiter*innen manchmal ein „schwieriges Trippelmandat“ darstelle, das sie in Loyalitätskonflikte bringen könne:


    • Unabhängige Beratung für die Klient*innen anbieten
    • Es ist vielleicht nicht einfach zu Angeboten zu beraten, die der Arbeitgeber nicht vorhält
    • Die „Vorarbeit“ sollte auch „im Sinne des Leistungsträgers“ erfolgen.

    Diese drei Aufgaben beim „Trippelmandat“ seien in der Praxis für die Fachkräfte nicht immer leicht zu lösen.


    2. Für die Bedarfsermittlung und die Anwendung des bio-psycho-sozialen – Modells der ICF ist auch die Klärung medizinischer Sachverhalte oft von großer Bedeutung. In einem Beitrag heißt es: „Demnach gehören im diagnostischen Bereich medizinische Berufsgruppen in der Bedarfsermittlung zu den Akteuren, die erforderlich wären. Dies scheint jedoch häufig noch nicht der Fall zu sein.“
    Hilfreich könnte sich hier in Zukunft die Möglichkeit von „Online-Konferenzen“ anbieten zu Zeiten, die es den Fachkräften möglich macht auch teilnehmen zu können. Eine ärztliche Fachkraft kann üblicherweise nicht am Montagmorgen um 10h an einer solchen Konferenz teilnehmen, nach Absprache und rechtzeitiger Terminierung vielleicht aber am Mittwochnachmittag. Überhaupt kann m.E. ein solches Instrument (Online-Konferenzen) die interdisziplinäre Zusammenarbeit verbessern helfen und zeitliche Ressourcen sparen. Aus meiner Sicht wäre es wünschenswert, wenn sich ein solches Vorgehen –auch nach der Corona-Pandemie- stärker durchsetzen könnte. Das soll selbstverständlich nicht bedeuten, dass in der Teilhabeplanung „alles“ ohne persönliche Kontakte stattfinden soll oder kann.


    3.
    Im Beitrag zur Bedarfsermittlung für die volljährige Tochter habe ich als Erstes gedacht, dass die personenzentrierte Vorgehensweise nicht gut erkennbar ist. Für Wahl der ärztlichen Begutachtung sind den Leistungsberechtigten „drei möglichst wohnortnahe Sachverständige“, „soweit nicht gesetzlich die Begutachtung durch einen sozialmedizinischen Dienst vorgesehen ist“ zu nennen. Das heißt, dies ist nicht automatisch das Gesundheitsamt, sondern hier gibt es ein Wahlrecht der Leistungsberechtigten. Dies möchte ich nicht als Kritik gegenüber den Kolleg*innen in den Gesundheitsämtern verstanden wissen. Mir geht es hier auf den Hinweis des Wahlrechtes.
    Haben sich die Leistungsberechtigten für eine benannte sachverständige Person entschieden, wird diesem Wunsch gefolgt (§ 17 Abs. 1 SGB IX).In § 117 SGB IX wird festgelegt, dass das Gesamtplanverfahren auch transparent zu erfolgen hat. Deshalb sollten Gutachten den Antragsteller*innen nicht vorenthalten werden.