Beiträge von Werner53

    Mir fehlt bei einigen Kostenträgern die langfristige wirtschaftliche Sicht. Was bringen kurzfristig günstige Maßnahmen, wenn am Ende die Kosten explodieren

    Genau meine Linie. Jeder Euro der in jungen Jahren investiert wird, zahlt sich langfristig aus! Auch wenn das nicht meine Motivation bei der Bedarfsermittlung ist, aber oftmals kommt man mit diesem Argument dann doch weiter. Leider muss ich sagen. Denn der Mensch sollte immer im Mittelpunkt unseres Handelns stehen.

    Übrigens: Die hiesige Verwaltung bat die EUTB-Mitarbeiterin darum, doch bitte dafür zu sorgen, dass nicht noch mehr Anträge gestellt würden. Das gehört zum Thema Bedarfserkennung, denn hier wurde darum gebeten, die Bedarfe nicht zu erkennen.

    Ich glaube, dass dies oft die Krux ist, dass Teilhabeplanung / Bedarfserkennung nach Kassenlage gemacht wird. Wenn das Budget gesprengt wird, dann machen die Kommunen dicht. Auch ich muss oft mit Kolleginnen diskutieren ob diese oder jene Leistung denn wirklich sein müsse... Aber das SGB9 ist in vielen Fällen ein Rechtsanspruch und kein "wenn noch Geld da ist, dann bewilligen wir das". Und viele erkennen auch nicht, dass Förderung gerade in jungen Jahren auch eine "Kostenersparnis" später bedeutet, wenn die Menschen selbständig sind. Bitte nicht falsch verstehen, ich sehe das nicht unter dem Punkt Kostenersparnis. Aber da ich lange mit erwachsenen Menschen mit Behinderungen gearbeitet habe, weiß ich wie langwierig und mühselig es für alle ist nicht erlerntes zu erlernen und Selbständigkeit zu fördern.
    In diesem Sinne werde ich auch bei meinen Kindern proaktiv und schaue was außer der beantragten Leistung noch hilfreich sein könnte. Nicht immer zum Verständnis meiner Kolleginnen.

    Bei uns finden derzeit keine außer Haus Termine statt, aber da wir viele ausländische Familien haben, ist das Telefongespräch oft nicht gewinnbringend. Und Bedarfsermittlung nach Aktenlage ist nicht einfach. Mir fehlt der persönliche Kontakt und die Inaugenscheinnahme der Kinder um meine Bedarfsfeststellung abzurunden. Auch Teilhabepläne die wir zur Unterschrift und Ergänzung verschicken kommen oft nicht zurück, da das Sprachverständnis nicht ausreichend ist. Das bindet uns dann die Hände Bescheide und Kostenzusicherungen zeitnah zu erstellen.

    Ein Gutachten kann immer nur ein Teilaspekt in der Bedarfsermittlung sein, ich versuche immer selbst ein Bild vom behinderten Menschen zu bekommen. Wie sehr mir das fehlt, merke ich in der Coronazeit. Wir dürfen im Moment keine Termine außer Haus wahrnehmen und auch niemanden einladen. Alles muss nach Aktenlage oder per Telefon geregelt und dann entschieden werden. Bei Eltern die nicht gut deutsch sprechen ist das nicht einfach und vieles geht verloren. Im Zweifelsfall bewillige ich daher eher mehr und hoffe auf ein Treffen / Hospitation wenn die Corona Situation das wieder zulässt.
    Andere Sachbearbeiter*innen machen das halt anders.

    Meine Erfahrungen mit den Krankenversicherungen sind da auch alles andere als positiv. Einerseits herrscht Unkenntnis aber andererseits auch eine gewisse Arroganz. Was wir da teilweise weitergeleitet bekommen ist erschreckend. Oft müssen die Klienten mehrmals Widerspruch einlegen und dann lange warten bis das bearbeitet wird und oft hilft nur Beistand durch Anwälte oder eine Klage vor den Sozialgerichten. Wir können halt auch erst einhaken wenn die Widersprüche letztendlich abgelehnt werden.

    Ein Problem ist, dass viele Sachbearbeiter bei den Kostenträgern nicht aus der Praxis kommen und daher wenig Ahnung von der Realität haben. Ich erlebe das in meinem Umfeld, wenn ich mit Kolleg*innen spreche stoße ich oft auf Erstaunen oder Unverständnis, wenn ich über meine Praxiserfahrungen (über 13 Jahre in der Behindertenarbeit bei verschiedenen Trägern) berichte. Viele schauen nur auf die Kosten, dass das SGB 9 an vielen Stellen eine Pflichtleistung bzw. ein Rechtsanspruch ist wird oft ignoriert.