Beiträge von P_Jahn

    Liebe Frau Kusal,


    vielen Dank die spannende Frage und den wirklich interessanten Einblick aus Ihrer Beratungspraxis.


    Ich möchte mich zugleich um eine juristische Einordnung der Problematik bemühen.


    Zunächst einmal ist weder die BA noch die GRV zuständiger Rehabilitationsträger für die Leistungen zur Teilhabe an Bildung. Dies ist schon im Gesetzgebungsverfahren zum BTHG auf Kritik gestoßen. Das zeigt aber umso mehr, wie wichtig es ist, nicht vorschnell den Stellenwert von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu übergehen, wenn es um berufsrelevante (Fort-/Weiter-)Bildung geht.


    Es muss also im Einzelfall immer vorrangig geprüft werden, ob es sich bei dem Studium („Bildungsmaßnahme“) um eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben handelt, für die die Bundesagentur (BA) oder die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) zuständig sein können. Das Verhältnis zwischen GRV und BA ist in § 22 Abs. 2 SGB III geregelt und besagt, dass die GRV vorrangig vor der BA zu leisten hat.


    Liegen allerdings die Voraussetzungen nach dem Rentenrecht (sprich gem. §§ 10, 11 SGB VI) nicht vor, dann ist die BA zuständiger Träger. Eine Bildungsmaßnahme kann sich dann typischerweise als besondere Leistung zur Teilhabe darstellen, wie sie gem. dem Leistungsrecht zu erbringen ist, vgl. §§ 112, 113 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. §§ 117 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 118 S. 1 Nr. 3 SGB III. Danach umfassen die LTA im Rahmen der beruflichen Weiterbildung auch die Kosten bei Teilnahme an einer Maßnahme.


    Die BA begrenzt die Finanzierung eines Studiums, wenn diese Maßnahme wegen Art oder Schwere der Behinderung in einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen oder in einer sonstigen, auf die Bedürfnisse behinderter Menschen abgestellten (rehaspezifischen) Maßnahme durchgeführt wird. Die Rechtsprechung ist dem jedoch entgegengetreten.


    Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG v. 24.02.2016, Az.: B 8 SO 18/14; BSG v. 20.04.2016, Az.: B 8 SO 20/14 R) hat nämlich für die BA wie auch für die Träger der GRV festgestellt, dass sie im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ebenfalls für Bildungsleistungen leistungsverpflichtet sind, wenn sie den in § 75 Abs. 2 SGB IX genannten Leistungen zur Teilhabe an Bildung entsprechen. Somit wurde höchstrichterlich anerkannt, dass die BA (anstelle des Eingliederungshilfeträgers), bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen, im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch zur Übernahme der Kosten eines Studiums oder einer Promotion verpflichtet sein kann. Ziel der Leistungen und gleichzeitig Voraussetzung ist, die Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und die Teilhabe am Arbeitsleben dauerhaft zu sichern. Dabei müssen auch die Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes berücksichtigt werden, vgl. § 112 Abs. 2 SGB III.


    Problematisch könnte jedoch der Wortlaut in § 118 S. 1 Nr. 3 SGB III sein. Danach umfassen die besonderen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch die Übernahme der Teilnahmekosten für eine „Maßnahme“. Als Maßnahme versteht man bisher die Durchführung der beruflichen Eingliederung in einer Einrichtung durch einen Träger, wobei diese Maßnahme durch die BA bewilligt sein muss.


    Insofern verengt die BA im Rahmen der Teilhabeleistungen m.E. auch noch zu sehr auf die nichtakademischen Berufsabschlüsse. Dies läuft nicht nur der Arbeitsmarktentwicklung zuwider, sondern verkennt überdies, dass gerade ein Hochschulstudium die Chancen hinsichtlich der Teilhabe am Arbeitsleben verbessern kann.


    Letztlich lässt sich also folgendes festhalten: Für eine Förderung eines Hochschulstudiums als besondere Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben gibt es derweil leider noch keine ausdrückliche Rechtsnorm; jedoch steht eine generelle Verneinung der Zuständigkeit der BA als auch der GRV (bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen) mit dem geltenden Recht ebenso wenig im Einklang.



    Mit freundlichen Grüßen


    Philipp Jahn

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    Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt "Zugänglichkeit - Inklusion - Partizipation. Nachhaltige Teilhabe an Arbeit durch Recht" (ZIP - NaTAR)

    Redaktionsassistenz Zeitschrift "Recht & Praxis der Rehabilitation" https://uhvw.de/rp-reha.html


    Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit

    Prof. Dr. Katja Nebe

    Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

    Liebe Frau Ehrhardt, liebe Frau Kraus, liebe Mitdiskutierende,


    ich möchte mich noch zum Punkt der „Arbeitslosenversicherung“ äußern.


    Richtig ist zunächst, dass der Gesetzgeber das BfA ohne Arbeitslosenversicherung konzipieren wollte und dies im Gesetzgebungsverfahren bereits auf (nicht erhörte) Kritik gestoßen ist.
    Allerdings lässt sich ein solcher Ausschluss aus der Arbeitslosenversicherung eben nicht ausschließlich durch einen Verweis auf die Gesetzesbegründung stützen.


    Der Gesetzgeber hat auf eine Ausschlussregelung im SGB III für die BfA-Beschäftigen aus der Arbeitslosenversicherung verzichtet und er hat die Sozialversicherungspflicht der BfA-Beschäftigten dagegen in § 61 SGB IX ausdrücklich zur Leistungsvoraussetzung gemacht. Damit sprechen der Wortlaut der Norm und die Gesetzessystematik folglich für einen Einbezug in die Arbeitslosenversicherung. Zudem wurde auch während der Corona-Pandemie deutlich, dass ein solcher Ausschluss diskriminierenden Charakter hat. Dies zeigt, dass es notwendig ist, die Kritik hieran zu erneuern und mit weiteren Argumenten zu verstärken. Letztlich sind auch die Rehabilitationsträger an Recht und Gesetz gemäß Art. 20 Abs. 3 GG gebunden und müssen damit auch die einschlägigen Diskriminierungsverbote beachten.



    Sofern Interesse an weiteren Nachweisen für die oben aufgeführte Argumentation besteht, möchte ich noch gerne auf meinen Fachbeitrag zur Thematik im Diskussionsforum unter https://www.reha-recht.de/fach…artikel/beitrag-d17-2020/hinweisen.



    Viele Grüße aus Halle


    Philipp Jahn