Sehr geehrter Herr "Thomas L.",
vielen Dank für Ihre Frage, die Einblick in die Rechtspraxis gibt.
Da sich die Verwaltungspraxis aller Rehabilitationsträger an den gesetzlichen Vorgaben, hier vor allem des SGB IX, messen muss, kommt es auf die Hinweise in den Formularen der Rentenversicherung nicht an, wenn diese die gesetzlichen Ansprüche unzulässig beschränken.
Die Antwort auf Ihre Frage hängt also von der Gesetzeslage ab. Und diese ist recht eindeutig: Sie haben einen gesetzlichen Anspruch unabhängig davon, ob die Selbstzahlung für Sie besonders belastend wäre.
Die Rentenversicherung hat als Rehaträger gem. §§ 6 Abs. 1 Nr. 4, 5 Nr. 1 SGB IX die Fahrtkosten im Rahmen der Stufenweisen Wiedereingliederung (StW) zu tragen. Der Anspruch der Versicherten ergibt sich aus § 28 SGB VI iVm. §§ 64 Abs. 1 Nr. 5, 73 SGB IX. Die Formulierung des § 73 SGB IX ist dabei eindeutig, die Fahrtkosten „werden […] übernommen“. Der Reha-Träger hat im Rahmen der Fahrtkostenerstattung keinen Ermessensspielraum, ob die Kosten zu erstatten sind.
Aus dem Gesetz ergibt sich auch keine weitere Einschränkung, sondern nur eine Begrenzung dieses Anspruchs. Gem. § 73 SGB IX sind die erforderlichen Fahrtkosten zu erstatten, sodass Voraussetzung – neben einer bewilligten Leistung der medizinischen Rehabilitation (in Ihrem Fall mit der StW gegeben) – die Erforderlichkeit der Fahrtkosten ist.
Diesen Punkt „Erforderlichkeit“ scheint die DRV mit ihrer Formulierung („finanziell außergewöhnlich belastet“ bzw. „Durchführung der stufenweisen Wiedereingliederung ansonsten gefährdet“) ausfüllen zu wollen.
Erforderlich iSd. § 73 SGB IX sind die Kosten jedoch regelmäßig dann, wenn Sie Ihre Arbeitsstelle nicht zumutbar fußläufig erreichen können. Wenn Sie öffentliche Verkehrsmittel nutzen, sind die Fahrtkosten unter Einschluss möglicher Ermäßigungen erforderliche Kosten. Eine Pflicht, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, besteht allerdings nicht. Bei Nutzung eines privaten Kfz besteht lediglich eine Begrenzung hinsichtlich der Höhe der Erstattung gem. § 73 Abs. 4 SGB IX (Fuchs/Ritz/Rosenow/Conrad-Giese, § 73 SGB IX Rn 13 f.; vgl. LPK-SGB IX/Asmalsky, § 73 Rn. 5).
Fazit: Über das „Ob“ der Erstattung besteht kein Entscheidungsspielraum, wenn Sie nicht zufällig zu Fuß gehen konnten. Eine außergewöhnliche Belastung ist für den Anspruch gesetzlich nicht vorgesehen. Lediglich die Höhe kann sich je nach Verkehrsmittel unterscheiden.
Die Fahrtkostenerstattung ist vom Anspruch auf medizinische Rehabilitationsleistung mitumfasst. Eine Kostenerstattung kann schon der Natur der Sache nach erst nach dem Aufwand, also nach den unternommenen Fahrten erfolgen. Damit kann der Antrag auf Erstattung nach Ende der StW auch nicht verspätet sein. Im Übrigen würde ein etwaiger Beratungsfehler zu Lasten des Rehabilitationsträgers gehen, vgl. dazu auch schon den Beitrag von Nebe/Kurazova: Rückwirkende Pflegeleistungen im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs wegen Verletzung der hausärztlichen Benachrichtigungspflicht aus § 7 Abs. 2 S. 2 SGB XI – Anmerkung zu LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 23.09.2010, L 27 P 5/09; Forum A, Beitrag A12-2012 unter http://www.reha-recht.de; 07.05.2012, https://www.reha-recht.de/fach…kussionsbeitrag-a12-2012/)
Mit freundlichen Grüßen
Linda Albersmann für das
Team ZIP-NaTAR Standort Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg