Beiträge von Andrea Seeger

    Hallo Zusammen,


    Danke für die spannenden Fragen. Aus Zeitgründen hier sicher nicht abschließend, sondern einfach die Gedanken von einige Minuten:


    Zum 1.1.2024 wurde eine neue Stufe der Ausgleichsabgabezahlungen eingeführt. Nun müssen Betrieben, die trotz Beschäftigungspflicht, keine Person mit anerkannter Schwerbehinderung/Gleichstellung beschäftigten, 720 € pro Monat und nicht besetztem Platz bezahlen.

    Außerdem werden Werkstattbeschäftigte seit 01.01.2024 nun die ersten Jahre auf 2 Plätze angerechnet.

    Die EAA haben den Auftrag, noch mehr Betriebe aufzuschließen, zu sensibilisieren und zu informieren. Es bleibt zu hoffen, dass das gelingt.

    Das BfA und BfAusbildung sind sinnvolle Instrumente, werden jedoch noch zu wenig genutzt. Rentenbeiträge sollten weiterhin auch im BfA anhand des fiktiven Einkommens abgeführt werden, um keine Nachteile für die Personen zu generieren.

    Die Übergangsquoten aus WfbM sind weiterhin niedrig. Andere Leistungsanbieter sind seit 2018 im Gesetz, doch weder flächendeckend, noch in ausreichender Zahl am Start.

    Die Maßnahme UB, § 55 SGB IX, zeigt gute Erfolge, könnte jedoch noch mehr von den Rehaträgern genutzt werden, v. a. auch von der Rentenversicherung.


    Beispielhaft wären noch folgende Maßnahmen hilfreich:

    Empowerment der Menschen mit Behinderungen und ihrer Angehörigen

    Fortbildungen und Ermutigung für Fachkräfte, Unterstützung seitens der Geschäftsführung für ihre Jobcoaches

    Auskömmliche Finanzierungen für Fachdienste, die Übergangsmanagement betreiben

    Vermittlungsprämien für erfolgreiche Fachdienste neben einer soliden Grundvergütung der Arbeit gemäß TVÖD und anfallender Sachkosten

    Eine echte Wahlmöglichkeit zwischen stationären und betrieblichen Angeboten für die Menschen mit Behinderungen

    Bürokratieabbau - viele Fachkräfte im Feld der beruflichen Inklusion klagen über zuviel Dokumentation, dadurch fehlt die Zeit für Akquise und Jobcoaching

    Schnelle Entscheidungen auf Seiten der Kostenträger, verlässliche Ansprechpartner für Arbeitgeber (EAA und Fachdienste)

    Personenzentriertes Handeln, statt Institutionen- und Zuständigkeitsdenken.


    Der Dialog ist eröffnet - es gibt bestimmt noch viele Hinweise/Einschätzungen aus der Szene.


    Herzliche Grüße von Andrea Seeger

    Liebe Lesende,


    aus meiner Sicht braucht es für jeden Schüler und jede Schülerin bereits während der Schulzeit die Möglichkeit sich mit einer offenen Berufswegeplanung auseinanderzusetzen. Davon sind wir in Deutschland leider noch weit entfernt. Unterstützt werden sollte dieser Prozess von ressourcenorientiert arbeitenden Fachkräften, die mit den Schüler*innen mit Materialien aus der persönlichen Zukunftsplanung arbeiten. Und die vor allem die richtige Haltung mitbringen, dass nämlich Inklusion ein Menschenrecht ist. Jede*r Schüler*in sollte personenzentriert die Unterstützung bekommen, die er bzw. sie benötigt. Dafür müssten natürlich auch die entsprechenden Hilfsmittel bereit gestellt werden, die z. B. eine Person mit körperlichen oder Sinnesbeeinträchtigungen an einem betrieblichen Praktikumsplatz benötigt. Gut begleitete Praktika in Betrieben sind die Voraussetzung für Schüler*innen, um sich ein Bild von betrieblichen Realitäten machen zu können. Es bietet sich so auch die Chance für einen Arbeitgeber und die dort arbeitenden Mitarbeitenden in Kontakt zu kommen. Gemeinsam und mit Unterstützung von Fachkräften, die mit ausreichend Zeit auszustatten sind, geht es darum, Erfahrungen zu sammeln. Dafür ist ein förderlicher Rahmen nötig, der die Schüler*innen ermuntert, ihnen ihre Stärken aufzeigt und nicht permanent ihre sog. Defizite in den Vordergrund stellt. Nach der Schule sollten Schüler*innen wählen können zwischen der Eingliederung in das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich einer WfbM oder einer betrieblichen Maßnahme. In Vorarlberg (Österreich) ist das heute schon gelebte Praxis.

    Insgesamt wäre es sehr hilfreich, wenn wir uns von dem Maßnahmendenken lösen könnten, weil dahinter immer ein Schubladen-Denken steckt. Schubladen bringen uns leider in Sachen Inklusion wenig weiter. Es stellt sich eher die Frage: Mit welchen Hilfen/Rahmenbedingungen kann die Person ihr Potential entfalten und ausbauen, sodass daraus hoffentlich ein passgenauer Arbeitsplatz entstehen kann.


    Wir haben noch viel zu tun. Das ist klar. Doch wir sollten nicht müde werden uns für inklusive Bedingungen einzusetzen.


    Herzliche Grüße von Andrea Seeger

    Hallo Zusammen,


    eine Unterstützungsleistung ist meines Erachtens noch zu wenig bekannt: Das Jobcoaching direkt am Arbeitsplatz. Ein externer Jobcoach unterstützt dabei alle Beteiligten dabei, einen Arbeitsplatz zu sichern, indem mit dem Blick von außen geschaut wird, ob die Person passend eingesetzt ist. Im ersten Schritt ermöglicht ein Gespräch mit allen Beteiligten einen Abgleich zwischen vorhanden Fähigkeiten und Kompetenzen der Person, um die es geht, und den betrieblichen Anforderungen die Ausgangsbasis für ein gezieltes Jobcoaching. Ziel ist eine für alle Beteiligten gute Lösung zu finden. Wie können Rahmenbedingungen für die Person verändert werden, dass sie wieder bestmöglich eingesetzt werden kann. Aus meiner Sicht ist jobcoaching ein tolles Instrument. Jobcoaching kann befristet direkt am Arbeitsplatz angeboten werden, um z. B. Arbeitspläne zu erstellen, Aufgaben gut zu strukturieren, Kolleg*innen mit einbeziehen, wenn es um das Thema Kommunikation geht. Selbstverständlich müssen alle Parteien damit einverstanden sein. Hier braucht es noch viel Aufklärungsarbeit und ein wertschätzendes Umfeld, damit Jobcoaching nicht als Stigma erlebt wird.


    Schöne Grüße von Andrea Seeger

    Hallo Zusammen,


    im Falle von Eingliederungs- bzw. Beschäftigungssicherungszuschüssen handelt es sich um Kann-Leistungen, die im Ermessen der jeweiligen Kostenträger bzw. der dortigen Sachbearbeiter*innen liegen. Ein Eingliederungszuschuss für Schwerbehinderte Menschen kann bei unbefristeten Verträgen in Einzelfällen sogar bei bis zu 5 Jahren, bei älteren Arbeitssuchenden sogar bis zu 8 Jahre genehmigt werden. Sollte ein Eingliederungszuschuss nur für 1 Jahr genehmigt werden, kann dies ein Hinweis auf ein befristetes Arbeitsverhältnis darstellen. Nach Auslaufen des Eingliederungszuschusses kann ein Beschäftigungssicherungszuschuss durch das Inklusionsamt bezahlt werden, jedoch nur sofern die Person eine anerkannte Schwerbehinderung oder Gleichstellung hat. Eine gute Übersicht über mögliche Förderungen bietet die von der BIH erstellte Übersicht. Ich stelle sie in den Anhang.


    Schöne Grüße von Andrea Seeger

    Hallo Zusammen,


    ergänzend zu meinen Vorredner*innen - oder sollte ich besser Vorschreiber*innen sagen - hier noch ein Hinweis von mir. Im Buch Zukunft der Werkstätten, vgl. Abbildung, sind auch Artikel zum Budget für Arbeit/Ausbildung veröffentlicht. Auch ich wurde angefragt zum Budget für Arbeit. Da das Buch online zu lesen ist und auch Downloads möglich sind, habe ich mit erlaubt, meinen Artikel in den Anhang zu packen. Dort habe ich auch beschrieben, was es braucht, um mehr Budgets für Arbeit erreichen.

    Quellenangabe/ Reference: Schachler, Viviane [Hrsg.]; Schlummer, Werner [Hrsg.]; Weber, Roland [Hrsg.]: Zukunft der Werkstätten. Perspektiven für und von Menschen mit Behinderung zwischen Teilhabe-Auftrag und Mindestlohn. Bad Heilbrunn : Verlag Julius Klinkhardt; Lebenshilfe Verlag der Bundesvereinigung 2023, 333 S. - URN: urn:nbn:de:0111-pedocs-265102 - DOI: 10.25656/01:26510; 10.35468/6002. Zur Publikation


    Viele Grüße von

    Andrea Seeger, Access Inklusion im Arbeitsleben gGmbH

    Liebe Alle,


    das sind hier tolle und sehr treffende Diskussionsbeiträge zur individuellen Bedarfsermittlung und damit auch zu mehr Selbstbestimmung und Wahlmöglichkeiten für Menschen mit Reha-Bedarfen.


    Es ist tatsächlich so, dass leider immer noch ein Maßnahmendenken in den Köpfen der Kostenträger vorherrscht. Diesen Rahmen verlassen trauen sich nur wenige. Eine Lösung könnten Module sein für die Menschen, z. B. auch individuelles Jobcoaching direkt am Arbeitsplatz.


    Der Weg hin zur individuellen Personenorientierung ist noch weit und derzeit nur mit viel Aufwand und Überzeugungsvermögen zu gehen. Als Geschäftsführerin eines innovativen Leistungsanbieters habe ich hier vielfältige Erfahrungen.


    Etliche Stellungnahmen zur Thematik wurden hierzu in der Vergangenheit bereits verfasst. Ich weise hier auf zwei hin. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Unterstützte Beschäftigung hat ein tolles Papier erstellt. Zu finden im Netz unter

    https://daten2.verwaltungsportal.de/dateien/seitengenerator/2dfbfa463a4d7f71be425968cfed6a22203482/thesen_inklusiver_arbeitsmarkt_2023-03.pdf


    Auch in das "Verbände-Treffen Arbeit" hat eine gute Stellungnahme dazu entwickelt. Zu finden unter

    https://daten2.verwaltungsportal.de/dateien/seitengenerator/2dfbfa463a4d7f71be425968cfed6a22203482/positionspapier_inklusive_arbeit_end.pdf


    In Summe müssen wir weg vom Maßnahmendenken, sondern uns Fragen: Was braucht die Person, um im allgemeinen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Wie das gelingt, wissen wir längst, wenn man uns alle nur lässt und entsprechend finanziell ausstattet. Den Dialog hierzu mit Kostenträgern und der Politik zu führen ist immens wichtig.


    Viele Grüße von Andrea Seeger, Access Inklusion im Arbeitsleben gGmbH

    Access

    Hier ein paar Ergänzungen zu den vorherigen Beiträgen:


    Die Aufnahme in eine WfbM ist nicht an einen Schwerbehinderten-Ausweis gekoppelt, sondern diejenigen haben einen Rechtsanspruch auf einen WfbM-Platz, die aufgrund von Art und Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder zu (den regulären) Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten können, nicht selbst- und fremdgefährdend sind und in der Lage sind ein wirtschaftlich wiederverwertbares Maß an Arbeit zu leisten.


    Zur Erwerbsminderungsrente: Diese steht auch Personen nach 20 Jahren zu, die im Budget für Arbeit beschäftigt sind.

    Als Fachdienst Access Inklusion im Arbeitsleben gGmbH haben wir verschiedene Erfahrungen mit dem BfA gemacht, insbesondere folgende (es ist keine abschließende Liste):

    1. Es ist grundsätzlich ein gutes Instrument, um Menschen mit Behinderungen und sog. Werkstatt-Status nach einer entsprechenden betrieblichen Erprobung und mit individueller Begleitung eine Alternative zum Arbeitsbereich einer WfbM zu bieten und so berufliche Inklusion umzusetzen. Im Detail könnte es noch Verbesserungen geben, z. B. das Thema Arbeitslosenversicherung. Die Rententhematik muss bedacht werden und entsprechend Aufklärungsarbeit geleistet werden. Hier gibt es noch viel Unwissen und Fehlinformationen.
    2. Im Bezirk Mittelfranken wurden bislang, Stand 1.11.2022, 34 Anträge auf ein BfA gestellt, davon wurden 13 von uns initiiert und begleitet. Wir konnten alle unsere Teilnehmenden, die das wollten und die Anspruch auf den Arbeitsbereich einer WfbM haben, in ein BfA vermitteln. Weitere BfA befinden sich im Anbahnungsprozess. Das spricht für das Potential das im BfA steckt, wenn man es entsprechend forciert, bewirbt und zum Einsatz bringt. Die Zahlen der anderen Regierungsbezirke Bayerns bleiben teilweise weit hinter den mittelfränkischen Zahlen zurück. Hier gibt es auf jeden Fall Luft nach Oben.
    3. Die Förderhöhe ist bei unseren "Fällen" aus unserer Sicht jeweils ausreichend gewesen, um die behinderungsbedingten Einschränkungen und den Anleitungsaufwand in den Betrieben auszugleichen. Jedoch arbeiten viele unserer vermittelten Arbeitnehmer*innen in Teilzeitverhältnissen und somit gab es bislang noch keine Kollision mit der noch bestehenden Deckelungsgrenze.
    4. Die Frist zwischen Antragstellung und Genehmigung eines BfA ist aus unserer Sicht in unserer Region noch zu lange, zwischen 4 und 11 Monaten waren unsere Erfahrungswerte. Im Dialog mit dem Kostenträger der Eingliederungshilfe konnten wir die verschiedenen Perspektiven austauschen, die Prozesse etwas beschleunigen und Absprachen treffen, die förderlich sind. Wir hoffen für die Zukunft auf kürzere Bearbeitungszeiten im Sinne unserer Kunden und Kundinnen. Zeitraubend ist, dass so viele verschiedene Stellen involviert sind (Eingliederungshilfe, Inklusionsamt, Integrationsfachdienst).
    5. In unserer Region haben wir unter Federführung des Behindertenrates Veranstaltungen durchgeführt, um MmB zu informieren über das BfA. Das BfA ist noch zu wenig bekannt. Wir planen weitere Veranstaltungen und suchen derzeit dafür nach Finanzierungsmöglichkeiten.
    6. Die Möglichkeit der Berufsbegleitung nach Abschluss eines Arbeitsvertrags ist für alle Beteiligten immens wichtig, damit die Arbeitsverhältnisse unterstützt werden können.
    7. Bei den von uns begleiteten Budgets für Arbeit handelt es sich ausschließlich um zusätzlich geschaffene Stellen, die auf die Fähigkeiten der MmB abgestimmt wurden, sog. passgenaue Arbeitsplätze.
    8. Das zum 1.1.2018 einführte Rückkehrrecht ist ein wichtiger Schritt gewesen, um das Risiko und die damit verbundenen Sorgen und Ängste für die MmB zu minimieren.

    Für weitere Fragen stehe ich gerne zur Verfügung, auch unter a.seeger@access-ifd.de