Berufspraktika sind gerade für Jugendliche mit Neurodivergenz von besonderer Wichtigkeit und gleichzeitig sehr rar bzw. nur mit viel Aufwand zu finden. Außerdem stellen sie für die Jugendlichen eine Ausnahmesituation dar, ein Abweichen vom Gewohnten, Bekannten. Das verunsichert und schafft zusätzliches Konfliktpotenzial. Hier kann Schulbegleitung ansetzen und somit auch bei Berufspraktika eine große Unterstützung sein, auf vielfältigen Wegen und Formen, z.B.:
1) Sie kann sie z.B. als Übersetzer zwischen Mitarbeitende des Unternehmen und der bzw. dem Jugendlichen fungieren. Viele Jugendliche mit Neurodivergenz, z.B. bei Asperger-Autismus, haben ein wortwörtliches Sprachverständnis. Unsere Sprache ist häufig mehrdeutig und das ist uns zu oft nicht (ausreichend) bewusst. Menschen mit Neurodivergenz verstehen dann nicht selten etwas, was nicht gemeint war und handeln nachfolgend nicht nachvollziehbar oder unverständlich.
2) Sie kann vermittelnde und auf-/erklärende Funktionen erfüllen. Arbeits- und Handlungsweisen, aber auch Erklärungen sind oft mehrschrittig. Menschen mit Neurodivergenz werden durch zu viele Schritte schnell überfordert und verlieren den Überblick, da ihre Wahrnehmung, Aufnahme und Speicherung von Informationen anders erfolgt. Hier z.B. zu erklären, dass nur zwei, maximal drei Schritte aufgenommen und verarbeitet werden können, kann Wunder helfen.
3) Sie kann den Jugendlichen mit Neurodivergenz als emotionale Stütze während des Praktikums dienen. Die nicht Vorhersehbarkeit dessen, was die Jugendlichen erwartet, verunsichert sie - und dass durchaus so stark, dass sie sich kaum auf die neue Situation einlassen können und in eine nicht gewollte Abwehrhaltung gehen, um sich selbst nicht zu verlieren. Das läuft unbewusst ab. Eine gute Schulbegleitung kennt solche Situationen aus dem Schulalltag und kann ggf. auch erprobte Lösungsansätze zurückgreifen und einen Konflikt, ein Weglaufen, ein "Zumachen" - einen Meltdown oder einen Shutdown verhindern.
4) Sie kann Informationen an Eltern weitergeben, wozu der Jugendliche aufgrund der ungewohnten, neuen Situation noch nicht in der Lage ist und damit auch die Eltern zur Unterstützung und Stabilisierung mitnehmen.
Leider ist es keine Selbstverständlichkeit, dass Schulbegleitung auch außerhalb des reinen Schulunterrichts wirken darf. Hier besteht m.E. ein großer Handlungsbedarf, gleichzeitig liegt darin aber auch eine große Chance für die Jugendlichen, ihre (inneren) Bilder eines Berufes mit ihren Handlungsmöglichkeiten und -grenzen austesten zu können. Und natürlich bedarf es einer ehrlichen Rückmeldung aus dem Unternehmen und einem zurückhaltenden Handeln durch die Schulbegleitung.
Wir hatten diese Chance und mein Sohn hat verschiedene, z.T. durch seinen Schulbegleiter unterstützte Berufspraktika durchführen können. Das sind für ihn äußerst wertwolle und wichtige Erfahrungen, die seinen Berufswunsch stark beeinflusst haben.