Fahrgeld bei Wiedereingliederung

  • Hallo Forum

    Nach meiner 4 wöchigen Wiedereingliederung und Zusendung des Formulars G0837 zur Erstattung der Fahrkosten an die Rentenversicherung schrieb diese mir zurück:


    Ihrem Antrag vom 16.10.2022 können wir nicht entsprechen, da die stufenweise Wiedereingliederung bereits vor Stellung des Antrages beendet war.

    Eine außergewöhnliche finanzielle Belastung, die die Durchfüfrung Ihrer stufenweise Wiedereingliederung gefährden konnte, war somit nicht gegeben.


    Das man das fahrgeld vor der Wiedereingliederung beantragen muß ist mir nicht bekannt. Ich gehe auch mal davon aus das die Sozialarbeiterin in de Rehaklinik mir das gesagt hätte.

    Es würde auch keinen Sinn machen, ich könnte während der Wiedereingliederung krank werden oder diese sogar abrechen. Außerdem ist das Formular so Aufgebaut das es nach der Wiedereingliederung eingereicht werden muss, wie auch die Bescheinigung des Arbeitgebers nach Beendigung der Maßnahme.


    Geht es sich darum Kosten einzusparen seites der Rentenversicherung, oder wie seht Ihr das ?


    Würde mich über Resonanz seitens des Forum freuen.



    Freundliche Grüße


    Thomas

  • Sehr geehrter Herr "Thomas L.",


    vielen Dank für Ihre Frage, die Einblick in die Rechtspraxis gibt.


    Da sich die Verwaltungspraxis aller Rehabilitationsträger an den gesetzlichen Vorgaben, hier vor allem des SGB IX, messen muss, kommt es auf die Hinweise in den Formularen der Rentenversicherung nicht an, wenn diese die gesetzlichen Ansprüche unzulässig beschränken.


    Die Antwort auf Ihre Frage hängt also von der Gesetzeslage ab. Und diese ist recht eindeutig: Sie haben einen gesetzlichen Anspruch unabhängig davon, ob die Selbstzahlung für Sie besonders belastend wäre.


    Die Rentenversicherung hat als Rehaträger gem. §§ 6 Abs. 1 Nr. 4, 5 Nr. 1 SGB IX die Fahrtkosten im Rahmen der Stufenweisen Wiedereingliederung (StW) zu tragen. Der Anspruch der Versicherten ergibt sich aus § 28 SGB VI iVm. §§ 64 Abs. 1 Nr. 5, 73 SGB IX. Die Formulierung des § 73 SGB IX ist dabei eindeutig, die Fahrtkosten „werden […] übernommen“. Der Reha-Träger hat im Rahmen der Fahrtkostenerstattung keinen Ermessensspielraum, ob die Kosten zu erstatten sind.


    Aus dem Gesetz ergibt sich auch keine weitere Einschränkung, sondern nur eine Begrenzung dieses Anspruchs. Gem. § 73 SGB IX sind die erforderlichen Fahrtkosten zu erstatten, sodass Voraussetzung – neben einer bewilligten Leistung der medizinischen Rehabilitation (in Ihrem Fall mit der StW gegeben) – die Erforderlichkeit der Fahrtkosten ist.


    Diesen Punkt „Erforderlichkeit“ scheint die DRV mit ihrer Formulierung („finanziell außergewöhnlich belastet“ bzw. „Durchführung der stufenweisen Wiedereingliederung ansonsten gefährdet“) ausfüllen zu wollen.

    Erforderlich iSd. § 73 SGB IX sind die Kosten jedoch regelmäßig dann, wenn Sie Ihre Arbeitsstelle nicht zumutbar fußläufig erreichen können. Wenn Sie öffentliche Verkehrsmittel nutzen, sind die Fahrtkosten unter Einschluss möglicher Ermäßigungen erforderliche Kosten. Eine Pflicht, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, besteht allerdings nicht. Bei Nutzung eines privaten Kfz besteht lediglich eine Begrenzung hinsichtlich der Höhe der Erstattung gem. § 73 Abs. 4 SGB IX (Fuchs/Ritz/Rosenow/Conrad-Giese, § 73 SGB IX Rn 13 f.; vgl. LPK-SGB IX/Asmalsky, § 73 Rn. 5).


    Fazit: Über das „Ob“ der Erstattung besteht kein Entscheidungsspielraum, wenn Sie nicht zufällig zu Fuß gehen konnten. Eine außergewöhnliche Belastung ist für den Anspruch gesetzlich nicht vorgesehen. Lediglich die Höhe kann sich je nach Verkehrsmittel unterscheiden.


    Die Fahrtkostenerstattung ist vom Anspruch auf medizinische Rehabilitationsleistung mitumfasst. Eine Kostenerstattung kann schon der Natur der Sache nach erst nach dem Aufwand, also nach den unternommenen Fahrten erfolgen. Damit kann der Antrag auf Erstattung nach Ende der StW auch nicht verspätet sein. Im Übrigen würde ein etwaiger Beratungsfehler zu Lasten des Rehabilitationsträgers gehen, vgl. dazu auch schon den Beitrag von Nebe/Kurazova: Rückwirkende Pflegeleistungen im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs wegen Verletzung der hausärztlichen Benachrichtigungspflicht aus § 7 Abs. 2 S. 2 SGB XI – Anmerkung zu LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 23.09.2010, L 27 P 5/09; Forum A, Beitrag A12-2012 unter http://www.reha-recht.de; 07.05.2012, https://www.reha-recht.de/fach…kussionsbeitrag-a12-2012/)


    Mit freundlichen Grüßen


    Linda Albersmann für das

    Team ZIP-NaTAR Standort Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg


    Projekt "Zugänglichkeit - Inklusion - Partizipation. Nachhaltige Teilhabe an Arbeit durch Recht (ZIP - NaTAR)"


    Standort Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

    Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit

    Prof. Dr. Katja Nebe