Barrierefreiheit ist der Schlüssel zur beruflichen Teilhabe

  • Auf der Grundlage der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und nach Artikel 3 des 3 deutschen Grundgesetzes haben Menschen mit Behinderung das Recht auf eine barrierefreie Gestaltung ihrer Umwelt. Der Begriff „Barrierefreiheit“ ist umfassend und meint sehr viel mehr als Rampen oder Toiletten: Arbeit und Weiterbildung, Arztbesuch und Krankenhausaufenthalte, Sport im Verein, kulturelle Events usw. sind Bereiche, die einen barrierefreien Zugang erfordern.


    Seit 2009 ist die UN-BRK in Kraft und bis heute ist Barrierefreiheit leider keine Selbstverständlichkeit. Verbessern ließe sich das etwa damit, dass Barrierefreiheit zur Grundvoraussetzung für die Vergaben von öffentlichen Fördermitteln wird, wie es jetzt für die Themen Klima und Nachhaltigkeit gefordert oder teilweise umgesetzt wird. Gerade bei der Digitalisierung ist es wichtig, dass Barrierefreiheit bereits in der Planung und Programmierung berücksichtigt und umgesetzt wird. Auch hier ist es überfällig, Barrierefreiheit bei Ausschreibungen vorauszusetzen. Auch etwa Forschungsprojekte im Bereich der künstlichen Intelligenz müssen digitale Barrierefreiheit als Teilhabe-Technologie der Zukunft beachten.


    In der Arbeitswelt werden durch die Digitalisierung in nahezu allen Berufen schon heute digitale Kompetenzen und eine entsprechende Infrastruktur über die Teilhabe von Arbeitnehmer*innen am Arbeitsleben entscheiden. Vor allem für Menschen mit Behinderungen sind deshalb eine barrierefreie digitale Infrastruktur, barrierefreie Assistenztechnologien sowie Kompetenzschulungen unverzichtbar.


    Der optimale Einstieg ins Arbeitsleben beginnt mit einer Ausbildung, in der digitale Kompetenzen ebenso zum Anforderungsprofil gehören. Der Erwerb und die Vermittlung digitaler Kompetenzen auch und gerade im Bereich der praktischen Berufsausbildung ist zwingend nötig. Berufsbildungswerke qualifizieren seit Jahren, über unterschiedliche Förderungsmöglichkeiten für digitales sowie mediales Lernen und Lehren, Rehabilitand*innen und Mitarbeitende. Bisher hat jedoch kein Bundesprogramm die Bedarfe von Jugendlichen in außerbetrieblichen Ausbildungen im Blick gehabt.


    Die BAG BBW fördert ebenfalls über Modellprojekte wie KI ASSIST oder EdAL MR 4.0 verschiedene innovative Ausbildungsmöglichkeiten, um über die Regelausbildung hinaus zusätzliche Qualifizierungen zu ermöglichen. Die dafür nötigen Fördermittel stehen jedoch nur für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung, die Verstetigung bleibt für Reha-Einrichtungen eine Herausforderung.


    Vor diesem Hintergrund setzt sich die BAG BBW für einen „inklusiven Digitalpakt für Berufliche Bildung" bzw. eine Förderstruktur zum Aufbau digitaler Kompetenzen und Infrastruktur für außer-, über- und innerbetriebliche Ausbildung ein, die den Aspekt der Barrierefreiheit berücksichtigt. Damit werden Jugendliche und junge Erwachsene mit Behinderungen beim Erwerb digitaler Kompetenzen unterstützt und auf die Anforderungen am Arbeitsmarkt adäquat vorbereitet.


    Barrierefreiheit ist der Schlüssel zur beruflichen Teilhabe, auch und gerade in einer digitalen Arbeitswelt. Bei den anstehenden Transformationsprozessen müssen Menschen mit Behinderungen mitgenommen werden. In einer Zeit, in der täglich vom Fachkräftemangel berichtet wird, sollte das selbstverständlich sein. Dazu wollen Leistungserbringer der beruflichen Rehabilitation gemeinsam mit weiteren Akteur*innen einen Beitrag leisten – erneut mithilfe von Fördermitteln des Bundes: Mit dem Projekt KI-KOMPASS Inklusiv soll in den kommenden 5 Jahren unter der Förderung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) ein Kompetenzzentrum für KI-gestützte Assistenztechnologien und Inklusion im Arbeitsleben aufgebaut werden, um Menschen mit Behinderungen, Leistungserbringer, Unternehmen und weitere Stakeholder bedarfsorientiert und praxisnah in Bezug auf die Erprobung und Einführung KI-gestützter Assistenztechnologien zu informieren, zu beraten und zu unterstützen. Am Projekt beteiligt sind der Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke, das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke und die Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen. Die BAG BBW wird insbesondere die Qualifizierung und Schulung des Fachpersonals organisieren sowie die Vernetzung mit Arbeitgebern und weiteren Akteuren vorantreiben.

    • Offizieller Beitrag

    Sie sprechen die Rolle der Digitalisierung in Maßnahmen der beruflichen Bildung an und weisen darauf hin, dass eine "barrierefreie digitale Infrastruktur, barrierefreie Assistenztechnologien sowie Kompetenzschulungen unverzichtbar" sind. Wie werden Menschen mit Behinderungen im Projekt KI-KOMPASS Inklusiv beteiligt, um die Barrierefreiheit sicherzustellen?


    Inwieweit bestehen für Rehabilitanden in Maßnahmen der beruflichen Qualifizierung, Anpassung, Ausbildung- und Weiterbildung derzeit Barrieren aufgrund der Digitalisierung oder stellt die Digitalisierung selbst eine Barriere dar (weil z.B. bestimmte Qualifikationen erforderlich sind)? Welche Bedarfe können diesbezüglich in außerbetrieblichen Ausbildungen auftreten?

  • Ein zentraler Bestandteil des Projektes "KI Kompass inklusiv" ist die Etablierung eines beratenden inklusiven Begleitgremiums mit aktiver Beteiligung von Menschen mit Behinderungen. Dadurch sollen Projektprozesse fortlaufend durch die Perspektiven von Expert*innen in eigener Sache begleitet und ergänzt werden. Flankierend werden im Querschnitt fortlaufend ethische Aspekte beleuchtet sowie Barrierefreiheit in der Projektdurchführung aber auch in der Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in unterschiedlichen Zusammenhängen (z.B. Technologieentwicklung) thematisiert.


    In der beruflichen Rehabilitation schreitet die Digitalisierung wie in allen Bildungsbereichen unaufhaltsam voran. Insbesondere für Berufsbildungswerke gilt der Grundsatz "Pädagogik kommt vor Technik". Digitale Unterstützungsmöglichkeiten für Ausbildungsinhalte müssen sinnvoll ergänzend eingesetzt werden, um die Rahmenbedingungen und Ergebnisse für die Lernenden zu verbessern. Dafür ist vor allem der Aufbau digitaler Kompetenzen auf Seiten der Rehabilitant*innen und Fachkräfte zentral für eine gelingende Umsetzung bzw. Implementierung. Dafür sind Fortbildungsangebote wichtig, die auf die Zielgruppe eingehen. Davon gibt es noch nicht sehr viele. Die BAG BBW hat z.B. im Januar 2023 für über 200 Fachkräfte aus den Berufsbildungswerken eine virtuellen Tagung umgesetzt, in der 12 Workshops zur Fortbildung angeboten wurden. Der Bedarf ist riesig, es braucht jedoch fortlaufende und flächendeckende Fortbildungsformate.


    Gleichzeitig ist die technische Ausstattung unverzichtbar, und diese ist nach der Anschaffung relativ schnell wieder veraltet und daher kostenintensiv. Dafür braucht es eine entsprechende Finanzierung, die bisher in den Kostensätzen für Reha-Maßnahmen so nicht abgebildet sind. Hier müssen sich die Reha-Träger noch bewegen.


    Nur mit Investitionen in die digitale Transformation in der beruflichen Reha können wir alle Neuerungen, die wir durch die Corona-Pandemie beschleunigt angestoßen haben, nachhaltig und konzeptionell bzw. pädagogisch klug fortsetzen.