Was sind wichtige Themen in der Beratung von Gründerinnen und Gründern mit Behinderungen?
(Dies ist eine Impulsfrage des Teams.)
Was sind wichtige Themen in der Beratung von Gründerinnen und Gründern mit Behinderungen?
(Dies ist eine Impulsfrage des Teams.)
In der Beratung von gründungsinteressierten Menschen mit Behinderung ist zunächst wichtig, zu jedem Zeitpunkt innerhalb des Beratungsprozesses offen über die Behinderung und den damit verbundenen möglichen Einschränkungen zu sprechen. Alle gesundheitlichen bzw. behinderungsdingten Herausforderungen, die im Vorfeld bedacht und in die Planung mit einbezogen werden, können dazu beitragen, dass eine Gründung wirklich gelingt und nachhaltig ist. Oft geht es darum, wie der Arbeitsalltag organisiert und strukturiert werden kann, damit er zum dem Menschen passt. (Zum Beispiel Pausenregelungen, Zeit für Therapietermine, Leistungsschwankungen im Tagesrhythmus).
Außerdem sind behinderungsspezifische Förderungen ein wichtiges Thema wie z.B. Technische Arbeitsplatzausstattung oder Arbeitsassistenz.
Warum schreibt niemand hierzu etwas? Vielleicht, weil das Thema viele abschreckt? Wenn das so wäre, könnte ich das verstehen, denn:"
Außerdem sind behinderungsspezifische Förderungen ein wichtiges Thema wie z.B. Technische Arbeitsplatzausstattung oder Arbeitsassistenz"
Vor allem eine Arbeitsassistenz zu erhalten, ist kein Spaziergang. Ich nenne nur die Stichworte: tragfähige Gründungsidee, Business-Plan, positive Prognose - alles Kriterien, die von unbestimmten Rechtsbegriffen nur so wimmeln, und um die man sich im Einzelfall streiten kann und meistens auch muss.
Mein Wunsch ist hier, dass die Lebens- und Arbeitsentwürfe von Menschen mit Behinderung akzeptiert und wertgeschätzt werden. Das ist leider nicht immer der Fall. Nicht von Behörden. Aber auch nicht von anderen: "Warum will er/wie sie denn unbedingt SOWAS machen???"
Ja, da stimme ich Frau Ehrhardt zu. Die Erfahrung zeigt, dass es nach wie vor Vorbehalte gegenüber Gründungen von Menschen mit (Schwer-)Behinderung - auch von Seiten der Reha-Träger - gibt. Es wird nicht bedacht, dass eine selbstständige Tätigkeit eine gute Alternative zu einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung sein kann. Wenn es funktioniert und die selbstständige Tätigkeit den Lebensunterhalt sichert, dann ist es eine gute Chance für Menschen mit Behinderung bzw. gesundheitlichen Beeinträchtigungen, sich selbst einen Arbeitsplatz nach den eigenen Bedürfnissen zu gestalten.
Falls sich zeigt, dass behinderungsbedingte Förderungen für eine Gründung notwendig sind, dann klären wir schon zu einem frühen Zeitpunkt im Beratungsprozess, ob und welcher Reha-Träger zuständig ist oder ob behinderungsbedingte Förderungen beim Inklusionsamt beantragt werden können. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn das Kriterium der Beitragszeiten (15 Jahre) bei der DRV nicht erfüllt ist oder wenn es um den Erhalt einer selbstständigen Tätigkeit geht (6 Monate nach Gründung).
Oft verzögert sich durch die lange Bearbeitungszeit der Anträge der Start in die selbstständige Tätigkeit, was Gründungen in der Vergangenheit auch schon gefährdet hat. Hier gibt es nach unserer Erfahrung vor allem bei der DRV noch großen Handlungsbedarf.
ja. Und so manche/ so mancher gibt auch zwischenzeitlich auf.
Falls sich zeigt, dass behinderungsbedingte Förderungen für eine Gründung notwendig sind, dann klären wir schon zu einem frühen Zeitpunkt im Beratungsprozess, ob und welcher Reha-Träger zuständig ist oder ob behinderungsbedingte Förderungen beim Inklusionsamt beantragt werden können. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn das Kriterium der Beitragszeiten (15 Jahre) bei der DRV nicht erfüllt ist ...
Verstehe ich das richtig?
Die Wartezeit von 15 Jahren ist bei der DRV versicherungsrechtliche Voraussetzung für einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe. Da Leistungen der Rehabilitationsträger vorrangig vor den Leistungen des Inklusionsamtes sind, kann das Inklusionsamt bei Nichterfüllung einer Wartezeit von 15 Jahren einspringen und Beiträge zur DRV für den Gründer mit Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe übernehmen?
Wenn die DRV nicht der zuständige Reha-Träger ist, kann das Integrationsamt/Inklusionsamt bei einem Gründungsvorhaben/einer selbstständigen Tätigkeit behinderungsbedingte Förderungen übernehmen, wenn ein GdB von 50 vorliegt.
...die Kassen der Integrationsämter sind bekanntlich oft nicht gut gefüllt...
Ich finde es wichtig, dass es Beratungsstellen speziell für Gründer*innen mit Behinderung gibt, die individuell alle Phasen des Gründungsprozesses unterstützen.
Unabhängig von der speziellen Geschäftsidee und dem Business-Plan ist es zu Beginn besonders wichtig, spezielle Fördermöglichkeiten für Menschen mit Behinderung zu erfahren:
Gibt es Zuschüsse speziell für Gründer*innen mit Behinderung? Gibt es ein Pendant zum Lohnkostenzuschuss für Arbeitgeber? Können z.B. Sozialversicherungsbeiträge bezuschusst werden? Und wo kommen die Ressourcen her, z.B. auch aus der Ausgleichsabgabe?
An wen kann man sich wenden, wenn Förderanträge konkret werden?
Eine Förderung mit einem Gründungszuschuss (analog wie bei arbeitslosen Menschen durch die Bundesagentur für Arbeit gem. § 93 SGB III) ist auch im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben möglich. Voraussetzung ist u.a. dass der zuständige Reha-Träger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) dem Grunde nach bewilligt hat. Sind alle weiteren Voraussetzungen erfüllt und die berufliche Eingliederung durch eine selbständige Tätigkeit erreichbar, dann kann ein Gründungszuschuss nach § 49 Abs. 3 Nr. 6 auch im Rahmen eines beruflichen Teilhabeverfahrens möglich sein.
Dieser besteht aus 2 Förderphasen: In der ersten Phase (6 Monate) wird ein monatlicher Betrag in Höhe des bei Arbeitslosigkeit zustehenden Arbeitslosengeldes gezahlt und zusätzliche eine Pauschale in Höhe von 300,- EUR für die freiwillige soziale Absicherung. Wenn die Gründung erfolgreich verläuft, kann dieser Betrag von 300,- EUR monatlich noch 9 weitere Monate (=Förderphase 2) gezahlt werden.
Andreas Bieringer
Es gibt verschiedene Beratungsangebote für Gründungsinteressierte bzw. Selbstständige mit (Schwer-)behinderung:
Berlin: https://berlin.enterability.de/
Brandenburg: https://perspektive-selbststaendigkeit.de/mmb
andere Bundesländer: https://b-e-s-s-e-r.de/
Es gibt verschiedene Beratungsangebote für Gründungsinteressierte bzw. Selbstständige mit (Schwer-)behinderung:
Berlin: https://berlin.enterability.de/Brandenburg: https://perspektive-selbststaendigkeit.de/mmb
andere Bundesländer: https://b-e-s-s-e-r.de/
Vielen Dank Frau Oechsl. Es gibt noch uns also found it = in NRW ansässig aber überall außer in Berlin tätig:
Wir begleiten und beraten Menschen mit Behinderung zum Thema Selbstständigkeit mit Peer Beratung.
Eine Förderung mit einem Gründungszuschuss (analog wie bei arbeitslosen Menschen durch die Bundesagentur für Arbeit gem. § 93 SGB III) ist auch im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben möglich. Voraussetzung ist u.a. dass der zuständige Reha-Träger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) dem Grunde nach bewilligt hat. ...
Andreas Bieringer
Vielen Dank für die anregende und informationsreiche Diskussionsrunde.
Leider wurde mir wieder deutlich gezeigt, dass ich die Sprache der Juristen schlecht verstehe.
Das Sozialgesetzbuch ist für mich tatsächlich ein „Paragrafendschulgel“.
Dafür bin ich Architektin und Mutter einer jungen Künstlerin mit Behinderung.
Unsere Tochter möchte sich als Modedesignerin selbstständig machen.
Die Frage, ob sie „einen Anspruch auf Teilhabe am Arbeitsleben“ hat, stellt sich ihr nicht.
Mir auch nicht.
Ich sehe, dass sie sehr kreativ ist und viele wunderbare Dinge produziert.
Ich sehe nicht, warum „ein Anspruch auf Teilhabe am Arbeitsleben“ nachzuweisen ist, wenn man als Gründerin sein Recht auf Arbeit einlösen möchte und dafür eine Förderung aufgrund der Behinderung benötigt.
... weil man für alles, was man als Mensch mit Behinderung an Teilhabeleistungen braucht, einen "Anspruch" nachweisen muss. So ist unsere Welt. Die wir selbst geschaffen haben. Ändern können sie engagierte Menschen, die sich politisch engagieren oder versuchen, Vorschriften juristisch anzugreifen. Behörden können es nicht. Beratungsstellen schon gar nicht.
.... genau so ist es... als abschließende Bemerkung vielleicht noch von meiner Seite: wir müssen uns auch vergegenwärtigen, dass es sich z.b. in der Eingliederungshilfe um Steuermittel handelt, die von den Leistungsträgern verantwortungsvoll und im Rahmen der bestehenden Gesetzeslage eingesetzt werden dürfen. Dazu gehört es natürlich auch, dass Ansprüche geprüft und beschieden werden müssen.